50 Vermummte treten an der Hafenstraße der Polizei entgegen - nur wenige Wochen nach dem Angriff auf die Wache Lerchenstraße.

Die Balduintreppe ist abgeriegelt, auf der langen Gerade des vierspurigen Hafenboulevards St. Pauli Hafenstraße kokeln die letzten Reste einer über alle Fahrbahnen gezogenen Barrikade, die eben noch lichterloh und meterhoch brannte. Das Löschwasser gefriert bei Minusgraden bereits zu Eis. - Fast eine halbe Stunde leuchtete die nahe Fußgängerbrücke im Schein der Flammen, ehe die Polizei mit mehreren Hundertschaften an die Hafenstraße raste und der Feuerwehr bei ihren Löscharbeiten den Rücken freihielt.

Es war wohl als kleiner Neujahrsgruß in Richtung Polizei gedacht, als knapp 150 vermummte Linksextreme aus dem Hafenstraßen-Umfeld, insbesondere aus den beiden Eckkneipen und Treffpunkten der alternativen Szene Ahoi und Onkel Otto, kurz nach dem Jahreswechsel begannen, Bauzäune, Müllcontainer und Schutt auf der sonst viel befahrenen Straße entlang dem Hafenbecken aufzutürmen und kurze Zeit später in Brand zu stecken. Erinnerungen an die beiden gewaltdurchzogenen Schanzenkrawalle des Vorjahres wurden wach: Die anrückenden Polizisten wurden von den Randalierern, verstärkt durch etwa 300 Schaulustige, mit Flaschen- und Böllerwürfen empfangen, auch ein Molotowcocktail flog den Polizisten entgegen. Die Beamten antworteten mit einem kurzen Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz an der Balduinstraße, woraufhin sich die Gruppe in Richtung Reeperbahn auflöste. Drei Polizisten wurden verletzt, zwei Randalierer festgenommen. Gegen 2.15 Uhr war die Lage endgültig befriedet, die Polizei verblieb dennoch mit einem Großaufgebot auf dem Kiez.

Es ginge wohl zu weit, das Ahoi als No-go-Area für Polizisten zu bezeichnen, zumal Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) das Existieren sogenannter rechtsfreier Räume strikt abstreitet. Dennoch: In die als Zentrum der immer noch aktiven Hafenstraße und damit auch der linken und der Punkszene bekannten Kneipe traut sich die Polizei nur in Gruppenstärke hinein. Ein Vorfall vor vier Wochen zeigt, wie wenig Respekt der Staatsgewalt an der Hafenstraße Nummer 122 entgegengebracht wird: Als Drogenfahnder in Zivil vor knapp vier Wochen einen Dealer, der ins Ahoi geflüchtet war, in der Kneipe festnehmen wollten, wurde der Drogenverkäufer gleich zweimal von Gästen befreit. Letztlich umstellte ein Großaufgebot der Polizei das Lokal an der Balduintreppe. Dabei kam es mehrfach zu Rangeleien zwischen den knapp 100 Kneipenbesuchern und den aufgerüsteten Polizisten. Gäste des Ahoi hatten sich mit Knüppeln bewaffnet, schmissen Steine und Flaschen auf die Beamten.

Das Ahoi, viel mehr noch der Platz vor der Kneipe, ist bereits seit Jahrzehnten als Drogenumschlagsplatz bekannt, so Polizeisprecher Andreas Schöpflin. Seit knapp eineinhalb Jahren wird an der Balduintreppe wieder mehr oder weniger offen mit harten Drogen gehandelt. Problem: Die Dealer zu fassen ist schwierig, da sie, wie im beschriebenen Fall, in umliegende Wohnungen und Kneipen flüchten, sobald die Polizei auftaucht.

Neben den Ausschreitungen an der Hafenstraße wurde die Polizei auch am Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis angegriffen. Unter dem Motto "Unterstützt die Gefangenen auch zu Silvester" demonstrierten von 23 Uhr an knapp 200 Linke vor dem Untersuchungsgefängnis und drangen, nachdem sie ein Eisentor gewaltsam öffneten, in den Sicherheitsbereich des Gefängnisses vor. Die Stimmung war nach Polizeiangaben äußerst aggressiv, die Beamten seien mit Böllern beworfen worden, so ein Sprecher. Die Polizei setzte auch hier ihre Schlagstöcke ein.