Derzeit ist das Edelmetall eine der sichersten Wertanlagen. In einem Fluss im sächsischen Vogtland kann man es selbst schürfen.

Reichenbach. Es ist eine der markantesten Stellen im sächsischen Vogtland. Gleich neben einem Städtchen mit dem schönen - und durchaus sinnigen - Namen Reichenbach. 98 mächtige Gewölbe fügen sich hier zu einer Brücke zusammen, die in fast 80 Meter Höhe und über einen halben Kilometer lang das Tal des Flüsschens Göltzsch überspannt. Die Göltzschtalbrücke, die schönste im ganzen Land, die größte aus Ziegeln in der ganzen Welt.

1848/49 wuchs das Bauwerk empor, Stein auf Stein. Genau in der Zeit, als der Lockruf des Goldes in Amerika von der West- bis zur Ostküste schallte, schließlich auch in Europa ankam, und gewiss auch aus dem abenteuerfreudigen Völkchen der Sachsen manch einen über den Großen Teich lockte. So wäre es verwunderlich, wenn nicht wenigstens ein paar der 1800 Bauarbeiter auf der Brücke dem Sog erlegen wären, ihre Kellen im hohen Bogen hinuntergeschmissen und sich aufgemacht hätten, um am Sacramento River dabei zu sein, dort, wo die Nuggets in den Waschpfannen glänzten. Auf nach San Francisco!

Dabei war der Goldfluss so nah, floss genau unter dem größten der Ziegelgewölbe unten im Tal hindurch: die Göltzsch, an ihren Ufern gesäumt von Bäumen und Buschwerk. Von Gold soll der Name Göltzsch sich ableiten, sagen sie dort. Es könnte stimmen.

Heute weiß man: Die Göltzsch ist eines der goldreichsten Gewässer in Deutschland. Und das heißt etwas in diesen unruhigen Zeiten, da Inflation droht, das Papiergeld in Gefahr ist, womöglich eine Währungsreform ansteht, die Wirtschaft zusammenbricht - nach aller Erfahrung sichere Vorzeichen dafür, dass die Menschen ins wertbeständige Gold flüchten, in Goldgier verfallen. Schon steigt der Preis für eine Feinunze dieser Tage steil in die Höhe, wird die 31-Gramm-Portion für 1200 Dollar gehandelt. Wann werden 2000 Euro erreicht sein? Steht ein neuer Goldrausch an, so wie 1849 am Sacramento, 1897 am Klondike, 2010 an der Göltzsch? Das Vogtland in Claims aufgeteilt, mit Hurenhäusern, Revolverhelden und den anderen Begleiterscheinungen?

Einer wäre dafür gewappnet. Sven Kreher steigt mit dem großen Bottich und der selbst geschmiedeten Schaufel in der einen Hand zum Fluss hinab, in der anderen zwei Pfannen. Im Neoprenanzug ist er gekleidet, als wollte er durch die Göltzsch tauchen, dabei ist sie höchstens 30 Zentimeter tief. Doch das Wasser ist noch kalt im Mai rund um die Eisheiligen, hin und wieder regnet es. Wir sind hier nicht in Kalifornien.

Kreher, gebürtiger Vogtländer, 40 Jahre alt, hat vor fast 30 Jahren mal in einem Museum eine alte Landkarte aus dem 19. Jahrhundert entdeckt, auf der ein paar Goldlagerstätten seiner Heimat eingezeichnet waren. Gold. Seither lebt er seinen ganz persönlichen Goldrausch. Ungefähr einen halben Zentner Kies baggert er jetzt erst mal aus dem Bachgrund mit seiner Schaufel in die dunkelgraue Plastikwanne. "Vorsicht, es ist sehr glatt hier", warnt er den, der mit ihm in den Bach zieht. Die dicken Steine interessieren ihn nicht, sie fängt er schon mal mit einem groben Sieb über dem Bottich auf. Aus dem Rest hebt er eine Schippe voll in seine Waschpfanne. Eigentlich eine ganz ordinäre Plastikschüssel ist es, wenn in ihren schrägen Wandungen nicht Falze eingearbeitet wären, die die ganz kleinen Krümel festhalten, wenn oben die Brocken von geschickter Hand wieder herausgeschwemmt werden.

