Hamburg. 115 Liter Niederschlag pro Quadratmeter in einem Monat: die Folgen für Bäume, Borkenkäfer und den Grundwasserspiegel.

Einen Profiteur des verregneten „Hochsommers“ in Hamburg gibt es – den Klövensteen im Bezirk Altona. Der 513 Hektar große Wald leidet wie alle Hamburger Wälder unter der durch den Klimawandel bedingten mehrjährigen Trockenperiode, in der Hunderte Sitka-Fichten vertrocknet waren.

Die derzeit niederschlagsreiche Witterung ist für den Forst Klövensteen ein absoluter Glücksfall, weil dies dazu beiträgt, das Wasserdefizit aus dem äußert trockenen Zeitraum 2018/2019 auszugleichen“, sagt Mike Schlink, Sprecher des Bezirksamts Altona, auf Anfrage des Abendblatts. Allein im Monat Juli fielen nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes 115 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Das sind 50 Prozent mehr als das langjährige Monatsmittel.

Wetter Hamburg: Klövensteen in Rissen – was der viele Regen mit dem Wald macht

Allerdings ist im Klövensteen noch immer erkennbar, dass die vielen kleinen Wasserflächen und Gräben in der Feldmark weniger Wasser führen als vor der Dürrezeit. Die aktuell hohen Niederschläge täten insofern dem Grundwasserspiegel gut und hätten darüber hinaus weitere positive Auswirkungen auf den Forst, heißt es beim Bezirksamt Altona.

So seien beispielsweise die rund 80.000 Pflanzen, die vor einigen Monaten gepflanzt wurden, sehr gut angewachsen. Auch die Pflanzungen aus den vorherigen Jahren hätten sich hervorragend entwickelt.

Klövensteen in Hamburg-Rissen: Altholzbestände sehen vitaler aus

„Erfreulich ist außerdem, dass die Altholzbestände – insbesondere Buche und Fichte – im Vergleich zu den Vorjahren deutlich vitaler aussehen. In diesem Jahr ist beispielsweise die sogenannte Kronenverlichtung – also der sicht- und messbare Nadel- oder Blattverlust der Baumkrone – im Vergleich zu den Vorjahren rückläufig“, sagt Mike Schlink.

Damit der Wald in Hamburgs Westen lebt, wird inzwischen bei Nachpflanzungen auf Bäume gesetzt, die den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sind: Stiel- und Traubeneichen, Rotbuchen, Ulmen, Bergahorne und andere Laubhölzer. „Was den Wald angeht, werden gerade genau die Maßnahmen ergriffen, die notwendig sind. Wir bewegen uns weg von Monokulturen“, sagt Revierförster Nils Fischer.

Hamburger Wälder: Die Schäden durch Borkenkäfer werden geringer

Zur Erholung des Klövensteen trägt bei, dass der viele Regen in diesem Sommer die Borkenkäferplage reduziert. Die sogenannten Käferkalamiten sind in diesem Jahr nicht stark ausgefallen. Denn viel Regen und Feuchtigkeit sind schlecht für den Borkenkäfer. Mehr noch: „Durch die Witterung ist auch die Waldbrandgefahr im Forst Klövensteen geringer. Unterm Strich profitiert der Forst also in vielen Bereichen von diesem verregneten Sommer“, so der Bezirksamtssprecher.

Ähnliches gilt selbstverständlich für die anderen Hamburger Wälder – für den Duvenstedter Brook genauso wie für den Volksdorfer Wald. Doch der viele Regen ist nur ein Tropfen auf den sprichwörtlich „heißen Stein“. Laut Dürremonitor des Helmholtz-Instituts leiden auch Hamburgs Wälder weiter unter einer extremen Dürre beziehungsweise Trockenheit bis in die tieferen Bodenschichten.

Förster Peter Wohlleben: „Die tieferen Bodenschichten müssen noch aufgefüllt werden“

Eine Studie mit rekonstruierten Klimadaten zurück bis ins Jahr 1766 hat ergeben, dass im zurückliegenden Vierteljahrtausend mit großer Wahrscheinlichkeit kein größeres Dürreereignis in Mitteleuropa aufgetreten ist als jenes in der Gegenwart, heißt es bei der Bundeszentrale für politische Bildung.

Nach Ansicht von Wissenschaftlern gebe es in Deutschland ein Regendefizit von ein bis 1,5 Jahren. „Die tieferen Bodenschichten und das Grundwasser müssen erst noch aufgefüllt werden“, sagt Deutschlands bekanntester Förster und Buchautor („Das geheime Leben der Bäume“), Peter Wohlleben.

Dass der verregnete Sommer 2023 nur eine Episode in Zeiten des Klimawandels ist, wissen auch Umweltschützer vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und seinem Hamburger Landesverband. „In der nächsten Dürrephase, die ohne Zweifel kommen wird, werden wir uns das viele Wasser, das gerade vom Himmel fällt, wieder zurückwünschen“, sagte der Hamburger Nabu-Sprecher Jonas Voß dem Abendblatt.

Nabu Hamburg fordert: Anteil von Totholz im Klövensteeen erhöhen

Um das Wasser in der Fläche zu halten, müsse der Totholzanteil im Wald erhöht werden. Totholz speichere eine Menge Wasser und sei zugleich auch ein wichtiger Lebensraum für zum Beispiel Insekten oder andere Arten, so die Nabu-Experten.

Außerdem brauche es ein geschlossenes Kronendach, das vor zu starker Verdunstung des Wasser schützt. Damit könne die Feuchtigkeit im Waldboden gehalten werden und die Böden trockneten nicht so schnell aus.

Hamburg soll zur sogenannten Schwammstadt werden, fordert der Nabu

„Für den sensiblen Waldboden ist es außerdem wichtig, dass er durch den Einsatz von Großmaschinen nicht noch weiter verdichtet wird. Je dichter der Boden, desto schlechter kann das Wasser einsickern. Und auch abseits der Wälder muss das Prinzip der sogenannten Schwammstadt in der Stadtentwicklung absolute Priorität haben“, sagt Jonas Voß. Das Ziel einer Schwammstadt ist es, das Niederschlagswasser dort zwischenzuspeichern, wo es fällt.

Der Nabu Hamburg setzt sich dafür ein, mindestens 20 Prozent der Hamburger Wälder der Natur zu überlassen und im gesamten Hamburger Wald auf naturnahe Waldbewirtschaftung umzustellen. Bei forstlichen Maßnahmen soll vor allem die Schaffung von mehr Naturnähe im Vordergrund stehen, heißt es bei der Nabu-Fachgruppe „Wald“.

Wetter Hamburg: Regen lässt die Pilze deutlich früher sprießen

Das regnerische Sommerwetter sorgt unterdessen für einen recht frühen Start in der Pilzsaison. Es bietet Steinpilzen, Wiesenchampignons und Pfifferlingen beste Wachstumsbedingungen, allerdings auch den Giftpilzen. Es sei nicht ungewöhnlich, dass in feuchten Jahren schon im Juli und Anfang August Pilze wachsen. „Aber in dieser Masse nicht“, sagt der norddeutsche Pilzexperte Sönke Lettau.

Unerfahrenen Pilzsammlern rät er zur Teilnahme an einer geführten Pilzlehrwanderung. Die Risiken dürften nicht unterschätzt werden. „Eine echte Pilzvergiftung, das möchte keiner haben.“ Das Sammeln von Pilzen sei kein einfaches Hobby. Führungen gebe es bei verschiedenen Organisationen.