Abendblatt-Autoren testen den Service der Luxuslabels in Hamburg. Dieses Mal: Der Juwelier Tiffany & Co. am Neuen Wall in der Innenstadt.

Mein frisch-hanseatisches „Moin“ zur Begrüßung wird nicht – wie erwartet – mit einem indignierten Stirnrunzeln des Personals quittiert. „Hallo!“ und „Guten Tag!“ kommen von den beiden Verkäuferinnen zurück, die gerade in Kundengesprächen sind. Zuckerwattesüß hört sich das an – aber ehrlich freundlich. Mit dezenter Mimik bedeuten sie mir, sich so bald wie möglich um mich zu kümmern. Für den Moment habe ich also ein bisschen Zeit, um mich umzuschauen. Tiffany – nie zuvor habe ich dieses edle Geschäft betreten. Nur ein Mal im New-York-Urlaub ehrfürchtig vor dem mehrstöckigen Hauptgeschäft an der Fifth Avenue gestanden, das seine Bekanntheit nicht zuletzt der Truman-Capote-Frühstücksnovelle und deren Verfilmung mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle verdankt.

Jetzt bin ich in der Hamburger Dependance am Neuen Wall – und ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht. Denn: Was immer ich mir an gleißender Parallelwelt aus Glanz und Glitzer vorgestellt habe – es entspricht nicht der Wirklichkeit. Die Ernüchterung begann bereits am Eingang: Kein Doorman steht hier bereit, um mich einzulassen. Stattdessen klebt ein Stück Papier mit der Aufschrift „Bitte drücken“ an der Tür, was eher an den Ein-Euro-Markt Tedi als an den Edeljuwelier Tiffany & Co. erinnert. Drinnen dann, wo ich nun warte, sieht das Ganze schon besser aus: beige-brauner Teppich, dezentes Licht, ein Strauß Lilien hinter dem Empfang und ein funkelndes Kristallmobile, das etwas seitlich im – übrigens sehr überschaubaren – Raum hängt. „So, junger Mann! Wie kann ich Ihnen helfen?“ Ich gehe gleich in die Vollen: „Einen Ring suche ich, für meine Freundin, mit der ich mich verloben möchte.“ Sie schwärme immer so von Tiffany und diesem ganz besonderen Tiffany-Schliff. „Ich allerdings, ich habe überhaupt gar keine Ahnung von Juwelen und solchem Schnickschnack“, sage ich, mich bewusst zur Anti-Klunker-Fraktion zählend.

Das aber scheint die Verkäuferin überhaupt nicht zu verschrecken, vielmehr gibt sie sich angespornt: Dieses Schmuckstück hier, schwärmt sie und deutet auf das von ihr herausgesuchte Kleinod, das habe fast ein halbes Karat und sei doch wohl ein wundervoller Brillant. Ich gebe ihr Recht, zucke allerdings bei dem dafür veranschlagten Preis von rund 4000 Euro merklich zusammen. Ob denn auch was für den kleineren Geldbeutel dabei sei? „Natürlich“, flötet die Verkäuferin und präsentiert mir dann auf Samt gebettet einen zweiten Diamantring. Der ist zwar deutlich kleiner, kostet aber auch nur ein Viertel seines Vorgängers. „Der ist sehr, sehr schön“, bestätige ich, „der gefiele meiner Freundin sicherlich.“ Mein Gegenüber ist ganz meiner Meinung: Jede Frau sei ganz verzaubert vom Tiffany-Schmuck, erzählt sie im Brustton der Überzeugung. Und ich habe weniger den Eindruck, dass sie mit mir Kasse machen will – sondern, dass sie am liebsten selbst ein Geschenk bekäme.

Bevor die Verkäuferin aus dem Schwelgen gar nicht mehr heraus kommt, interveniere ich – mit der Frage, ob sie nicht einen Katalog für mich habe. „Ich möchte mir zu Hause noch mal in Ruhe überlegen, welcher Ring am Finger meiner Freundin am besten aussehen würde.“ Kein Problem, erwidert die Dame. Bis jetzt ist übrigens noch überhaupt nichts ein Problem gewesen. Ich bekomme ein weiß-türkises Heftchen mit einem Brillanten drauf entgegengestreckt: „The Engagement Rings & Wedding Bands“. Und dann gibt’s auch noch Nachschlag: ein komplett türkisfarbenes Büchlein mit dem Titel „Ein Diamantring von Tiffany. Die gemmologischen Qualitätsmerkmale für überragende Brillanz“.

