Vor 2400 Gästen stellte Präses Frank Horch einen eigenen Plan als Alternative zu den Reformvorhaben des Senats vor. Wichtig sei nicht die Schulform, sondern die Qualität im Klassenzimmer.

Der Rahmen im großen Börsensaal der Handelskammer ist standesgemäß feierlich, das Vorgeplänkel im Kolumbuszimmer ist angemessen höflich, doch der Kern der Veranstaltung trägt mit "Bericht über die wirtschaftliche Gesamtsituation" eine etwas irreführende Überschrift. "Abrechnung mit der Politik" wäre treffender. Denn Präses Frank Horch blieb bei der "Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns" seiner Haltung treu und schrieb dem schwarz-grünen Senat wie schon im vergangenen Jahr deutliche Kritik ins Stammbuch - und einen konkreten Vorschlag: einen Vier-Punkte-Plan, der zu "Schulfrieden" in Hamburg führe. Rund 2400 Kaufleute, Vertreter des öffentlichen Lebens und fast der gesamte Senat folgten seinen Ausführungen.

Die umstrittene Schulreform von CDU und GAL müsse nicht auf die Frage der Schulform, sondern auf die der Qualität im Klassenzimmer ausgerichtet werden, sagte Horch in seiner einstündigen Ansprache am Silvestertag. Denn der kürzlich vorgelegte Bericht der Schulinspektion belege: "Nur rund fünf Prozent der Qualitätsunterschiede in Hamburg lassen sich auf die Schulform zurückführen."

Die Reform sieht im Kern vor, dass aus der vierjährigen Grund- eine sechsjährige Primarschule wird. Als weiterführende Schulen gibt es nur noch das Gymnasium und die Stadtteilschule, die auch zum Abitur führen kann. Die Handelskammer will eine Verbesserung der Unterrichtsqualität anders erreichen. So sieht der von Horch präsentierte Vier-Punkte-Plan aus:

Erstens fordert er eine bessere Fortbildung der Lehrer und deren regelmäßige Beurteilung, die Erhöhung der Inspektionsdichte der Schulen und die Einführung eines Benchmarkings (Vergleiche auf Basis fester Maßstäbe) zwischen den Schulen und Schulklassen.

Zweitens plädierte Hamburgs oberster Wirtschaftsvertreter dringend dafür, die Reformpläne zeitlich zu entzerren. Veränderungen dürften nur dort stattfinden, wo alle Vorbereitungen abgeschlossen seien.

Drittens schlug der Handelskammer-Präses vor, dass die weiterführenden Schulen die Inhalte der Klassenstufen 5 und 6 mitbestimmen und mitgestalten sollten. Dies würde individualisierten Unterricht und andere Profilbildungen ermöglichen. Geradezu spöttisch fügte er an Schulsenatorin Christa Goetsch gewandt hinzu: "Eine Schule, die diese Bedingungen erfüllt, können Sie gern Primarschule nennen."

Viertens nannte Horch die Schaffung "echter" Ganztagsschulen mit geregeltem Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung. Das würde Jugendlichen mit Migrations- oder bildungsfernem Hintergrund ebenso helfen wie Frauen bei der Vereinbarkeit von Kind und Karriere.

In Sachen Schulpolitik liegen Handelskammer und Senat seit Langem über Kreuz. Der Kammer ist das Thema wichtig, weil sie sich schwerpunktmäßig für Auszubildende - unter anderem die Bereitstellung von Plätzen sowie Vermittlung und Betreuung von Lehrlingen - einsetzt. Beim Ehrbaren Kaufmann Ende 2008 hatte Horch gar offen an CDU und GAL appelliert, die Reform zu stoppen. Nachdem die Volksinitiative "Wir wollen lernen" im Herbst 184 500 Unterschriften gegen die Einführung der Primarschule vorgelegt hatte, hatte er erneut gefordert, nicht die Schulstruktur, sondern die Qualität des Unterrichts in den Mittelpunkt zu stellen. Auch für seine kritischen Töne am Silvestertag erhielt er mehrfach Applaus. Eine Erwiderung der Politik erfolgt traditionell nicht.

In seiner Jahresbilanz forderte der Präses außerdem, die Uni nicht in den Hafen zu verlagern. Sie brauche zwar Anschluss an die Spitze, aber nicht ans seeschifftiefe Wasser. Stattdessen warb Horch für den von der Handelskammer vorgeschlagenen Alternativstandort Klostertor.

In Anbetracht der Wirtschaftskrise begrüßte Horch die Senkung der Preise für Hafenkunden. Der Hafen habe "Einigkeit und Handlungsfähigkeit" bewiesen. Die umstrittene Elbvertiefung sei unabdingbar. Horch: "Die eingetretene Verzögerung bis zum Jahr 2011 muss das letzte Wort in dieser Sache gewesen sein!" Weitere Prioritäten bei der Infrastruktur hätten der Bau der Hafenquerspange (Verbindung der Autobahnen A 1 und A 7 durch Wilhelmsburg) und der Y-Trasse (Bahnverbindung Hannover-Hamburg-Bremen). In allen drei Fällen muss sich Hamburg mit dem Bund abstimmen.