Maschinenbau mit 350 Beschäftigten in Hamburg soll in diesem Jahr erneut den Besitzer wechseln. Inhaber Star Capital konzentriert sich auf Werft.

Hamburg. Die Regale ragen mehr als zehn Meter in die Höhe. Fast bis zum Dach reichen die 4500 hölzernen Paletten. Auf ihnen liegen stählerne und bronzene Ringe, deren Dichtungen Schiffsrümpfe an einer ihrer empfindlichsten Stellen schützen sollen: Dort, wo die Welle für den Propeller am Heck ins Wasser ragt. Die Wellendichtungen sorgen dafür, dass Wasser nicht ins Schiff eindringen und Öl nicht aus dem Antrieb herausfließen kann. Diese bis zu 500 Kilogramm schweren Maschinenteile entwickelt und fertigt Blohm + Voss Industries (BVI) an der Hermann-Blohm-Straße, nur gut einen Steinwurf von der weltbekannten Werft und dem Reparaturbereich entfernt.

Während der Mutterkonzern ThyssenKrupp den Schiffbau wegen hoher Verluste beim Bau von Megayachten jüngst nur allzu gern an den britischen Finanzinvestor Star Capital Partners (SCP) verkaufte, schrieben die Maschinenbauer, die jetzt ebenfalls den Briten gehören, immer schwarze Zahlen. Und schon bald sollen die Dichtungsspezialisten erneut den Besitzer wechseln.

+++ Auftrag für Marineschiffe: Gute Chancen für Blohm + Voss +++

+++ Zukunft für Hamburger Werft +++

SCP-Chef Tony Mallin lässt intern offensichtlich keinen Zweifel daran, dass er den Maschinenbau schnell wieder loswerden will. "Ich gehe davon aus, dass dies noch in diesem Jahr geschieht. Wir spüren schon heute ein großes Interesse an Blohm + Voss Industries", sagt Geschäftsführer Martin Johannsmann. Mallin werde das Unternehmen "in relativ kurzer Frist weiterveräußern", erwartet auch Herbert Aly, der als Blohm+Voss-Chef den Neubau, die Reparatur und den Maschinenbau insgesamt verantwortet. Investitionsschwerpunkt für die Briten sei die Werft, argumentiert der Manager in einem Informationsblatt für die Mitarbeiter, das dem Abendblatt vorliegt.

Bei den Wellendichtungen, die BVI in Hamburg entwickelt und fertigt, gilt der Maschinenbauer als weltweit führend. "Um diese Spitzenposition zu halten, müssen wir im Notfall mit unseren Ersatzteilen und Spezialisten in 48 Stunden an jedem Ort sein", sagt Johannsmann. Weil es sich das Unternehmen nicht leisten kann, Zeit zu verlieren, liegen 2000 verschiedene Varianten der Teile im Hochregallager bereit. "Alles was wir brauchen", so der Manager, "haben wir in Hamburg."

Die mit den Simplex-Dichtungen ausgestattete Flotte zählt heute 56 000 Schiffe. Das sind mehr als 40 Prozent der gut 130 000 Schiffe, die weltweit unterwegs sind. Dennoch sind zwei japanische Konkurrenten den Hamburgern dicht auf den Fersen. Die Maschinenbauer von Blohm + Voss gehören zudem in zwei weiteren Bereichen zur Weltspitze: bei Stabilisatoren, die Passagiere von Kreuzfahrtschiffen und Fähren vor Seekrankheit schützen, sowie bei Anlagen, die Wasser an Bord vom Öl reinigen.

Seit mehr als zwölf Jahren erzielt BVI eine Rendite, die bezogen auf den Umsatz bei mehr als zehn Prozent liegt. Johannsmann, der in Hamburg Maschinenbau und Betriebswirtschaft studiert hat, nahm zuletzt 88 Millionen Euro ein und hielt damit trotz schwächerer Konjunktur den Erlös stabil. Die Auslastung liegt mit eineinhalb Jahren für die Branche überdurchschnittlich hoch und sichert die gut 350 Jobs in Hamburg sowie 50 bei Töchtern in Korea, China und Singapur. Den Vorstoß der Japaner, die seit 2005 bei den Dichtungen technologisch aufholten, hat Johannsmann mit dem Ausbau der Forschung und Entwicklung (F&E) gekontert. Dort arbeiten heute sieben statt zuvor zwei Ingenieure. 3,5 Prozent des Umsatzes werden jährlich in F&E investiert. "Jetzt sind wir den Asiaten technologisch wieder voraus", freut sich der Geschäftsführer. Den Vorsprung schätzt er auf bis zu fünf Jahre.

Bereits vor Jahren hat der Maschinenbauer die Schweißtechnik für Panzerwannen und -türme und den Bau von Dampfkesseln für Kraftwerke an Krauss-Maffei und MAN verkauft. Die Beschäftigten arbeiten heute an der Hermann-Blohm-Straße auf dem Grundstück nebenan. MAN Turbo nutzt vier der elf Hallen und zwei Verwaltungsetagen auf dem gleichen Gelände. "Wir hoffen jetzt auf einen Käufer, der das stabile, allein auf die Schifffahrt ausgerichtete Geschäft langfristig übernehmen will", sagt Johannsmann.

Dabei bräuchte ein Interessent selbst die seit Sommer 2011 deutlich zurückgehenden Aufträge für Schiffsneubauten in Korea und China nicht zu fürchten, versichert der Manager. "Wir sind mit unseren Aufträgen bis Mitte 2013 gut ausgelastet." Die dann absehbare Flaute bei Massengut- und Containerfrachtern sowie Tankern lasse sich kompensieren. Johannsmann setzt auf mehr Aufträge für Marineschiffe, Fähren, Kreuzfahrer sowie Flüssiggastanker und Offshore-Errichterschiffe, die ebenfalls mit Wellendichtungen ausgestattet werden müssen.

Noch entscheidender ist aber: Allein 56 Prozent des Umsatzes erzielt das Unternehmen heute im Service. Eine sichere Sache: Denn den Reedereien schreibt die Internationale Schifffahrtsorganisation die Wartungsintervalle für ihre Flotten ebenso vor wie der deutsche Gesetzgeber den Besuch beim TÜV. Dazu bleibt Reedereien bei Pannen mit Wellendichtungen kaum eine Alternative, als Spezialisten anzufordern. Bleibt ein großer Frachter oder ein Kreuzfahrtschiff einen Tag liegen, entstehen schnell Kosten von einer Million Euro und mehr. Dagegen stehen durchschnittlich 50 000 Euro für eine neue Dichtung und einige Tausend Euro für Transport und Einbau.

Den technischen Vorsprung des Unternehmens will Johannsmann nun bei der weltweiten Schiffbauleitmesse SMM ab 4. September in Hamburg erneut beweisen. "Wir werden sowohl bei den Dichtungen als auch bei den Stabilisatoren und bei den Entölern Neuheiten vorstellen", sagt er. Genaueres will er vorerst nicht verraten. Die Konkurrenz liest schließlich mit.