Hamburg. Fastenprojekt: Wie lebt eine Familie von 30 Euro pro Tag? Die Pastorin Margrit Sierts und ihre beiden Kinder aus Hamburg probieren es aus.

Auf die Besuche der St.-Pauli-Spiele am Millerntor will Pastorin Margrit Sierts nicht verzichten. "Da esse ich lieber weniger, damit das Geld für die Eintrittskarte reicht", sagt sie. Die Schokolade, die sie so gerne isst, wird sie sich jedoch verkneifen müssen. Statt Bio-Produkten wird es Lebensmittel vom Discounter geben. Und ob für Marek (13) der monatliche Kinobesuch drin ist oder für Lena (21) das Ausgehen am Wochenende, weiß die alleinerziehende Mutter jetzt noch nicht. Vom 1. März an wird die Familie nach dem Regelsatz von Hartz IV leben - von 897 Euro inklusive aller Fixkosten wie Strom, Versicherungen und Fahrkarten. Von weniger als 30 Euro pro Tag.

Freiwillig - und nur für einen Monat, denn so lange dauert das etwas andere Fastenprojekt, zu dem die Stadtteildiakonien Harburg-Heimfeld und Süderelbe alle Harburger aufrufen. "Damit hat jeder die Chance, am eigenen Leib zu erfahren, was es bedeutet Hartz IV-Empfänger zu sein", sagt Initiatorin Uschi Hoffmann. "Unser Ziel ist, die Teilnehmer für deren Probleme zu sensibilisieren und sie mit ihnen ins Gespräch zu bringen." Die Diakonin arbeitet als Sozialberaterin im Bezirk Harburg, wo nach Angaben des Statistischen Landesamtes im Jahr 2008 mehr als 17,4 Prozent der Bevölkerung von Hartz-IV-Bezügen lebten.

Uschi Hoffmann hilft Arbeitslosen bei der Wohnungssuche, bei Problemen mit der Behörde und beim Ausfüllen von Formularen. Auch Margrit Sierts würde wohl eines Tages vor ihr sitzen - zumindest, wenn ihre "Arbeitslosigkeit" länger als einen Monat dauerte. Die Pastorin wohnt mit Sohn Marek und Tochter Lena in einer 130-Quadratmeter-Doppelhaushälfte - auch während des Experiments. "Das ist nach Hartz-IV-Ermessen viel zu groß", sagt Uschi Hoffmann. "Erlaubt sind für drei Personen nur 75 Quadratmeter." Doch komfortables Wohnen wird für Familie Sierts im März der einzige Luxus sein.

Auf die Besuche beim Italiener werden Mutter und Kinder verzichten, auch das Handball-Training für Marek und der Sport von Margrit Sierts werden ausfallen. "Unsere Mitgliedschaft beim TV Fischbek kostet im Quartal 70 Euro", sagt Margrit Sierts. "Mit Hartz IV ist das nicht drin." Trotz der Einschränkungen, mit denen sie in der "Fastenzeit" zurechtkommen müssen, finden Marek und Lena die Aktion gut. "In meiner Schule gibt es schon manche Kinder, deren Familien von Hartz IV leben müssen", sagt Marek. "Es ist gut, wenn man erfährt, wie die leben." Sorgen macht er sich allerdings um den Labrador, die Fische und die beiden Katzen der Familie. "Das Futter ist ziemlich teuer", sagt er. Lena sieht der Hartz-IV-Zeit gelassen entgegen. Sie hat gerade ein freiwilliges halbes Jahr in einem Kinderheim in der mexikanischen Stadt Oaxaca hinter sich, wo sie große Armut kennengelernt hat.

Was genau für Einsparungen auf sie zukommen, wissen die Sierts noch nicht. Am Aschermittwoch, wenn für viele Christen die vorösterliche Fastenzeit beginnt, werden sie sich zum ersten Mal mit den anderen Teilnehmern des Projekts treffen. Dort werden ihnen Experten wie Uschi Hoffmann, aber auch mehrere Arbeitslose bei der genauen Berechnung des Betrages helfen, der ihnen nach den Regelsätzen zustünde. Am stressigsten stellt sich Pastorin Sierts das Suchen nach den günstigsten Lebensmitteln vor. "Das ist mit Sicherheit nach einem anstrengenden Berufstag nicht leicht." Doch sie weiß: Das ist ein Luxusproblem, das sicher viele Arbeitslose gerne hätten.

Dem März blicke sie mit Spannung entgegen, sagt Margrit Sierts. Schon seit mehreren Monaten steht für sie fest, dass sie an dem Fastenprojekt teilnimmt - sie gehört mit zum Vorbereitungsteam. Wer bei "Hartz IV auf Probe" teilnehmen möchte, ist eingeladen, am 17. Februar um 18 Uhr entweder in das Gemeindezentrum St. Trinitatis (Bremer Straße 9, Harburg) oder in die Michaeliskirchengemeinde (Cuxhavener Straße 323, Neugraben-Fischbek) zu kommen. Geplant sind sechs weitere Treffen.