Darin offenbart sich das Alleinstellungsmerkmal des Juweliers von Weltrang: Nicht nur bei der Wahl der Steine ist Tiffany überaus wählerisch. So kommen lediglich von speziell ausgebildeten Gemmologen graduierte Diamanten in den Genuss eines Tiffany-Brilliantschliffs – was etwa fünf Prozent der weltweiten Funde entspricht. Den gängigen Qualitätsstandards („4 C“) wie Schliff, Reinheit, Farbe und Karatgewicht hat Tiffany ein fünftes Merkmal zugefügt: Unter Präsenz werden etwa Schliffpräzision, Symmetrie und Feinschliff beurteilt. Auch die Tiffany-Fassung ist die am meisten geschätzte und anerkannte Solitärring-Fassung. Seit seiner Einführung vor mehr als einhundert Jahren ist der Verlobungsring häufig kopiert, aber nie erreicht worden. Das Besondere daran ist die perfekte Anordnung der sechs Krappen, die den Diamant ins Licht heben. Durch die edle Facettierung kann der Stein dort seine überragende Brillianz entfalten.

Verlobung hin oder her – im Augenblick steht Dringlicheres an: der Geburtstag meiner Schwester. „Und die liebt Anhänger, gerne in Tierform. Katzen sind ihre Lieblingstiere.“ Ich bleibe im burschikosen Nachbarsjungen-Slang. Falls das die Verkäuferin stören sollte, dann schauspielert sie Oscar-reif darüber hinweg. „Folgen Sie mir bitte einmal“, sagt sie freundlich und führt mich so zielstrebig wie grazil in die andere Ecke des Verkaufsraums. „Katzen haben wir, glaube ich, nur in Gold“, sagt die Verkäuferin, nachdem sie mir zunächst ein paar der günstigeren Silber-Anhänger gezeigt hat, weil ich ausdrücklich nach „etwas halbwegs Günstigem“ verlangt habe. Schließlich blättert sie mir die Seiten eines anscheinend für den internen Gebrauch bestimmten Ordners vor und zeigt mir, was es generell so gibt – teilweise übrigens für unter 100 Euro. Nein, einen Anhänger-Katalog habe sie leider nicht für mich, antwortet die Dame auf meine Nachfrage und ich nehme ihr das Bedauern im Blick ab. „Aber schauen Sie mal auf unserer Internetseite unter dem Begriff ‚charms‘ in der Suchmaske – dann sollten Sie fündig werden.“

Mit dem Versprechen, das zu tun, sage ich der Tiffany-Verkäuferin dann endlich auf Wiedersehen. Jetzt, zum Schluss, verzichte ich auf das Kumpelhafte in meinem Tonfall, verzichte auf „ciao“ und „bis denn“. Statt dessen passe ich mich der gehobenen Atmosphäre an – als Dank für die nette Beratung.

Kundenfreundlichkeit: erstklassig. Trotz meiner etwas trotteligen Ehrlich-gesagt-weiß-ich-gar-nicht-was-ich-hier-soll-Attitüde half mir die Verkäuferin umsichtig, uneilig und mit sichtbarer Freude weiter.

Service: vorbildlich. Jedem Wunsch wurde mir ohne Umschweife entsprochen. Die Ringe, die mir gefielen, durfte ich eigenhändig begutachten. Zu den Katalogen gab’s nützliche Tipps, zum Beispiel: „Umtauschen können Sie bei uns jederzeit gegen Kassenbon binnen vier Wochen.“

Kompetenz: existent, keine Frage. Auf der suche nach kleinen Anhängern hätte ich mir gewünscht, dass das Personal mit dem Kunden gemeinsam nach Artikeln im Internet recherchiert.

Tiffany & Co., Neuer Wall 19, 20354 Hamburg, www.tiffany.de

Informationen zur Marke:

Charles Lewis Tiffany und John B. Young begründeten den Mythos Tiffany 1837 – zunächst als „stationery and fancy goods store“, also als Laden für Schreibwaren und aparte Ware. Seinerzeit benötigten die frischgebackenen Firmenväter noch einen 1000-Dollar-Vorschuss von Tiffanys Vater. Diese Finanznot sollte sich schnell ändern: Knapp zehn Jahre später verlieh die New Yorker Presse Tiffany den Titel „König der Diamanten“; bis 1870 hatte er den ersten Platz unter Amerikas Luxus-Händlern eingenommen. Um die Jahrhundertwende dann arbeiteten mehr als 1000 Beschäftigte bei Tiffany & Co. in New York und bei den mittlerweile eröffneten Zweigstellen in London, Paris und Genf. Seinen Weltruhm erlangte der Juwelier, als er die französischen Kronjuwelen erwarb. Schließlich belieferte Tiffany auch den kaiserlich-königlichen Hof in Wien.

In Deutschland betreibt Tiffany & Co. zurzeit fünf Filialen: außer in Hamburg noch in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München. Mit dem Vertrieb von Schmuck, Tafelsilber, Glas und Porzellan macht das Juwelierunternehmen heute knapp drei Milliarden Dollar Jahresumsatz. Während die Damenwelt für den legendären Verlobungsring schwärmt, ist bei einigen Herren die Vince-Lombardi-Trophy sehr begehrt– der Pokal für das jährlich stattfindende Finale der nordamerikanischen Profi-Football-Liga NFL.