Hamburg. Im Alltag ist Sören Moje mit einem Seenotrettungsboot unterwegs. In der Freizeit ist er Meerjungmann und kann gebucht werden.

Eigentlich fährt Sören Moje als Maschinist auf einem Seenotrettungsboot mit. Rettet gemeinsam mit seiner Crew immer wieder das Leben unzähliger Menschen. Wenn der Hamburger allerdings einmal nicht im Mittelmeer unterwegs ist, dann hat Moje ein ganz außergewöhnliches Hobby.

In seiner Freizeit verwandelt sich der 37-Jährige regelmäßig in eine Meerjungfrau wie Arielle – genauer gesagt in einen Meerjungmann. Moje ist ausgebildete Mermaid, hat in einem Kurs sowohl die besonderen Schwimmbewegungen mit der riesigen Flosse gelernt, als auch das Apnoetauchen, das er dafür beherrschen muss.

Mermaid: Trendhobby – Hamburger ist einer der wenigen Männer

Damit ist der Hamburger etwas Besonderes. Unter den Menschen, die dieses neue Trendhobby ausüben, gibt es nur wenige Männer. „Soweit ich weiß, sind das höchstens fünf Prozent“, sagt Moje. Der große kräftige Mann mit den blonden Haaren und dem pinkfarbenen Bart ist gerade wieder einmal während eines längeren Landurlaubes in Hamburg und erzählt, wie er zu seiner Flosse gekommen ist.

Sören Moje mit einer Seekuh. Der junge Mann liebt es, im Wasser zu sein.
Sören Moje mit einer Seekuh. Der junge Mann liebt es, im Wasser zu sein. © Konstantin Killer | Konstantin Killer

Moje ist ausgebildeter technischer Offizier, das Meer bestimmt sein Leben. Bereits seit etwa 20 Jahren fährt er zur See, anfangs auf Handelsschiffen. „Doch da wurden die Rhythmen immer ungünstiger, die Zeit an Land immer kürzer“, sagt er.

So sei er zu den Rettungsmissionen gekommen. „Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn – es ist für mich unerträglich, dass jeden Tag Menschen dort ertrinken“, so Moje, der im Bezirk Altona lebt. „Dabei müsste das schlicht nicht sein.“

Moje ist seit 2017 mit Rettungsbooten im Mittelmeer unterwegs

2017 sei er auf die Seenotrettungsboote umgestiegen. Zuerst habe er als Freiwilliger im Mittelmeer geholfen. „Aber erstens brauchte ich irgendwann auch Geld. Und zweitens suchten die eine Fachkraft für die Maschine. Also habe ich dort als angestellter Ingenieur angefangen.“ Anfang 2024 geht es wieder aufs Mittelmeer, dieses Mal mit der „Sea Watch 5“.

Übrigens war Moje auch der leitende Maschinist auf der „Sea Watch 3“ im Sommer 2019, als das Schiff unter der Leitung von Carola Rackete wochenlang auf dem Mittelmeer umherirrte, weil es keinen Hafen anlaufen durfte. „Das war wirklich eine heftige Zeit“, sagt Moje. „Am Ende saßen wir allein auf dem Schiff vor Lampedusa und Carola wurde festgesetzt.“

Mermaid: Meerjungmann Sören Moje fasziniert die riesige Flosse

Seitdem unterstützt er die Crews bei der Seenotrettung etwa zwei Monate lang, dann ist er zwei Monate lang an Land. Im Urlaub sei ihm dann die Idee mit dem Mermaiding gekommen, berichtet Moje.

„Ich hatte mir vor rund zweieinhalb Jahren eine etwas längere Auszeit von der Seenotrettung genommen. Sie nahm zu sehr mein Leben ein und kostete zu viel Kraft“, so Moje. Während dieser Zeit habe er sich bewusst nach einem Hobby umgesehen – „als Ausgleich“, wie er sagt.

Als Mermaid muss man lange die Luft anhalten können, damit diese Unterwasserbilder entstehen können.
Als Mermaid muss man lange die Luft anhalten können, damit diese Unterwasserbilder entstehen können. © Konstantin Killer | Konstantin Killer

„Und durch einen Zufall bin ich auf eine Meerjungfrau aus Norddeutschland gestoßen.“ Ihn habe die riesige Flosse sofort fasziniert. „Ich bin eine Wasserratte, das war genau mein Ding.“ Dazu habe ihn der Gedanke, in andere Rollen zu schlüpfen, schon immer gereizt. „Also habe ich beschlossen: Ich will Meermann werden.“

Moje kann als Meerjungmann für Fotoshootings gebucht werden

Sören Moje belegte einen Kurs und tritt seitdem regelmäßig als Meerjungfrau(-mann) auf. Der pinkfarbene Bart ist zu seinem Markenzeichen geworden. Den trägt er mittlerweile immer. Als Meerjungmann wird Moje für Fotoshootings gebucht. Oder lässt sich auf Reisen mit bedrohten Tieren ablichten. „Denn mit diesem besonderen Hobby kann ich gleichzeitig auch auf die Bedrohung unserer Meere aufmerksam machen.“

Mit seinem Dasein als Meerjungmann hat Moje endlich den perfekten Ausgleich zur kräfteraubenden Seenotrettung gefunden. Diese im Mittelmeer zu unterstützen, ist ihm ein großes Anliegen. „Uns geht es dort ja nicht anders, als den Menschen bei der Feuerwehr oder im Rettungsdienst“, sagt er. Man brauche für die Aufgabe schlicht ein dickes Fell. Und das habe er mittlerweile.

Mermaid: Schwimmen mit der Flosse ist „Aussöhnung mit dem Meer“

Ihn erschrecke allerdings immer wieder, wie sehr sich die Menschen in Gefahr bringen, um ihr Land zu verlassen. „Das ist manchmal schwer zu ertragen.“ Besonders belastend sei für ihn, dass die Seenotrettung im Mittelmeer so kriminalisiert werde. „Das kostet fast mehr Kraft, als das, was wir dort täglich erleben.“

Mehr zum Thema

Für Moje gibt es aber keine Alternative. „Ich möchte den Menschen helfen, ich möchte Gutes für diese Welt tun“, sagt er. Er empfinde diese Aufgabe mittlerweile als Berufung. Und er möchte „für unsere Natur kämpfen“. Das versuche er nun zumindest in seiner Freizeit mithilfe der Flosse – und der damit verbundenen Aufmerksamkeit. „Das Schwimmen mit der Flosse ist für mich eine Aussöhnung mit dem Meer.“

Einige Kollegen von der Seenotrettung könnten nach dem, was sie erlebt haben, nicht mehr im Meer schwimmen. „Bei mir ist es genau umgekehrt. Dank meiner Flosse verbinde ich nicht mehr nur Negatives mit dem Wasser.“ Auch deshalb wolle er sein Dasein als Mermaid noch weiter ausbauen. „Ich liebe es, in diese Rolle zu schlüpfen. Das kann gar nicht oft genug passieren.“