Hamburg . In den Kammerspielen gelingt Irene Haarmeyers „Historicus“ als Familien-Musical. Hannes Träbert spielt sich ins Zentrum der Aufführung.

In eineinhalb Stunden durch 1200 Jahre Hamburger Geschichte? Das hätte belehrend, spröde oder wirr zusammengekleistert ausfallen können. „Historicus“, Franz-Joseph Diekens Bühnenadaption des gleichnamigen Jugendbuchs von Irene Haarmeyer in den Hamburger Kammerspielen, kommt aber mühelos schwebend daher.

Das Familien-Musical erweist sich als etwas andere Geschichtsstunde mit abenteuerlicher Science-Fiction-Rahmenhandlung. Die Songs reißen mit, die Darsteller agieren engagiert – und lehrreich bleibt das Geschehen nebenbei auch noch. Jan Haarmeyer – Abendblatt-Lesern als langjähriger Autor dieser Zeitung bekannt – hat mit Frank Oberpichler Musicalmelodien komponiert, die zeigen, wie vielseitig Balladen und Rocksongs jenseits von zuckrigen Gassenhauern gelingen können.

Klug ist der Gang durch die Historie der Hansestadt als Zeitreise montiert. Filip (Johan Richter) interessiert sich stärker für fremde Galaxien als für den anstehenden Schultest, zu dessen Vorbereitung ihn seine strenge Schwester Lilli (etwas hysterisch: Sabine Barthelmess) ermahnt. Es ist das Jahr 2017. Die Elbphilharmonie ist gerade eröffnet.

Weder Sätze noch Gesten wirken plakativ

Und dann steht er plötzlich im Raum, Historicus, ein Alien, ein Wesen von einem anderen Stern. Hannes Träbert spielt sich in der Rolle des Sonderlings im Weltraumanzug samt Zeitmaschine ins Zentrum der Aufführung. Auch Historicus muss eine Prüfung bestehen. Bei Gelingen darf er sich Frei-Forscher nennen. Zuvor gilt es, „Belegexemplare“ aus der Vergangenheit einzusammeln. Seine neuen Freunde helfen ihm dabei. Von den Dialogen der Jugendlichen bis zu den Ticks des Zeitreisenden wirkt hier kein Satz und keine Geste abgegriffen oder plakativ.

Das Trio landet im Jahre 845 in der frühen Siedlung der Hammaburg, die auch das Einheitsbühnenbild mit Holzverschlägen dominiert. Schnell wird es turbulent, Schwert schwingende Wikinger treten auf, Störtebeker treibt sein Piraten-Unwesen, Handelsvertreter tanzen zum munteren Lied vom „Pfeffersack“. Dank der spielfreudigen Nebendarsteller findet jede Episode zu ihrer charakteristischen Situation. Und bei Matthias Claudius’ Liedschöpfung „Der Mond ist aufgegangen“ darf auch mal der Besungene hübsch vom Himmel fallen. An diesem Musical, das sich nie in Episoden-Beliebigkeit verliert, dürften nicht nur Kinder Vergnügen finden. So macht Geschichte Spaß.

„Historicus“ bis 21.12., ab 8 Jahren, Hamburger Kammerspiele, Hartungstraße 9–11, Karten: 20,68 bis 25,12 in der Abendblatt-Geschäftsstelle und unter T. 30 30 98 98