Der jetzt diskutierte Kompromiss war 2008 schon einmal auf den Tisch gekommen und von der Hafenwirtschaft vehement abgelehnt worden

Hamburg. Es gibt manchmal Gespräche, die hätte es so gar nicht geben dürfen. Sie sollen so geheim bleiben, als hätten sie nie stattgefunden. "Non-Gespräch" heißt es dann - doch manchmal bleibt es eben nicht so "Non", wie jetzt beim Ausloten eines Kompromissvorschlags zur Elbvertiefung: Der Umweltberater Walter Feldt und der Hamburger Senatsbeauftragte für die Elbvertiefung, Professor Heinrich Reincke, sollen nach internen Papieren eines solchen "Non-Gesprächs" (die dem Abendblatt vorliegen) bei Hamburgs Hafenbetrieben vorsichtig angeklopft haben, ob es nicht etwas weniger tief gehen könnte bei der Elbvertiefung. Statt einen Meter Vertiefung lieber nur 50 Zentimeter - so sieht ihr Kompromissvorschlag aus, der bei den Unternehmen prompt auf heftige Ablehnung gestoßen ist. Die beiden Emissäre hätten es wissen müssen: Denn dieser Vorschlag, der die streitbaren Umweltverbände besänftigen soll, ist gar nicht so neu. Unter dem ironischen Begriff "Elbvertiefung light" hatte er schon Anfang 2008 mitten in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und GAL in Hamburg eine kurze Karriere gemacht. Zur Erinnerung: Die heute am Senat beteiligte grüne Partei gab sich lange als vehementer Gegner der neuen Elbvertiefung. Seite an Seite mit den Umweltverbänden warnte die GAL vor katastrophalen ökologischen Folgen. Die Verhandlungen mit den Christdemokraten schienen in diesem Punkt daher erheblich festgefahren.

Die Umweltverbände brachten dann jedoch jenen Kompromissvorschlag ins Spiel, wonach eben nur halb so viel weggebuddelt werden müsse wie geplant. Der Vorschlag kam damals ebenfalls von Umweltberater Walter Feldt, seit seiner Zeit als Referatsleiter im niedersächsischen Umweltministerium bestens verdrahtet mit dem organisierten Umweltschutz. Sein Argument: Die nachteiligen Auswirkungen einer Elbvertiefung würden mit jedem Dezimeter "exponentiell" zunehmen. "Von einem Kompromiss profitieren beide Seiten, da sie einen großen Teil ihrer wesentlichen Ziele erreichen würden", sagte er. Tatsächlich setzte sich dann jedoch die CDU in Sachen Elbvertiefung durch, die GAL stimmte zu und die Hafenwirtschaft frohlockte.

Dass die damals noch zu Boomzeiten zerrissene Kompromisslinie jetzt noch einmal auf den Tisch kommt, macht allerdings Sinn. Zumindest aus einer Perspektive, die einen Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung doch nicht so gerichtsfest sieht, wie er offiziell angeblich werden soll. Tatsächlich haben die Planer selbst schon einmal einen neuen Anlauf genommen, weil sie sich vor einer möglichen juristischen Niederlage fürchteten.

Die bereits für 2008 angekündigten Baggerarbeiten verschoben sich daher immer wieder. Nun ist offizielle Lesart, dass im Herbst 2010 der Planfeststellungsbeschluss kommen wird und von 2011 an die ersten Saugbagger die vielen Dellen im Untergrund des Flusses wegsaugen werden, um für große Containerschiffe eine um durchschnittlich einen Meter tiefere Fahrrinne zu schaffen. Doch gegen diesen Planfeststellungsbeschluss haben die Umweltverbände lange schon Klagen angekündigt. Und auch Niedersachsen verweigert immer noch ein politisches Signal, um die Elbvertiefung zu unterstützen. Pikant dabei: Der Widerstand gegen die Vertiefungspläne ist am heftigsten an der Elbmündung bei Cuxhaven - ausgerechnet im Wahlkreis des neuen parlamentarischen Staatssekretärs im zuständigen Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), der vor seinem politischen Aufstieg prominenter Unterstützer des Protests war.

Die Geschichte der jüngsten Elbvertiefung ist daher die Geschichte einer reichlich langen Planungszeit mit starken Gegnern: Schon im September 2006 hatte der Senat seinen Grundsatzbeschluss zu einer weiteren Elbvertiefung gefasst. Anfang 2008, so hieß es seinerzeit, könne mit den Baggerarbeiten begonnen werden: Rund 330 Millionen Euro wurden für das Projekt kalkuliert, 100 Millionen davon wollte Hamburg zahlen. Formuliertes Ziel: Statt mit 13,50 Meter Tiefgang (bezogen auf Salzwasser) sollen Schiffe künftig mit bis zu 14,50 Meter Tiefe die Unterelbe befahren können. Das ist dabei vor allem für die auslaufende Schifffahrt wichtig, weil sie gegen die Flutwelle der Tide-Elbe fahren muss und eher mit Tiefgangsproblemen kämpft.

Doch im Jahr 2007 geriet das Projekt erstmalig ins Stocken - weil es beim Genehmigungsverfahren stolze 5000 Einwendungen von Verbänden und Bürgern gegeben hatte, die alle abgearbeitet werden mussten.

Im Juni 2008 kam erneut ein Dämpfer: Aufgeschreckt durch ein Umwelturteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Bau einer Umgehungsstraße, befürchteten die Vertiefungsplaner Ungemach, wenn es zu Klagen und Gerichtsverhandlungen kommen sollte. Und im August 2009 verkündete Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU), dass das Genehmigungsverfahren neu aufgerollt werden müsse. Man wolle die Genehmigung "absolut gerichtsfest" machen, hieß es. Doch offenbar glauben die Planer immer noch nicht an einen schnellen Erfolg bei juristischen Kämpfen mit den Verbänden. Die Sorge muss so groß sein, dass nun mit "Non-Gesprächen" ein Kompromiss gesucht wird.