Heiko Jensen, Deutschland-Chef von Costa Kreuzfahrten, über die Havarie Anfang des Jahres, die Konsequenzen und die Zukunft.

Hamburg. Jahrelang wuchs die Kreuzfahrtbranche in Europa und in Amerika ungestüm. Die Reedereien füllten immer mehr und immer größere Schiffe mit Passagieren. Am 13. Januar 2012 dann der Schock: Vor der italienischen Felseninsel Giglio kenterte nach einer Grundberührung das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" mit mehr als 4200 Passagieren an Bord. Die meisten Passagiere wurden evakuiert, aber 32 von ihnen starben, darunter zwölf Deutsche. Der verantwortliche Kapitän Francesco Schettino steht in Italien vor Gericht. Das Schiffswrack ist bislang nicht geborgen. Den Passagieren der "Costa Concordia" bot die Reederei Costa Crociere 11 000 Euro Entschädigung an, zudem wurden der Preis für die Kreuzfahrt sowie Kosten im Zusammenhang mit der Reise erstattet.

+++Kein zweiter Fall Shettino - Lob für den Kreuzfahrtkapitän+++

+++Tropischer Horrortrip auf havarierter "Costa Allegra"+++

Costa Crociere mit Sitz in Italien ist ein Tochterunternehmen der weltweit größten Kreuzfahrtreederei Carnival in Miami. Costa betreibt derzeit 14 Kreuzfahrtschiffe und ist einer der führenden Anbieter in Europa. Das DeutschlandGeschäft von Costa Kreuzfahrten mit Sitz in Hamburg führt seit dem Jahr 2004 Heiko Jensen, 48. Dem Abendblatt gab er sein erstes Interview nach der Havarie der "Costa Concordia".

Hamburger Abendblatt: Herr Jensen, die Havarie der "Costa Concordia" am 13. Januar vor der italienischen Insel Giglio hat die Kreuzfahrtbranche erschüttert. 32 tote Passagiere haben gezeigt, wie verwundbar auch moderne Kreuzfahrtschiffe sind. Welche Folgen hatte das Unglück für Costa Kreuzfahrten in Deutschland?

Heiko Jensen: Für uns im Unternehmen war so etwas zuvor nicht vorstellbar. Unser Mitgefühl gilt den Opfern und Angehörigen. Das Unglück geschah mitten in der Hauptbuchungszeit, die von September bis Ende März läuft. Die Buchungszahlen für 2012 waren bis dahin sehr gut - dann havarierte die "Costa Concordia". Es war so, als müsse man bei Tempo 200 auf der Autobahn eine Vollbremsung machen. Die Ausrichtung des Unternehmens änderte sich sofort komplett. Nun ging es darum, die betroffenen Passagiere zu betreuen und mögliche Umweltschäden vor Ort einzudämmen.

Wie haben die deutschen Passagiere nach der Heimkehr reagiert?

Jensen: Wir haben alle 577 deutschen Passagiere angerufen, die nach Deutschland zurückgekehrt waren. Die Reaktionen waren extrem unterschiedlich: Einige haben sofort wieder eine Kreuzfahrt bei uns gebucht, andere brauchten dagegen zunächst psychologische Betreuung, um das Geschehene zu verarbeiten. Generell haben uns Passagiere, die schon lange mit uns fahren, aber den Rücken gestärkt, teils auch in Briefen. Neue Kunden zeigten sich eher verunsichert.

Das erscheint verständlich. Die Havarie der "Costa Concordia" mit ihren mehr als 4200 Passagieren hat das Image der angeblich sicheren Kreuzfahrten schwer ramponiert. Der frühere Kapitän der "Costa Concordia", Francesco Schettino, steht in Italien vor Gericht.

Jensen: Ich kann und will dem Fazit der ermittelnden Behörden über Schuld und Verantwortung des Kapitäns und seiner Offiziere nicht vorgreifen. Aber es bleibt dabei, dass Kreuzfahrten eine sehr sichere Form des Reisens sind. Alles beim Betrieb von Kreuzfahrtschiffen ist streng reguliert. Die Besatzungen trainieren alle zwei Wochen die Evakuierung der Schiffe, dabei werden auch die Rettungsboote zu Wasser gelassen. Dass es auf der "Costa Concordia" Tote und Vermisste gab, ist schrecklich. Aber die allermeisten Passagiere wurden sicher evakuiert. Das spricht für die Qualifikation der Besatzung.

Gab es bei Costa Kreuzfahrten interne Diskussionen darüber, ob die Richtlinien für die Sicherheit richtig ausgelegt werden und ob die Schiffsleitungen ausreichend qualifiziert sind?

