Berlin. Es ist eine Ironie, aber ein Ergebnis von dem G20-Gipfel in Hamburg: US-Präsident Trump macht Amerika nicht größer, sondern kleiner.

Der G20-Gipfel war kein Fehlschlag, aber für die Stadt Hamburg ist er ein Fiasko. Die Krawalle haben das Ereignis überschattet. Eine Schande, schlimmster Vandalismus. Diese Antiwerbung haben die Hamburger nicht verdient. Unfair wäre es jetzt allerdings, den Blick auf Gewalt und Randale zu verengen.

Was hat das Treffen neben den hässlichen Bildern gebracht? Nichts. Und viel. Das ist ein Widerspruch. Aber er lässt sich erklären, auflösen, am besten entlang des großen Streitthemas Klimaschutz. Es bleibt beim Pariser Klimaschutzvertrag und alles so, wie es vor Hamburg war. Die Bestätigung des Ist-Zustands wird gewöhnlich als Stillstand, Stagnation, gar als Rückschritt empfunden.

USA können Rest der Welt nicht von Kurs abbringen

Der Fortschritt jedoch besteht darin, dass sich der Rest der Welt nicht von seinem Kurs abbringen lässt, obwohl Donald Trump Anfang Juli den Pariser Vertrag aufgekündigt hat. Trump ist der Präsident einer Supermacht, nicht Luxemburgs. Und doch ließen sich die restlichen 19 Industrie- und Schwellenländer nicht aufhalten.

Die USA sind nicht mehr so stark, dass sie dem Rest der Welt ihren Kurs aufzwingen können. Trump ist zwar angetreten, um Amerika wieder größer zu machen. Aber eingetreten ist etwas völlig anderes: Die Amerikaner haben die Meinungsführerschaft eingebüßt. Das ist Trumps Paradoxon. Man schaut jetzt zunehmend auf andere Mächte, wieder auf Russland und mehr denn je auf China, vielleicht sogar auf die EU und in diesen Tagen von Hamburg zweifellos auf Angela Merkel.

Der Gastgeberin ist es gelungen, was sie gern die Verwürfelung des Balles nennt. Die Kanzlerin hat 19 Staaten auf den Pariser Vertrag eingeschworen, aber trotzdem Trump eine Brücke gebaut: Er konnte seine Position darstellen. Und beim Thema Handel ist es immerhin gelungen, die Amerikaner erst einmal von einem protektionistischen Alleingang in der Stahlbranche abzubringen. Trump ist offensichtlich ein Mann, der vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht. Den müssen ihm seine Partner immer wieder aufzeigen, eine Frage der Weitsicht, der Beharrlichkeit, der strategischen Geduld. Trump ist – was für eine Ironie! – umzingelt von lauter Freunden.

Schitte nach vorn, in Trippelschritten

Vor Hamburg war die Druckkulisse so groß, so dass die Gipfelstürmer das Gefühl hatten, sie könnten unmöglich unversöhnlich und ohne eine einheitliche Erklärung auseinandergehen. Der zivile Protest war ein Treiber, die Chaoten jedoch waren es nicht; schon deshalb nicht, weil so ein Gipfel sich im Innersten in einer Komfortzone abspielt, weithin abgeriegelt von der Realität auf der Straße .

Diese Treffen haben inzwischen so eine Dimension erreicht, dass schon logistisch fast nur Metropolen als Austragungsorte infrage kommen. Was in Hamburg passiert ist, das hätte sich so oder ähnlich auch in Berlin, Frankfurt oder Köln ereignen können.

