Kurz vor dem heute beginnenden FDP-Bundesparteitag in Hannover hat Parteichef Guido Westerwelle die Debatte um mögliche Koalitionen nach der Bundestagswahl neu entfacht.

Hamburg

Nachdem Westerwelle im Abendblatt-Interview seine Absage an eine Ampelkoalition relativiert hatte und eine formelle Koalitionsaussage nun erst kurz vor der Bundestagswahl machen will, sprach sich der Chef der Jungen Liberalen (Julis), Johannes Vogel, sogar gänzlich gegen eine Koalitionsaussage aus. "Wir sollten keine Koalition ausschließen und einen Lagerwahlkampf vermeiden", sagte Vogel der "Berliner Zeitung".

"Es besteht keine Notwendigkeit, eine Koalitionsaussage so strikt zu formulieren, dass sie andere Bündnisse ausschließt." Es reiche zu sagen, mit wem die Liberalen am liebsten regieren wollten. "In einem Fünf-Parteien-System ist eine Grundflexibilität nötig", appellierte der Juli-Vorsitzende an die Mutterpartei. Parteichef Westerwelle hatte im Abendblatt betont, dass ein Bündnis mit SPD und Grünen "im Augenblick" inhaltlich ausgeschlossen sei. Zugleich hatte er beklagt, dass CDU/CSU sich bis heute ziere, "sich klar zu Schwarz-Gelb zu bekennen".

Die Angriffe des FDP-Vorsitzenden auf CDU und CSU wurden innerhalb der Union mit Verwunderung zu Kenntnis genommen. Man habe stets die klare Präferenz zugunsten der FDP betont, hieß es aus der CDU-Parteizentrale. Deutlicher wurde der Bundesvorsitzende der Jungen Union (JU), Philipp Mißfelder: "Die FDP ist unser absoluter Wunschpartner", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete dem Abendblatt. Mißfelder betonte: "Ich kämpfe dafür, dass die Große Koalition mit dem 27. September endet." Die Äußerungen Westerwelles im Abendblatt, wonach die FDP "ein klares Signal der Union" erwarte, wollte Mißfelder nicht kommentieren. Der JU-Chef sagte nur: "Ich verstehe mich sehr gut mit Herrn Westerwelle."

Demonstrativ nahm FDP-Vize Rainer Brüderle den Druck von seinem Chef, nach der Wahl koalieren zu müssen. "Guido Westerwelle hat schon jetzt Großes für die Liberalen in Deutschland geleistet, völlig unabhängig davon, wie die nächste Bundestagswahl ausgeht", sagte Brüderle der "Leipziger Volkszeitung".

Partei- und Wahlforscher empfahlen derweil Westerwelle, im Fall einer schwarz-gelben Koalition nach der Bundestagswahl auf das Außenministerium zu verzichten und stattdessen die Führung eines Superministeriums anzustreben. "Die FDP könnte ihr starkes innenpolitisches Profil am besten schärfen, wenn sich Parteichef Westerwelle für ein Superministerium Wirtschaft und Finanzen warm laufen würde", sagte Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner der "Bild"-Zeitung. In der Außenpolitik hätten die Liberalen dagegen kaum Möglichkeiten, sich von den anderen Parteien zu unterscheiden. "In der Finanz- und Wirtschaftspolitik hat die FDP einen wahrgenommenen Kompetenzvorsprung", ergänzte Parteienforscher Karl-Rudolf Korte.