Jensen: Wir haben jedes Interesse daran, dass der Fall der "Costa Concordia" lückenlos aufgeklärt wird, denn wir wollen und müssen daraus lernen. Wir vertrauen in dieser Hinsicht voll auf die italienische Justiz. Im Übrigen halten wir uns bei Costa Kreuzfahrten streng an die jeweiligen Vorschriften zum Beispiel der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO.

+++Taucher bergen acht Leichen aus der "Costa Concordia"+++

Ende Februar trieb die "Costa Allegra" nach einem Maschinenschaden mit insgesamt 636 Passagieren im Indischen Ozean. Sie wurde von einem Fischtrawler auf die Malediven geschleppt. Für die Reederei muss das, gut sechs Wochen nach der Havarie der "Costa Concordia", ein Albtraum gewesen sein.

Jensen: Der Maschinenschaden auf der "Costa Allegra" hätte ohne die Havarie der "Costa Concordia" wohl weit weniger Aufmerksamkeit erregt. Die Besatzung des Schiffes hat sich vorbildlich verhalten. Alle Passagiere blieben unverletzt. Der für Gäste kaum wahrnehmbare Schaden beschränkte sich im Wesentlichen darauf, dass die Klimatisierung und Teile der sanitären Anlagen auf dem Schiff ausgefallen waren.

Welche konkreten Folgen hatte die Havarie der "Costa Concordia" für das Geschäft von Costa Kreuzfahrten in Deutschland?

Jensen: Zunächst gingen die Buchungen stark zurück. In den ersten Wochen nach der Havarie verzeichneten wir ein Minus im zweistelligen Prozentbereich gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Zudem mussten wir wegen des Ausfalls der "Costa Concordia" rund 12 000 Passagen innerhalb unserer Flotte umbuchen. Seit Ende März ziehen die Buchungen wieder stark an. Unser Rückstand gegenüber dem Vorjahrszeitraum liegt jetzt nur noch im einstelligen Prozentbereich. Wir erwarten, dass wir unser Geschäftsjahr, das im November endet, auf dem Niveau von 2011 werden abschließen können.

Haben Sie Ihren Kunden starke Preisnachlässe gewährt, um Sie wieder oder überhaupt an Bord von Costa-Kreuzfahrtschiffen zu holen?

Jensen: Wir hatten viele Jahre lang einen Buchungsstand von bis zu 107 Prozent der Schiffskapazitäten. Wenn Schiffe nicht voll ausgelastet sind, bieten alle Reedereien den Kunden bestimmte Zugaben oder Preisanreize an. Das tut auch Costa Kreuzfahrten.

Wie schwer ist das Image von Costa Kreuzfahrten durch die Ereignisse der vergangenen Monate beschädigt?

Jensen: Unserer Marktforschung zufolge wird es wieder besser. Und das, obwohl wir derzeit in Deutschland nicht offensiv auftreten. Vor dem Hintergrund des laufenden Prozesses in Italien machen wir derzeit praktisch keine Werbung.

Die Kreuzfahrtbranche wächst nach der Havarie der "Costa Concordia" unbeeindruckt weiter. Welche Entwicklung erwarten Sie für die kommenden Jahre?

Jensen: Unsere Reederei ist in allen wichtigen Fahrtgebieten der Welt unterwegs. Wir bauen unsere Flotte weiter aus. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat Costa Kreuzfahrten 5,5 Milliarden Euro in Neubauten und Umbauten von Kreuzfahrtschiffen investiert. Costa ist zum Beispiel die erste nicht chinesische Reederei, die chinesische Kreuzfahrtgäste von chinesischen Häfen aus befördern darf.

Wie präsent ist Costa Kreuzfahrten in Hamburg, das die Zahl der Anläufe von Kreuzfahrtschiffen in den kommenden Jahren stark ausbauen will?

Jensen: Wir haben in diesem Jahr zahlreiche Abfahrten von Hamburg aus, mit der "Costa Pacifica", dem größten Kreuzfahrtschiff mit einem deutschen Basishafen, und der neuen "Costa neoRomantica". Wir starten die Saison hier am 2. Juni mit der Abfahrt der "Costa neoRomantica" zur achttägigen Ostsee-Tour "Magische Metropolen".

Ist die Reise ausgebucht?

Jensen: Die für die Strecke von Savona nach Hamburg zur Verfügung stehende Kapazität ist zu 90 Prozent ausgebucht. Und wir erwarten eine 100-prozentige Auslastung auf dieser Strecke.