Die stärksten Bilder vom G20-Gipfel 2017

Auch wenn es um wichtige Politik gehen sollte: Die Ausschreitungen, die den G20-Gipfel in Hamburg begleitet haben, bestimmten die Bilder im Juli 2017.
Auch wenn es um wichtige Politik gehen sollte: Die Ausschreitungen, die den G20-Gipfel in Hamburg begleitet haben, bestimmten die Bilder im Juli 2017. © dpa | Markus Scholz
In der Nacht zum 8. Juli schickte die Polizei Spezial-Einsatzkräfte, um die verbarrikadierten Bereiche des Schanzenviertels zu stürmen. Randalierer hatten Feuer gelegt, warfen Pflastersteine und plünderten Läden.
In der Nacht zum 8. Juli schickte die Polizei Spezial-Einsatzkräfte, um die verbarrikadierten Bereiche des Schanzenviertels zu stürmen. Randalierer hatten Feuer gelegt, warfen Pflastersteine und plünderten Läden. © dpa | Axel Heimken
Ein starkes Bild vom Tag zuvor: Diese Demonstrantin war auf ein gepanzertes Räumfahrzeug geklettert. Polizisten versuchten, sie mit Pfefferspray wieder herunterzubekommen.
Ein starkes Bild vom Tag zuvor: Diese Demonstrantin war auf ein gepanzertes Räumfahrzeug geklettert. Polizisten versuchten, sie mit Pfefferspray wieder herunterzubekommen. © dpa | Sebastian Willnow
In der Nähe der Reeperbahn stellten sich dieser Demonstrant einem Wasserwerfer entgegen.
In der Nähe der Reeperbahn stellten sich dieser Demonstrant einem Wasserwerfer entgegen. © dpa | Boris Roessler
Maskierungen sind auf Demonstrationen ausdrücklich verboten. Dieser Demonstrantin war das offenbar egal.
Maskierungen sind auf Demonstrationen ausdrücklich verboten. Dieser Demonstrantin war das offenbar egal. © Thomas Lohnes
Und selbst, als der Gipfel vorüber war, endeten die Krawalle nicht. Nachdem die Staats- und Regierungschefs Hamburg verlassen hatten, gab es in der Nacht zum 9. Juli (Sonntag) weiter Ausschreitungen.
Und selbst, als der Gipfel vorüber war, endeten die Krawalle nicht. Nachdem die Staats- und Regierungschefs Hamburg verlassen hatten, gab es in der Nacht zum 9. Juli (Sonntag) weiter Ausschreitungen. © dpa | Daniel Bockwoldt
Sie zogen die Wut vieler Demonstranten auf sich: Bundeskanzlerin Merkel, Gastgeberin dieses G-20-Gipfels, oder der russische Präsident Wladimir Putin. Sieht vielleicht unhöflich aus, war’s aber gar nicht: Hier ist die Begrüßung nur gerade vorbei.
Sie zogen die Wut vieler Demonstranten auf sich: Bundeskanzlerin Merkel, Gastgeberin dieses G-20-Gipfels, oder der russische Präsident Wladimir Putin. Sieht vielleicht unhöflich aus, war’s aber gar nicht: Hier ist die Begrüßung nur gerade vorbei. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Historischer Handschlag: US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Putin trafen in Hamburg zum ersten Mal persönlich aufeinander.
Historischer Handschlag: US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Putin trafen in Hamburg zum ersten Mal persönlich aufeinander. © Handout
Mit Spannung war dieses Treffen erwartet worden. Das Gespräch dauerte deutlich länger als erwartet und endete mit einer vereinbarten Waffenruhe in Syrien.
Mit Spannung war dieses Treffen erwartet worden. Das Gespräch dauerte deutlich länger als erwartet und endete mit einer vereinbarten Waffenruhe in Syrien. © dpa | Evan Vucci
Diese Geste sagt vermutlich nicht das, was viele Trump-Gegner gern hineininterpretieren würden, schließlich ist Angela Merkel – im Gegensatz zum selbsterklärten Nicht-Politiker Trump – Vollprofi.
