Claudia Sewig stellt Hagenbecks Tiere vor - Teil 20. Zorro der Riesen-Zackenbarsch kann bis zu zwei Meter groß werden.

Hamburg. Manche Besucher sagen, Zorro sei der Herrscher des Hai-Atolls. Von wegen Graue Riffhaie, Schwarz- spitzen-Riffhaie und Zebrahaie - alles Kindergeburtstag! Wenn der Riesen-Zackenbarsch majestätisch-gelassen ins Bild schwimmt, stoisch wie ein griechischer Tanker seinen Kurs hält und dabei ungefähr so gut gelaunt wie ein unausgeschlafener russischer Türsteher aussieht, liegt dieser Eindruck nah. Doch weit gefehlt: "Zorro ist sehr zurückhaltend, ein echtes Sensibelchen", klärt Dr. Guido Westhoff (40), Leiter von Hagenbecks Tropen-Aquarium, auf.

Ist die Anatomie schuld, dass man den hellgrauen Fisch mit den dunklen Flecken so vermenschlicht, für einen Griesgram hält? Hier greift genau der Effekt, warum wir Delfine gerne als stets gut gelaunte Zeitgenossen einstufen: Das Aussehen des Mauls gibt den Ausschlag. Und so drückt Zorros kräftiger Unterbiss (Biologen nennen das bei Fischen oberständiges Maul) ihm den Stempel auf.

Riesen-Zackenbarsche leben im Roten Meer, im Indischen Ozean, und im westlichen Pazifik zwischen Südjapan, Hawaii und Neukaledonien. Die in ihren Revieren als Einzelgänger vorkommenden Tiere werden bis zu zwei Meter lang und können bis zu 300 Kilogramm auf die Waage bringen. Damit sind sie die größten an Korallenriffen lebenden Knochenfische.

Zorro ist noch nicht ausgewachsen. Als er zur Eröffnung des Tropen-Aquariums im Mai 2007 nach Hamburg kam, maß er 70 Zentimeter. Bis Dezember hatte er jedoch bereits stolze 40 Zentimeter zugelegt - Zuwachsraten, von denen die Wirtschaft nur träumen kann.

"Wir wissen nicht, wie alt er ist, aber wir schätzen ihn jetzt auf etwa acht Jahre", sagt Westhoff. "Ihn" ist dabei gut gesagt: "Unter uns haben wir festgelegt, dass Zorro ein männliches Exemplar ist", sagt der promovierte Biologe und lacht. "Wir haben ihn aber als geschlechtslos gekauft. Alle Korallenriff-Fische wechseln ständig ihr Geschlecht, können das von einem auf den anderen Tag umstellen." Je nachdem, ob gerade ein interessantes Männchen oder Weibchen ins Revier geschwommen kommt. Und da Zorro der einzige Riesen-Zackenbarsch bei Hagenbeck ist, behält er seine geschlechtliche Ausprägung diskret für sich.

Dreimal in der Woche bekommt der große Fisch eine Makrele oder ein Stück Seelachs. Immer in den dunklen Bereichen des Aquariums, vor den Fütterungszeiten der Haie. Westhoff: "Zorro frisst nicht mehr, wenn die Haie fressen. Das ist aber auch logisch: Wenn die Haie erst einmal im Blutrausch sind, will kein Fisch in ihrer Nähe sein." So lässt das Sensibelchen sogar manchmal Mahlzeiten ausfallen.

Anders als Zebrahai Sally, die endlich einen neuen Harry an ihrer Seite hat (Westhoff: "Es läuft super: Sie ignorieren sich komplett.") und die die Taucher im Becken gerne einmal spielerisch anstubst, meidet Zorro normalerweise Körperkontakt. Nur einmal hat ihn Westhoff kurz am Bauch gekrault, als der Zackenbarsch direkt über ihn hinwegschwamm. In freier Wildbahn seien die Tiere völlig ungefährlich, sagt der erfahrene Taucher: "Leider sind sie deshalb ein beliebtes Ziel bei der Unterwasser-Großwildjagd der Harpunettis." Nur wenn die großen Fische in den Meeren von Tauchern von Hand gefüttert würden, könne es schon einmal passieren, dass sie mit ihrem gewaltigen Maul gleich die ganze Hand einsaugten.

Zorro hatte derweil ganz andere Sorgen: Eine Wunde am Maul machte ihm zu schaffen - und den Pflegern und Tierärzten große Sorge. Doch neu ins Becken gesetzte Putzerfischer wirkten Wunder: Zorro suchte seine gewohnte Putzstation am Boden auf, hielt absolut still, und die kleinen Fische, die ihn auch sonst von Parasiten befreien, fingen ihre "Behandlung" an der Wunde an. "Jetzt heilt sie zu", freut sich Westhoff. Dank eines Naturheilmittels der anderen Art.

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