Seit 2007 leben drei der ausgesprochen großen, schweren und schönen Antilopen in Hagenbecks Tierpark.

Hamburg. Ein Mann wie eine indische Metropole: groß, bunt, kraftvoll. Nicht von ungefähr hat Nilgauantilopen-Mann Mumbai seinen Namen. Nur die Fähigkeit, ähnlich viele Nachkommen in die Welt zu setzen, wie Menschen in der 13,9-Millionen-Stadt leben, ist ihm abhanden gekommen. Schuld daran ist ein kleines Kommunikationsproblem ...

Seit 2007 leben drei der ausgesprochen großen (Schulterhöhe bis zu 140 Zentimetern), schweren (bis zu 300 Kilo) und schönen Antilopen in Hagenbecks Tierpark. Die ursprünglich in Indien und Pakistan beheimateten Tiere teilen sich eine Freianlage mit den Vietnam-Sikahirschen, den Hirschziegenantilopen und einem Pärchen Weißnacken-Kranichen.

"Mumbai war von Anfang an toll mit seinen Mädels Yamuna und Narnia und auch ganz lieb zu uns Pflegern", sagt Tierpflegerin Julia Ganz (26). Keine ganz unwichtige Eigenschaft, liegen doch die 20 Zentimeter langen, spießartigen Hörner des Männchens genau auf Bauchhöhe der Pfleger, wenn er den Kopf senkt. Mit den anderen Mitbewohnern in der Huftier-WG verstand sich der große Bock leider nicht ganz so gut: "Mumbai und der Sikahirsch-Mann kamen überhaupt nicht klar", sagt Julia Ganz.

Dieses endete stets in einem ungleichen Kampf, berichtet die Tierpflegerin: "Zum einen kämpften sie mit ungleichen Waffen: Hörner gegen Geweih. Und zum anderen klappte die Kommunikation zwischen ihnen nicht." Während eine bestimmte Körperhaltung für den einen bedeutete "Okay, ich habe genug, du hast gewonnen, also lass mich in Ruhe", stachelte diese Geste den anderen erst so richtig an. Es half alles nichts. Mumbai musste seine Männlichkeit einbüßen: Durch das Ausschalten der Hormone erhofften sich die Zootierärzte, dass der Antilopenmann fortan friedfertiger im Umgang mit anderen Böcken wäre. Und es scheint funktioniert zu haben: Nachdem er nach der Operation eine Weile separat gehalten wurde, durfte er unlängst zurück auf die Anlage. Julia Ganz: "Da hat er richtige Luftsprünge gemacht vor Freude! Und seine Position als Boss kann er auch als halber Mann noch behaupten." Allerdings ändert sich seine Fellfarbe seitdem - vom Dunkelgrau mit bläulichem Stich der Männer zum Braun der Weibchen.

Im Hinduismus wird die Nilgauantilope als naher Verwandter der "Heiligen Kuh" eingestuft und war deshalb lange keinerlei Verfolgung ausgesetzt. Dass der Bestand der hauptsächlich in Wäldern lebenden Tiere trotzdem zurückgegangen ist, liegt an der Zerstörung ihrer Lebensräume. Jedenfalls in ihrer Heimat Asien: Im südlichen Texas, wo man in den 30er-Jahren etliche Tiere aussetzte, hat sich die Nilgauantilope mittlerweile gut vermehrt. Das wird Mumbai ja nun nicht mehr können: Die für Hagenbecks Tierpfleger überraschenden Geburten bei beiden Weibchen im Sommer 2008 waren seine ersten beiden Kinder - und seine letzten. Bleibt als schwacher Trost, dass die Hindi-Bedeutung von Nilgau "blaue Kuh" heißt. Und nicht blauer Bock.

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