Diese Geste sagt vermutlich nicht das, was viele Trump-Gegner gern hineininterpretieren würden, schließlich ist Angela Merkel – im Gegensatz zum selbsterklärten Nicht-Politiker Trump – Vollprofi. © dpa | Meek, Tore
Das attestierte der Präsident der Kanzlerin denn auch: Sie habe einen guten Job als Gastgeberin dieses Gipfels gemacht, sagte der 71-Jährige – und das sei nicht einfach gewesen.
Das attestierte der Präsident der Kanzlerin denn auch: Sie habe einen guten Job als Gastgeberin dieses Gipfels gemacht, sagte der 71-Jährige – und das sei nicht einfach gewesen. © dpa | Michael Kappeler
Auch Trumps Tochter Ivanka ist voll der Bewunderung für die deutsche Kanzlerin.
Auch Trumps Tochter Ivanka ist voll der Bewunderung für die deutsche Kanzlerin. © REUTERS | POOL
Mit Frankreich pflegt Kanzlerin Merkel gute Beziehungen, so etwa zum neuen französischen Ministerpräsidenten Emmanuel Macron. Hier sind die beiden im Gespräch mit Donald Trump zu sehen.
Mit Frankreich pflegt Kanzlerin Merkel gute Beziehungen, so etwa zum neuen französischen Ministerpräsidenten Emmanuel Macron. Hier sind die beiden im Gespräch mit Donald Trump zu sehen. © dpa | John Macdougall
Kulturprogramm: Die Macrons und und die Trumps nach dem Konzert in der Elbphilharmonie.  
Kulturprogramm: Die Macrons und und die Trumps nach dem Konzert in der Elbphilharmonie.   © Pool
In Hamburg traf auch die amerikanische First Lady Melania Trump zum ersten Mal auf den russischen Präsidenten Putin.
In Hamburg traf auch die amerikanische First Lady Melania Trump zum ersten Mal auf den russischen Präsidenten Putin. © REUTERS | SPUTNIK
Der Protest gegen den G20-Gipfel war nicht nur gewalttätig: Zehntausende G20-Gegner demonstrierten friedlich – und sehr kreativ, wie bei dieser Gruppe. Hunderte Schauspieler demonstrierten für mehr Menschlichkeit.
Der Protest gegen den G20-Gipfel war nicht nur gewalttätig: Zehntausende G20-Gegner demonstrierten friedlich – und sehr kreativ, wie bei dieser Gruppe. Hunderte Schauspieler demonstrierten für mehr Menschlichkeit. © GettyImages | Sean Gallup
Die Botschaft dieses Demonstranten dürfte klar gewesen sein.
Die Botschaft dieses Demonstranten dürfte klar gewesen sein. © dpa | Georg Wendt
Gewaltfreier Protest: Eine Demonstrantin formte vor Polizisten mit den Händen einen Herz.
Gewaltfreier Protest: Eine Demonstrantin formte vor Polizisten mit den Händen einen Herz. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Doch die Bilder, die an Krisengebiete erinnern, werden bleiben. Demonstranten suchten Schutz vor Wasserwerfern.
Doch die Bilder, die an Krisengebiete erinnern, werden bleiben. Demonstranten suchten Schutz vor Wasserwerfern. © dpa | David Young
Ein Anwohner des Schanzviertels in Hamburg.
Ein Anwohner des Schanzviertels in Hamburg. © Thomas Lohnes
Der Name der Eröffnungskundgebung der Anti-G20 Demonstration war offenbar Programm:
Der Name der Eröffnungskundgebung der Anti-G20 Demonstration war offenbar Programm: "Welcome to Hell" am 6. Juli (Donnerstagabend). Dieser Teilnehmer setzte auf musikalische Deeskalation. © dpa | Markus Scholz
Doch schon in der Nacht zu Freitag gab es im Schanzenviertel auch gewaltsame Ausschreitungen.
Doch schon in der Nacht zu Freitag gab es im Schanzenviertel auch gewaltsame Ausschreitungen. © dpa | Axel Heimken
Polizisten im Nebel der Wasserwerfer.
Polizisten im Nebel der Wasserwerfer. © dpa | David Young
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei.