Erst mal aber gilt es, dafür zu sorgen, dass die kleinen Teilchen, feiner Kies, Sand, Schwebstoffe, in der Pfanne nach unten wandern, und die großen Brocken nach oben. Da ist Schütteln angesagt, derbes Schütteln, bis das Wasser zu kochen scheint in der Pfanne. Knapp unter der Wasseroberfläche wird sie dabei gehalten, was die Anstrengung nicht schmälert. "Kräftiger schütteln", mahnt Kreher, "viel kräftiger." Wasser ist das Schmiermittel, das das Gesetz der Goldwaschpfanne zur Wirkung bringt: Klein und schwer verdrängt nach unten hin groß und leicht. Und da die kleinen winzigen Körnchen, vor allem wenn sie metallhaltig sind, eine höhere Dichte haben als die mittelgroßen Flusskiesel, sortiert sich alles entsprechend - Zug um Zug allerdings nur, Schüttler um Schüttler. "Heftiger schütteln, so hat es keinen Zweck, viel heftiger."

Wer ein paar Stunden lang die Pfanne unter Wasser hin und her schleudert, spürt abends, was er getan hat. Zwischendurch lässt Kreher mit routinierten Schubsern die oberen, nun grobkörnigeren Schichten zurückgleiten in den Fluss. Schließlich ist nur noch der sorgsam abgetrennte dunkle Sand in der Pfanne, der erzhaltige, schwere. Alles andere ist zurück in der Göltzsch.

Vielleicht einen halben Zentimeter hoch liegt der verbliebene Rest, etwa sechs, acht Minuten nach der ersten Schippe aus dem Bottich. Kreher lässt ihn in etwas Wasser mit kreisenden Bewegungen hin und her wabern, fast schwimmen sie auf, die kleinen Körner. Nur drei, vier winzige, fast atomkleine Teilchen, die schwimmen nicht mehr, sie verharren nur noch am Pfannengrund, weil sie die größte Dichte, das höchste Gewicht haben. Ihre Trägheit ist es, die sie auffällig macht - allerdings nur dem, der gute Augen hat. Und auch der könnte sie nicht erkennen, würden sie nicht herausstechend glitzern, grell geradezu zwischen all dem ordinär Irdenen ringsum, golden. Es ist das Gold. Selbst gefunden, selbst gewaschen.

Gold, gewiss, aber: "Flitter", sagt Kreher, "Von Nuggets können wir hier nicht reden." Drei, vier, manchmal sechs, acht Stückchen pro Pfanne, und im Schnitt wiegt eines vielleicht 0,4 Milligramm, also 0,0004 Gramm, beim Durchmesser von etwa einem Millimeter und einer Blattstärke von Bruchteilen eines Millimeters. Milligold.

Das sieht alles ganz anders aus, wenn Sven Kreher die Fundstücke unter das große Mikroskop legt in seinem Goldmuseum am Dorfrand von Buchwald ein paar Kilometer weiter. Hier, mit dem Flitter unter der Linse, bekommt man eine Ahnung von jenen Barren, die im amerikanischen Fort Knox hinter meterdicken Türen eingelagert sind, um die wichtigste Weltwährung stabil zu halten. Überhaupt ist die Sammlung, die er in einem kleinen Wohnzimmer unterm Dach seit vier Jahren aufbaut, geeignet, Mut zu machen. Hier sind die Goldstückchen von Krehers einträglicheren Tagen zu bewundern: 0,8 Gramm fand er an einem Nachmittag. Aber wann findet selbst ein Sven Kreher schon mal 0,8 Gramm? Doch halt, da, in der Vitrine auf der kleinen Platte, die ständig elektrisch gedreht wird, auch wenn kein Besucher da ist: das größte existierende Naturgoldnugget aus sächsischem Boden. Ausgräber: S. Kreher. Fundjahr: 1999. Gewicht: 2,263 Gramm. Größe: 14x9x5 Millimeter. Fundort: -?-. Aus einem Seitenbach der Göltzsch stammt das teure Stück, nur so viel will der Finder rausrücken. Überhaupt sollte der, der mit Kreher zum Goldwaschen geht, nicht glauben, der führe ihn an die höffigsten Stellen im Land. Die behält er für sich, ja, er selbst wäscht nur ab und zu an ihnen, wie er sagt, lässt sie gern auch für längere Zeit mal in Ruhe, so, als handele es sich um eine Ressource, die sich regenerieren müsste. Ist es Ehrfurcht vor der Schöpfung dieses so wunderbaren Metalls? Kreher und seine Frau sind zwar gläubige Christen, aber damit habe das nichts zu tun, sagt er. Er macht es eben. Manchmal haben sie auch gebetet für einen doch mal etwas größeren Fund. "Klappt aber nicht immer", sagt er.

