In der Innenstadt ist sie der Anlaufpunkt für Menschen in Not: Schwester Petra verteilt Brötchen, Kaffee und Tee und Schlafsäcke an Obdachlose.

Hamburg. Eisig braust der Wind durch die Hamburger Innenstadt. In der Mönckebergstraße müssen sich die Passanten hüten, nicht zu straucheln. Frostige Zeiten ganz besonders für Obdachlose und andere Bedürftige.

Welch Segen, dass es Schwester Petra gibt. Unerschütterlich steht sie ihre Frau - stabil, das gesamte Jahr über. Grundsätzlich an der gleichen Stelle, am Gerhart-Hauptmann-Platz vor Karstadt. Seit 1998 gilt ihr weißer VW Caddy dort als Bastion der Nächstenliebe, als Anlaufpunkt für Menschen in Not. Zweimal täglich verteilt die 70 Jahre alte Ordensschwester heiße Getränke, selbst geschmierte Brote, warme Kleidung und manches aufmunternde Wort an jene, die es bitter nötig haben.

So wie Helmut. Der Frührentner verbringt die Nächte derzeit in einem Wohnheim in der Nähe des Hauptbahnhofs. Der Fußweg zu Schwester Petra zählt seit Jahren zu den Konstanten in seinem Leben. Beide kennen sich (auch mit Namen) und klönen vertraut. Mit einem Pappbecher Kaffee, einem belegten Rundstück und einem Stück Kuchen zieht der Mann von dannen. "Ohne Schwester Petra wäre das Leben ärmer", sagt er. "Gott sei Dank, dass es diese Einrichtung der mobilen Hilfe gibt." Die paar Minuten am Heck des Mini-Lieferwagens haben ihm ein bisschen Wärme gebracht. So und so.

Derweil hat sich die Nonne, von den umliegenden Geschäftsleuten auch "Hamburgs Mutter Teresa" genannt, anderen zugewandt. In diesen Wintertagen stehen morgens zwischen zehn und elf Uhr meist 25 Personen am helfenden Mobil; nachmittags sind es etwas weniger. Viele sind Stammkunden und kennen sich untereinander. Neulingen hilft die rüstige Ordensschwester nicht nur mit Jacken, Pullovern, Schlafsäcken, Schals und Socken, sondern auch mit handfesten Tipps. Wo sind Sozialarbeiter oder Seelsorger zu finden? Was bringt das Winternotprogramm? Wo gibt es die schnelle Unterkunft?

"Manchmal sind ein liebes Wort und ein offenes Ohr ebenso wichtig wie Tee oder Brötchen", sagt Petra Schulte während einer kurzen Verschnaufpause. Sie selbst sei so kuschelig gekleidet, dass sie der Frost nicht störe. Mehr schon die Gleichgültigkeit, mit der mancher Passant auf das Schicksal der Notleidenden reagiere. Dennoch überwiegen Verständnis und Anteilnahme bei weitem. Zuspruch, Komplimente, aber auch Zuschüsse in die Spendenbüchse gehören dazu. Eine Bekleidungsfirma stiftete einen Satz Handschuhe, und jüngst übergab ein Mann spontan seine Pelzjacke.

Wie gut, dass die Caritas ihrem Namen alle Ehre macht und Schwester Petras anpackenden Dienst ermöglicht. Das speziell ausgerüstete Auto wurde 1997 vom Erlös eines Benefizkonzerts im Michel gekauft, das 22 000 Euro einbrachte. Wenige Monate später ging's los. Seitdem startet die gebürtige Meppenerin aus dem Liebfrauenorden in Belm bei Osnabrück werktäglich um 6.30 Uhr mit ihrem Projekt, welches zur Herzenssache wurde. Nach dem Gebet in ihrer Wohnung im Generalvikariat des Erzbistums auf St. Georg werden Dutzende Brötchen geschmiert, 15 Liter Kaffee gebrüht und vier Liter Wasser für Tee aufgesetzt. Zeitgleich liefern Zivildienstleistende von der Bahnhofsmission Kuchenspenden an. Um 9.30 Uhr setzt sich die Ordensschwester in ihren Volkswagen und braust Richtung Einsatzort.

Dass Helmut, Dieter und andere Stammkunden diesmal mit Blumen kamen, hat guten Grund: Schwester Petra feierte am Dienstag ihren 70. Geburtstag. Mit Gottesdienst und Dank des Weihbischofs. Zeit zum Aufhören? "Eine Ordensschwester geht nie in Rente", entgegnet sie. "Solange mir der Herrgott die Kräfte gibt, bleibe ich hier stehen."