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei.
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei. © REUTERS | KAI PFAFFENBACH
Bis Samstag waren schon mehr als 200 Polizisten bei den Ausschreitungen verletzt worden. Wie viele Demonstranten verletzt wurden, wurde zunächst nicht bekannt.
Bis Samstag waren schon mehr als 200 Polizisten bei den Ausschreitungen verletzt worden. Wie viele Demonstranten verletzt wurden, wurde zunächst nicht bekannt. © dpa | Bodo Marks
Neben der Gewalt schockierten auch die Plünderungen mehrerer Geschäfte in Hamburg viele Menschen.
Neben der Gewalt schockierten auch die Plünderungen mehrerer Geschäfte in Hamburg viele Menschen. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
Davon bekamen sie nur am Rande mit. Erinnerungsfoto: die G-20-Teilnehmer mit ihren Partnern.
Davon bekamen sie nur am Rande mit. Erinnerungsfoto: die G-20-Teilnehmer mit ihren Partnern. © dpa | Michael Kappeler
Nach dem Konzert aßen die Gipfel-Gäste gemeinsam in der Elbphilharmonie.
Nach dem Konzert aßen die Gipfel-Gäste gemeinsam in der Elbphilharmonie. © REUTERS | POOL
Die erste Arbeitssitzung aller G20-Mitglieder, geleitet von Kanzlerin Merkel. Direkt neben ihr saßen Chinas Präsident Xi Jingping (links) und einen Platz weiter US-Präsident Trump.
Die erste Arbeitssitzung aller G20-Mitglieder, geleitet von Kanzlerin Merkel. Direkt neben ihr saßen Chinas Präsident Xi Jingping (links) und einen Platz weiter US-Präsident Trump. © dpa | John Macdougall
Während die Staats- und Regierungschefs mit ihren Mitarbeitern das Arbeitsprogramm absolvierten, gab es für die Ehefrauen und -männer der Politiker und Politikerinnen Programm – etwa den Besuch des Hamburger Rathauses.
Während die Staats- und Regierungschefs mit ihren Mitarbeitern das Arbeitsprogramm absolvierten, gab es für die Ehefrauen und -männer der Politiker und Politikerinnen Programm – etwa den Besuch des Hamburger Rathauses. © dpa | Jens Büttner
„Engelchen flieg“: Vor den Ausschreitungen bezauberte viele dieses Bild von der Ankunft Justin Trudeaus. Kanadas Premier brachte nicht nur seine Frau Sophie, sondern auch den jüngsten Sohn Hadrien mit nach Hamburg.
„Engelchen flieg“: Vor den Ausschreitungen bezauberte viele dieses Bild von der Ankunft Justin Trudeaus. Kanadas Premier brachte nicht nur seine Frau Sophie, sondern auch den jüngsten Sohn Hadrien mit nach Hamburg. © Morris MacMatzen
Aufräumen nach den Krawallen.
Aufräumen nach den Krawallen. © dpa | Christian Charisius
Was bleibt vom G-20-Gipfel in Hamburg?
Was bleibt vom G-20-Gipfel in Hamburg? © dpa | Kay Nietfeld
1/34

Solche Gipfel haben nach wie vor ihre Berechtigung. Sie dienen erstens der Abstimmung, sind zweitens neben der UN das einzige Forum, wo sich die Präsidenten der Supermächte regelmäßig treffen, und drittens nicht so folgenlos, wie oft dargestellt wird. Wenn auch der Fortschritt eine Schnecke ist, so kommt man doch voran. Die Partnerschaft für Afrika etwa ist ein Schritt nach vorn, wiewohl bloß ein Trippelschritt.

Frage nach dem Gipfel-Format

Die G20 sind mitnichten aus der Zeit gefallen. Es gibt keinen Grund, auf sie zu verzichten; und Rücksicht auf den Mob wäre die letzte und so ziemlich die dümmste Begründung dafür. Gleichwohl muss die Frage erlaubt sein, ob das Gipfel-Format noch zeitgemäß ist, ob man solche Treffen nicht kleiner, bescheidener organisieren kann und womöglich im Ergebnis sogar produktiver.

Geht es auch eine Nummer kleiner?