Der Chefkoch des Ni Hao, Julian Chen, verwendet exotische Gewürze und zaubert dabei Aromen aus zwei Geschmackswelten auf den Teller.

Zu den Requisiten vieler China-Restaurants gehören rote Plastikdrachen und bunte Lampen. Weit stilvoller geht es im Ni Hao zu. Mit einem herzlichen Lachen empfängt Chefkoch Julian Chen, 42, seine Gäste - und zwar an jedem Abend, sofern es in der Küche gerade nicht zu stressig zugeht.

An diesem Abend wird er uns sogar erlauben, die Küche jederzeit zu betreten. Sein Bruder Qiuyi wird beim Probieren des Menü am Tisch moderieren. Qiuyi Chen gehört zu der seltenen Spezies von Gastronomen, die nicht nur missionarisch für ihre Qualitätsküche kämpfen, sondern mit lustvoller Heiterkeit auch mal den ein oder anderen Scherz machen - übrigens auch mal auf eigene Kosten. Sein charmanter niederländischer Akzent gibt ihm dabei etwas Schelmisches. So kann er sich beispielsweise über seine Wortschöpfung von der "Ente made in Wandsbek" - ein Understatement angesichts der kunstvollen Zubereitung - herrlich amüsieren.

Mit der Reise ins Ni Hao erleben Sie auf jeden Fall eine Vielfalt unbekannter Aromen, kleine Geschmacksexplosionen auf der Zunge, bewundernswerte Wok-Akrobatik und die moderne Interpretation chinesischer Küche. Und eines ist sicher: Die Ente schmeckt nicht nach Wandsbek, sondern schlicht sensationell.

Was ist das kulinarische Geheimnis?

Der erste Blick geht in die Küche des Ni Hao. Im Reich von Küchenchef Julian Chen stehen mehr als 30 Töpfe, Schüsseln, Dampfkocher, ein raumschiffähnlicher Entenofen und fünf Woks, zum Teil gefüllt mit Rapsöl oder Bouillon. In den Schüsseln befinden sich Gewürze, Chilimus und Lauchstücke. Was sind die kulinarischen Geheimnisse? Julian Chen lacht und sagt: "Geschmacksverstärker wie Glutamat verwenden wir nicht. Für Soße oder um Speisen einen Glanz zu verleihen, nehmen wir Kartoffelstärke." Mit einer Kelle schöpft er, zum Beweis, ein wenig Flüssigkeit aus einer Schüssel mit eingeweichter Kartoffelstärke, lässt alles kurz im Wok mit einer Würzflüssigkeit aus pulverisierten Fischen aufkochen. Es entsteht in Sekunden eine leicht glänzende Soße, die einen unbekannten, fantastischen Duft verströmt. Diesen Duft werden wir beim dritten Gang wiederfinden. Die Arbeit am Wok bedeutet: Arbeit im Team, schnelle Kommandos von Julian Chen - und ein gewaltiges Fauchen und Zischen, wenn im Wok gegart wird.

Der Sekundenzeiger der Uhr offenbart später: Krustentiere wie Muscheln oder Garnelen, werden nur wenige Sekunden in siedendem Öl gegart. Beim Fisch sind es vier Minuten im Dampfofen bei 100 Grad. "Hier wird nichts totgegart", verspricht Julian Chen.

Als ersten Gang gibt es Jacobsmuscheln mit pikanter Riesengarnele, auf aromatischem Spinat und Tempura-Gemüse. Die Garnele stellt einen ordentlichen Bissen dar, ist sehr pikant mit Julian Chens Spezialsalz gewürzt - und plötzlich können alle Mitteleuropäer am Tisch mit Stäbchen das große Garnelentier in den Mund bugsieren. Zack, und weg ist das Riesending! Wir hören die Erklärung von Qiuyi Chen: "Wir bieten Garnelen von höchster Qualität."

Gedämpfter Kabeljau mit Senfkohlsauce un Kräutersaitlingen

Das Menü steht unter dem Motto "Deutsch-chinesische Freundschaft", mit Weinen von fünf deutschen Winzern aus fünf verschiedenen Anbaugebieten. Mit dem lieblichen Geschmack der Jakobsmuschel harmoniert der Mosel-Riesling Alte Rebe (Jahrgang 2011) von Winfried Reh durch seine leichte, angenehme Süße.

Der zweite Gang: Gedämpfter Kabeljau mit Senfkohlsauce und Kräutersaitlingen. In der exotischen Soße befinden sich fermentierte, schwarze Bohnen (gemahlen), Schweinefleisch und getrocknetes Senfkohlgemüse. "Fisch und Fleisch, das ist Yin und Yang. Und die wundervolle Verbindung zweier Welten, ein Geschmack von fast erotischer Fülle", jubelt Weinhändler Gerd Rindchen, der das Ni Hao "wegen der unglaublichen Aromenvielfalt" zu einem seiner drei Lieblingsrestaurants zählt. Nüchtern betrachtet, findet sich hier der hauchzarte und saftige Fisch, den man einfach mit Stäbchen teilen und greifen kann, in einer Art Zwergengulasch, das so aussieht, als hätten Zwerge die leckeren Bratenkrusten stundenlang geschnippelt und mit Bratensaft eingekocht. Qiuyi Chen lässt sich eine Gabel bringen und probiert. "Das ist moderne chinesische Küche."

