Das Edelmetall ist so teuer wie nie zuvor. Wissenschaftler prüfen jetzt, ob es sich als Beiprodukt von Sand abbauen lässt.

Hamburg. Das Telefon steht derzeit kaum still bei Uwe Lehmann, er bekommt viele Anfragen. Schuld ist "das Edelmetall", wie er es nennt. Seit bekannt geworden ist, dass Sachsen als erstes Bundesland wissenschaftlich prüfen lässt, ob sich Gold aus Kiesgruben fördern lässt, muss der Referatsleiter im Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie viel erklären. Lehmann nimmt es gelassen, er sagt, er verstehe das große Interesse: "Gold hat etwas Magisches, es löst ein Glücksgefühl aus." Er selbst sehe die Sache allerdings eher nüchtern: Es sei nun einmal die Aufgabe seiner Behörde, Sachsens Bodenschätze zu erfassen.

Aber ausgerechnet Gold? Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts förderten Bergleute hierzulande zwar jährlich viele Hundert Kilo des Edelmetalls als Beiprodukt von Kupfer-Zink-Erz zutage, heute hingegen taucht Deutschland in der Liste der Gold fördernden Länder nicht mehr auf, längst sind alle großen Lagerstätten abgebaut.

Doch durch Verwitterung von Gesteinen sind darin enthaltene Goldblättchen auch auf natürliche Weise freigesetzt worden; Wasser und Wind spülten sie zusammen mit anderen Sedimenten als fein gemahlene Partikel in die Täler und in Gewässer.

Deshalb sieht man heute vereinzelt Hobby-Goldsucher in deutschen Flüssen stehen, die dieses sogenannte Seifengold mit flachen Tellern aus dem Sediment waschen, etwa an der Isar nördlich von München, am Oberlauf des Main im Bayerischen Wald und an der Elbe in Brandenburg und Sachsen. Doch die Ausbeute umfasst meist nur einige Flitter, die kleiner sind als ein Millimeter. Reich wird damit niemand. Anders verhält es sich in Kieswerken: Sie liegen dort, wo früher einmal Flüsse verliefen, die Sedimente hinterlassen haben. Weil dieses Material in den Kieswerken massenweise verarbeitet wird, könnte es sich wirtschaftlich lohnen, das Gold darin herauszulösen. Aus 25 der 155 privat betriebenen Kies-Tagebaue in Sachsen hat Uwe Lehmann jeweils 100 Kilo rohen, also unbehandelten Kiessand entnehmen und von Forschern der renommierten Technischen Universität Bergakademie Freiberg untersuchen lassen.

Das Ergebnis: In einigen der untersuchten Werke enthält eine Tonne Rohkies rechnerisch zehn bis 30 Milligramm Gold, sagt Prof. Jens Gutzmer, der das Projekt leitet. "Das klingt nach wenig, aber wenn man bedenkt, dass viele Tagebaue pro Jahr mehr als eine Million Tonnen Kies fördern, sprechen wir schon von zehn bis 30 Kilogramm Gold, die pro Jahr mitverarbeitet werden." Angesichts des Goldpreises, der gestern mit etwa 35 000 Euro pro Kilo kurz so hoch lag wie noch nie, entspräche das einem Gegenwert von 350 000 bis einer Million Euro.

"Wer in Deutschland heute von Goldförderung spricht, wird in der Regel belächelt", sagt Harald Elsner, Goldexperte von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Tatsächlich gebe es hierzulande aber "durchaus Potenzial" für die Goldgewinnung in Kieswerken. "Würden alle Tagebaue an Gold führenden Flüssen in Deutschland das Edelmetall aus dem Kies holen, könnten sie so insgesamt eine Tonne Gold pro Jahr fördern", schätzt Elsner. Dem Forschungsvorhaben in Sachsen bescheinigt er einen "hohen wissenschaftlichen Anspruch".

Mineraloge Uwe Lehmann wartet derweil mit Spannung auf die Untersuchungsergebnisse zu weiteren Proben, die aus den Anlagen stammen, in denen der Kies gewaschen und gesiebt wird. Der Grund: Während der Produktion sammeln sich die Goldpartikel ohne technischen Einfluss an verschiedenen Stellen an, etwa in einer Sandschnecke.

In dieser etwa fünf Meter langen schraubenförmigen Anlage werden die groben, körnigen Kiesbestandteile, die als Sand in den Handel gehen, getrennt von feinen Bestandteilen wie Tonmineralien. Auf der einen Seite der Schnecke füllen Arbeiter den Kies ein, der durch die Drehung des Gewindes zum anderen Ende transportiert wird, während von dort Wasser in die Schnecke fließt, das mit den gelösten Tonmineralien am anderen Ende wieder herauskommt. Die Goldpartikel sind die mit Abstand schwersten Bestandteile des Sandgemischs, deshalb werden sie nicht mit dem Sand weitertransportiert, sondern setzen sich am Boden der Schnecke ab. An diesen Stellen könnten sich bis zu 1000-mal mehr Goldpartikel finden als im Rohkies, bis zu 30 Gramm pro Tonne schätzt Uwe Lehmann.

Ein Ergebnis von der Bergakademie erwartet Lehmann ab Oktober. Sollten sich seine Schätzungen bewahrheiten, würde das den Anreiz für Kiesgrubenbetreiber weiter erhöhen, die Schätze auf ihrem Grund zu heben. Allerdings müssten sie dann eine Technik entwickeln, um das Edelmetall abzuschöpfen. "Wir geben nur Hinweise, wie viel Gold sich fördern lässt", sagt Lehmann.

Dass es möglich ist, zeigen andere Länder: "In einigen spanischen Kiesgruben wird schon seit Jahren routinemäßig als Beiprodukt Gold gewonnen", sagt Harald Elsner von der BGR. Hierzulande gibt es zumindest ein Vorzeigeprojekt: Die schweizerische Holcim-Gruppe fördert in einem Kieswerk in Rheinzabern bei Karlsruhe seit fünf Jahren Gold als Beiprodukt - ohne dies vorher wissenschaftlich untersucht zu haben. Die Produktionsmenge ist vertraulich; Harald Elsner schätzt sie auf zehn bis 15 Milligramm pro Tonne, was etwa der Menge entspricht, die im Rohkies einiger Tagebauen in Sachsen enthalten sein könnte. Holcim vertreibt das Edelmetall als "Rheingold" nur an wenige ausgewählte Juweliere - und erzielt damit Erlöse deutlich über dem Weltmarktpreis.