HWWI-Direktor Straubhaar warnt vor der zunehmenden Abhängigkeit von der Volksrepublik. Auch Indien oder Mexiko bieten Handelschancen.

Hamburg. Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat vor der zunehmenden Abhängigkeit der Hansestadt von der Entwicklung der chinesischen Wirtschaft gewarnt. "Schaut nicht nur auf China", mahnte Institutsdirektor Thomas Straubhaar bei der Vorstellung einer Studie des HWWI im Auftrag der Hamburger Sparkasse. Gute Perspektiven böten auch Länder wie Indien, Indonesien, Mexiko, oder die Türkei.

Wie schwer es jedoch wird, mögliche Krisen in China abzufedern, demonstrierte Straubhaar anhand von Zahlen: Der für 2012 erwartete Zuwachs des chinesischen Bruttoinlandsprodukts von 8,2 Prozent macht 492 Milliarden Dollar (394 Milliarden Euro) aus, während das Wachstum Indiens von 7,0 Prozent nur einen absoluten Betrag von 119 Milliarden Dollar darstellt.

"Wenn China nur noch um fünf oder sechs Prozent pro Jahr wächst, wird man das in Hamburg sehr schnell zu spüren bekommen", sagte der HWWI-Direktor. Denn im vergangenen Jahr entfielen allein 8,6 Prozent aller Hamburger Exporte auf die Volksrepublik, die damit einen größeren Anteil an den Ausfuhren der Hansestadt hatte als Nord- und Südamerika zusammen. In den zurückliegenden zehn Jahren ist Chinas Anteil an Hamburgs Exporten um 220 Prozent gestiegen.

"China ist seit zwei Jahrzehnten die am stärksten wachsende Volkswirtschaft der Welt", so Straubhaar. Dies habe mit dazu geführt, dass es Hamburg heute sehr gut geht. "Aber die glorreichen letzten 20 Jahre lassen sich so nicht in die Zukunft fortschreiben."

+++ Wirtschaftsstandort China: EU-Unternehmen kritisieren schlechte Bedingungen +++

Denn das bisherige "Geschäftsmodell" der asiatischen Macht stoße an seine Grenzen. "Es basiert auf einer sehr energienintensiven Produktion", erklärte der Wissenschaftler. Dies werde angesichts der schon zuletzt kräftig gestiegenen Energiepreise ein bremsender Faktor sein. "Außerdem hat man die Entwicklung der Wirtschaft ohne jegliche Rücksicht auf soziale Gesichtspunkte vorangetrieben", so Straubhaar. Die Arbeitsbedingungen seien zumeist schlecht und die Löhne sehr niedrig.

Zwar habe inzwischen auch die Regierung in Peking die Absicht, dies zu ändern. Tatsache sei aber, dass bei einer Gesamtbevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen nur 300 bis 400 Millionen Personen vor allem in den industrialisierten Regionen entlang der Ostküste von dem Aufschwung profitiert haben.

"Die meisten Menschen in China sind noch immer arm bis mausarm", sagte der HWWI-Chef. So müssten 30 Prozent der Bevölkerung von weniger als zwei Dollar am Tag leben. Dabei komme das Pro-Kopf-Einkommen vor dem Hintergrund einer aktuell noch zunehmenden Einwohnerzahl nur vergleichsweise langsam voran. "Ohne starkes Wirtschaftswachstum droht der Lebensstandard der chinesischen Bevölkerung im internationalen Vergleich sogar weiter zurückzufallen", erklärte Straubhaar. "Die Folge wären soziale Spannungen, die das gesamte Land destabilisieren könnten."

Das hätte gravierende Folgen für die Weltwirtschaft, nicht zuletzt für die exportorientierten Unternehmen in Deutschland - und Hamburg hat von allen 16 Bundesländern den stärksten Außenhandel mit China, die Ausfuhren betragen 1700 Euro pro Kopf. Allerdings machen Airbus-Flugzeuge und damit zusammenhängende Produkte zwei Drittel der Hamburger Exporte in die Volksrepublik aus. "Es ist schon heute absehbar, dass uns dieses Geschäft zumindest im laufenden Jahrzehnt als stabile Basis erhalten bleiben wird", sagte Straubhaar.

+++ Signal für Öffnung: China lockert Währungspolitik +++

Selbst bei einer abnehmenden Wirtschaftsdynamik werde aber auch die Energieeffizienz ein immer wichtigeres Thema für China sein, erwartet der HWWI-Direktor - und auch auf diesem Feld sei Hamburg gut aufgestellt. "Deutschland dürfte genau die Produkte anzubieten haben, die China braucht", glaubt Straubhaar. Dies seien etwa Investitionsgüter für den Logistik- und Infrastruktursektor und Medizintechnik im Hinblick auf die alternde Bevölkerung. Doch daneben werde die Bedeutung von Dienstleistungen zunehmen: "Es wird nicht mehr genügen, einfach nur eine Maschine zu liefern. Gefragt sein wird ein Gesamtpaket einschließlich Finanzierung, Versicherung und Transport."

Eines aber werde sich nicht ändern: "Man braucht einen sehr langen Atem, um als deutscher Unternehmer in China erfolgreich zu sein." Persönliche Beziehungen seien sehr wichtig: "Man muss sie viel stärker pflegen als zu europäischen Handelspartnern."

In puncto Vertragstreue und Planungssicherheit sei China "noch lange nicht auf westlichem Standard angekommen", ergänzte Andreas Mansfeld, Bereichsleiter Unternehmenskunden bei der Haspa. Als Finanzpartner begleite die Sparkasse ungefähr 20 Prozent des Hamburger China-Geschäfts außerhalb des Luftfahrtsektors, ein Volumen von gut 500 Millionen Euro. Dazu unterhalte die Haspa langjährige Kontakte mit 30 chinesischen Banken.