Nach dem Fischgang holt sein Bruder Julian auf besondere Bitte einen Sack aus der Küche, dem ein verführerischer Duft entströmt, der den meisten Europäern völlig unbekannt sein dürfte. "Das ist fermentiertes und getrocknetes Senfkohlgemüse, das unser Onkel aus der Heimat Qingtian geschickt hat", erklärt er. Das Trockengemüse wird eingeweicht und zum Würzen von Soßen eingesetzt. Die Soße wird dann mit Kartoffelstärke glasiert, "und dadurch bleibt der pikante Geschmack an der Zunge kleben". Interessant.

"Rassig, stahlig und mit großer Dichte im Mund" setzt der Chardonnay (2011) von Rheinhessens Winzer-Jungstar Georg Fogt einen beherzten Kontrapunkt zum gedämpften Kabeljau. Der Wein könne dem "enormen Aroma der Senfkohlsauce Paroli bieten", meint auch Gerd Rindchen und beobachtet "das Ringen zweier Gaumen-Giganten". Der folgende Gang ist original chinesisch: Jiaozi - eine Variation frischer Teigtaschen mit Ni-Hao-Sauce. Die Teigtaschen sind kleine Kunstwerke, gefüllt mit Fleisch- und Gemüsesorten. Sie heißen in China Jiaozi und bilden eine eigene Esskultur, wobei die Herstellung schon ein Erlebnis für die ganze Familie ist.

Die Sauce sollte abgefüllt und verkauft werden

Die Europäer am Tisch inspizieren die Soße ganz genau. Kräuter, Knoblauch und Gemüse findet man. Doch der Geschmack ist so unvergleichlich ungewöhnlich, dass die Testesser ins Rätseln kommen. Qiuyi Chen zeigt zum ersten Male ein asiatisch-unergründliches Lächeln: "Tja, das ist unser Geheimnis. Wir werden der Soße den Namen Ni Hao geben und sie in Flaschen füllen und vermarkten." Sein Bruder verrät dann doch zumindest noch eine Zutat dieser Spezialität: Pulverisierter Fisch sei ein Bestandteil.

Ni-Hao-Sauce braucht beim Wein einen konsequent mineralischen Gegenpart. Den liefern die Rheingauer Brüder Gundolf und Gilbert Laquai mit ihrem Blanc de Noir aus dem Jahr 2011. Weinexperte Rindchen: "Der Wein ist grandios, er vibriert vor Spannung und Leben und spielt lustvoll im Gaumen mit der Intensität des Gerichts."

Aufwendig ist auch die Herstellung der "Ente made in Wandsbek" im vierten Gang, dem Hauptgang des Menüs: "Entenbrustscheiben mit Zuckerschoten, Shiitakepilzen, Duftreis und zweierlei Soße." Begonnen wird mit dem Ergebnis: Vier Scheiben Entenbrust finden sich mit den Pilzen, Reis und geschnittenen Zuckerschoten neben zwei Soßen. Die Entenhaut glänzt wie lackiert; das Fleisch lässt sich am Gaumen wie Marzipan mit der Zunge zerdrücken, verbindet sich ungewöhnlicherweise mit der Haut, die sich offensichtlich nicht entscheiden kann, ob sie knusprig oder zart sein will. Grandios. Und, zack, weg sind die Entenstücke. Die streichholzdünn geschnittenen Zuckerschoten passen perfekt dazu, ebenso wie die beiden Soßen. Die eine ist süß, die andere pikant.

Gerd Rindchen schwärmt, das sei für ihn "die Vollendung einer Ente". Und überlegt noch, wie er dies umschreibt: "Milka-Ente könnte man sagen", schmunzelt er, "denn das Fleisch hat einen so zarten Schmelz wie Schokolade!"

Mehrfach schon hat Chefkoch Julian Chen versucht, die Zubereitung der Ente zu erklären. Doch die meisten Gäste werden sie trotzdem nicht nachkochen können. Nur so viel: Es dauert einen Tag, an dem das Federvieh erst leicht gegrillt und dann kurz überbrüht wird. Dann wird es geröstet, noch mal gerillt und gebacken.

Eis aus grünem Tee mit Granatapfelkernen

Das Beste aus zwei Rotweinwelten zur Ente bietet Gerd Rindchen: "Mit seiner brillant komponierten Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Spätburgunder vereint der Pfälzer Axel Neiss die Kraft des Cabernet mit der Subtilität und Eleganz des Spätburgunders." So schwebe der Wein "über den Gaumen".

Zum Nachtisch gibt es ein Eis aus grünem Tee, ein Bouquet von frischen Früchten mit Granatapfelkernen. Der herb-süße Geschmack des Tees und jener der Granatapfelkerne passen als Abschluss gut zu den vielen exotischen Geschmackserlebnissen der vier vorherigen Gänge und holt uns auf den Boden der Wandsbeker Tatsachen zurück. Doch zum Abschluss folgt noch eine kleine China-Leckerei: Julian Chen serviert geröstete und karamellisierte Walnüsse zum abschließenden Kaffee. Abweichend zu den anderen Restaurants, die an der Abendblatt-Aktion teilnehmen, bietet das Ni Hao statt Kaffee auch Tee an. Als Wein haben die Testesser die Riesling-Auslese Monzinger Frühlingsplätzchen (Jahrgang 2010) von der Nahe ausgesucht. Experte Rindchen: "Süßwein-Papst Udo Weber setzt mit einem geschmacklichen Paukenschlag den beglückenden Schlussakkord."

Ni Hao, Wandsbeker Zollstr. 25-29, 22041 Hamburg, www.ni-hao.de