Allzu häufiges Waschen an den lukrativsten Stellen wäre aber auch unklug. Ein wenig Aufsehen erregt er eben schon unter Spaziergängern am Fluss oder an den Seitenbächen, wenn er seine Schnellkurse im Goldwaschen durchführt, die er von seinem Museum aus organisiert. Oder wenn er bei Kindergeburtstagen auch mal eine Bande von Nachwuchs-Goldsuchern für ein paar Stunden an den Bach führt, von denen dann jeder - mit etwas Glück - ein, zwei Dutzend Flitter-Stückchen nach Hause nimmt. Es gibt noch bessere Stellen. Aber warum sollte er durch allzu häufige Anwesenheit dort allzu oft sein Expertenwissen offenbaren?

Der Blick auf die Farbe des Bachbettes sagt vieles: je dunkler, metallischer das Gestein, desto besser; die Innenkurven der Biegungen sind lukrativer; der breite, quer liegende Stein dort hinten, den will er das nächste Mal vielleicht mal anheben, er könnte eine gute Portion Gold unter sich festgehalten haben. "Nein, heute machen wir das nicht."

Allzu große Erdbewegungen meidet Kreher, eine Bedingung der Naturschutzbehörden, die das Goldwaschen im Kleinen, im Millibereich eben, in aller Regel dulden. Der Einsatz von Maschinen ist tabu. Nur die thüringischen Landesbehörden haben jegliches Goldsuchen untersagt, aus Angst um die Bäche ihrer Berge.

Goldwaschen, damit wirbt Kreher, weil dem Begriff das Sagenhafte innewohnt, das Rauschartige. Tatsächlich aber ist sein Beifund meist erheblich wertvoller: Edelsteine, Zirkone zumeist, aber auch Pyrit-Kristalle aus der Göltzsch finden sich in höherer Stückzahl und in weit größerem Kaliber in der Pfanne als der Gold-Flitter. Sogar Platin holte er aus dem Gewässer. Auch davon sind die auffälligsten Stücke in Krehers Einraum-Goldmuseum zu sehen, in dem das Gold sowieso nur einen Teil der Exponate ausmacht. Vielleicht könnte man es eher schon als - durchaus sehenswertes - Naturalien-, fast schon Kuriositätenkabinett mit Familienanschluss bezeichnen; einer der beiden Eheleute steht meist zum fachkundigen Plaudern in der Sofaecke zur Verfügung, übers Gold, die Edelsteine und viele andere Besonderheiten: das 40 Zentimeter große Ei des ausgestorbenen Elefantenvogels, "das größte Ei Sachsens und dicker als jedes Dinosaurier-Ei"; Taranteln in Katzengröße sind ausgestellt, eine Kobra in Angriffsstellung, ein Haifischgebiss, eine Sammlung von Steinzeit-Werkzeugen, die Kreher von einem Professor nach jahrelangen Verhandlungen erstand.

Dieser Tage feiern die Krehers den Zehntausendsten Besucher seit der Eröffnung vor vier Jahren, der die zwei Euro Eintritt bezahlte. Mehr als ein Hobby ist es bislang nicht für den Goldsucher, der sein Geld ganz profan als Klimatechniker verdient, abgesehen vom einen oder anderen Euro, der aus dem Edelsteinverkauf in die Kasse fließt. Das Museum hat bislang nur freitags bis sonntags jeweils am Nachmittag geöffnet, oder nach Vereinbarung.

Das soll anders werden. Kreher will mit dem Goldsuchen mehr Geld verdienen, bald schon. Nein, nicht mit den Nuggets, das wäre bei aller Routine nur schwerlich möglich. Aber mit den Goldwasch-Kursen. Schon jetzt sind die Wochenenden der nächsten Monate ausgebucht, fast schon überbucht. Noch scheint der Run aufs Gold der Lust am Freizeitvergnügen geschuldet. Doch geht die Finanzkrise erst richtig los, könnte die Lust am Gold selbst sich verstärken.

Deutschland, das Land der Digger und Wäscher, warum nicht?