Sandra ist ein Weißstirnspint-Weibchen, einer der Vögel im Tropen-Aquarium. Beim Fliegen macht ihr keine Biene etwas vor.

Hamburg. Die Frau hat es raus. Beim Fliegen macht ihr keine Biene etwas vor. Wendig, hochgradig elegant und dabei unbestechlich fokussiert jagt sie ihren Opfern hinterher - mit ordentlich "Speed", wie nicht nur Kinofans feststellen können. Als Bienenfresserin muss Sandra aber auch so flink sein, um den Schnabel voll genug zu bekommen. "Außerdem ist sie sehr attraktiv", sagt Heidrun Rohr.

Sandra ist ein Weißstirnspint-Weibchen, einer der vielen bunten Vögel in Hagenbecks Tropen-Aquarium. Dass sie den Namen der berühmten Hollywood-Schauspielerin mit deutschen Wurzeln trägt, hängt nicht nur mit ihren oben beschriebenen Attributen zusammen. Der wissenschaftliche Name der Weißstirnspinte lautet schließlich Merops bullockoides.

Derzeit beobachten die Tierpfleger im Tropen-Aquarium die 15 Weißstirnspinte mit besonderem Interesse. "Sie gehen in die Brutkästen in der für sie angelegten Lehmwand, aber noch hat sich kein Nachwuchs eingestellt", erzählt Heidrun Rohr. Weißstirnspinte brüten in ihrem Lebensraum in Afrika meist in kleineren und losen Kolonien. Dazu graben beide Partner der monogamen Ehe eine bis zu einen Meter lange Brutröhre in die Steilufer von Flüssen oder Abbruchkanten. "Wir haben einen Meter lange PVC-Rohre durch die Mauer verlegt, die in kleinen Kästen enden", verrät Heidrun Rohr. Damit die Kästen eine kleine Nistmulde haben, haben Handwerker einen Luftballon aufgeblasen und um ihn herum den Beton trocknen lassen - dann platzt der Ballon mit einem lauten "Bumm".

Die so entstandene Mulde hatten die Tierpfleger erst mit grobem Kies ausgelegt, berichtet Rohr. "Doch den mochten die Spinte nicht." Also Kies wieder raus - und feinen Sand rein. Schon besser, befanden Sandra und ihre Artgenossen - doch noch nicht perfekt. Also scharrten die Vögel den Sand, der ihnen zu viel war, durch die Röhre ins Freie, wo er einige Meter unter ihnen auf den Strand der Nilkrokodile rieselte. Oder auf die großen Echsen, wenn diese gerade ruhten.

Durch rückwärtige Klappen in den Kästen spähen die Tierpfleger seitdem in die Kästen, die zwar von den Spinten angenommen werden, doch Eier haben die Vögel bisher keine gelegt. An Nahrungsmangel kann es nicht liegen: Mehlwürmer, Heimchen und Heuschrecken gibt es für die Insektenvertilger in ausreichender Menge; dazu werden die Insekten extra noch mit Vitamin-Präparaten bestäubt.

Werfen Heidrun Rohr oder ihre Kollegen eines der Insekten hoch, erbeuten es die Weißstirnspinte im kurzen Jagdflug von einer Sitzwarte aus. "Doch als wir im vergangenen Sommer zum ersten Mal eine Kiste mit Drohnen in die Halle gebracht haben, sind die Spinte komplett durchgedreht", sagt Rohr. Die männlichen Bienen, die als Überschuss der Natur am Ende des Sommers vom Hagenbeck-Imker so einem artgerechten Ende zugeführt wurden, weckten das Interesse von Sandra und den anderen Spinten in bisher nicht bekanntem Ausmaß. "Kaum waren die Drohnen aus der Kiste ausgeflogen, schossen die Spinte im Zickzackkurs hinter ihnen her", erinnert sich Heidrun Rohr. "Da haben sie das erste Mal richtig gezeigt, wie wendig sie fliegen können."

Und noch eine Eigenart zeigten die bunten, schillernden Vögel bei diesem speziellen Mahl: die Entgiftung des Stachelapparats der Bienen. Nach dem Totschlagen der Beute auf einem Ast mit zwei, drei schnellen Bewegungen des Kopfes drücken und reiben Weißstirnspinte den Hinterleib der Bienen oder Wespen auf eine feste Unterlage, wodurch das Gift aus dem Körper der Beute herausgedrückt wird, bevor diese verspeist wird.

Vielleicht, weil sie sich vertun, vielleicht auch, um in Übung zu bleiben, haben Sandra und ihre Artgenossen eine Eigenart im Tropen-Aquarium entwickelt, die jeder Besucher beobachten und auch hören kann: Sie entgiften Eisstiele. "Manchmal, wenn Besucher diese liegen lassen, schnappen sich die Spinte die Stiele und schlagen diese auf ihre Sitzseile", sagt Heidrun Rohr. "Klack, klack, klack", höre man dann.

Über das Nutzen des Abfalls ist man im Tierpark nicht sonderlich glücklich, und so wird es in diesem Sommer wieder Drohnen geben. Für weitere wagehalsige Flugmanöver der Sandra Bullock aus Stellingen.

Lesen Sie nächsten Mittwoch: Honigbiene Regina