Martin Müller, Vorsitzender Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure

Hamburger Abendblatt:

1. Im Hinblick auf den aktuellen Gemüse-Skandal: Reichen unsere derzeitigen Lebensmittelkontrollen aus?

Martin Müller:

Für diesen Fall ja. Im Moment wird alles getan, um der Krise Herr zu werden. Außerdem haben wir in Deutschland die Regelung, dass jedes Unternehmen seine Vertriebswege nachweisen muss. Das gilt sowohl für die Herkunft als auch die Lieferadresse der Ware. Was dieser Fall zeigt, ist das Problem der Stichproben. Sie sind durch mehrjährige Kontrollpläne geregelt, richten sich nach Verbrauchermengen und Einwohnerzahlen. Dennoch sind es eben nur Stichproben.

2. Was könnte man verbessern?

Müller:

Streng genommen müsste jede Charge eine einzelne Untersuchung bekommen, um jedes Risiko auszuschließen. Das ist im Moment der Fall. Bei Salat wird gerade alles getestet, was auf den Markt kommt. Im Normalfall ist das aber praktisch gar nicht umsetzbar. Und letztlich gehört dieses Restrisiko auch zum allgemeinen Lebensrisiko dazu. Sobald Sie Ihre Hand auf einen Apfel legen, haben Sie es mit Keimen aller Art zu tun.

3. Es gibt auch einen Verdacht bei einer Bio-Gurke. Bei biologisch angebautem Gemüse und Obst hat man normalerweise ein sicheres Gefühl. Vielleicht zu Unrecht?

Müller:

Das kann ich nur bestätigen. Denn Bio-Gemüse wird auch mit Bio-Dünger gedüngt. Das heißt, dass es hier sogar wahrscheinlicher ist, dass mit Kuhmist gedüngt wurde als bei herkömmlichen Produkten.

4. Hat das Robert-Koch-Institut mit seiner Warnung unnötige Panik verursacht?

Müller:

Das Institut wird sich wohl überlegt haben, mit dieser Warnung an die Öffentlichkeit zu gehen. Immerhin stehen Menschenleben auf dem Spiel. Und man weiß noch gar nicht, wie viele verseuchte Gurken noch auf dem Markt sind oder schon in Kühlschränken lagern. Und auch die Anzahl der betroffenen Menschen steht noch nicht fest. Natürlich wirkt die Warnung aus ökonomischer Sicht übertrieben, aber aus menschlicher Sicht war die Reaktion des Robert-Koch-Instituts berechtigt.

5. Viele Menschen verzichten nun aus lauter Angst völlig auf Obst und Gemüse. Wie kann man das Vertrauen der Konsumenten wieder zurückgewinnen?

Müller:

Alle Institutionen sind aufgefordert das Problem möglichst schnell auszumerzen. Die Unternehmen müssen ihre Vertriebswege noch transparenter gestalten. Auf alles Frische zu verzichten, wäre übertrieben. Aber Verbraucher sollten eine alte Hausfrauenregel beherzigen und einfach auf mehr Hygiene in der Küche achten.