Der nächste Karriereschritt erfordert viel Geduld. Die Ausbildung ist schwer und lang, die Arbeitsbelastung enorm. Doch junge Mediziner wie Mirko Bleidistel ziehen ihre Motiviation daraus, kranken und verletzten Menschen helfen zu können.

Silvester hatte Dr. Mirko Bleidistel alle Hände voll zu tun. "In diesem Jahr gab es rund doppelt so viele Notfälle wie im Jahr zuvor. Und es war alles dabei: Zersprengte Hände und Füße und sogar ein Mann mit einem Messer im Kopf", erzählt der Assistenzarzt, der in der Unfallchirurgie der Zentralen Notaufnahme (ZNA) der Asklepios Klinik Wandsbek eingesetzt ist. Der 35-Jährige steht nach gut sieben Jahren kurz vor seiner Prüfung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie.

Damit hat er sich für ein ziemlich aufreibendes Fachgebiet entschieden, das nicht jeder meistert. Die intensivmedizinische Sofortversorgung von Unfällen aller Schweregrade ist gerade für Berufsneulinge mit starken Emotionen verbunden. "Jeder muss erst lernen, wie er mit der Belastung umgeht. Ich habe schon so manchen enthusiastischen und engagierten jungen Arzt erlebt, der mit dem Blut und den Schicksalen nicht umgehen konnte."

Bleidistel war sich von Anfang an im Klaren über seine Berufsentscheidung. Er wusste, dass er ein "Notarzt der blutigen Sorte" werden wollte, also jemand, der zupackt und Leben rettet. Darum hat er sich schon während seines Zivildienstes für die Arbeit in einem Krankenhaus entschieden. "Ich dachte, wenn mir bei einem intensiven Blick hinter die Kulissen noch nicht die Lust vergeht, dann reicht die Motivation auch für das Studium."

Tatsächlich ist bei dem gut sechsjährigen Studium und der anschließenden Fortbildung Durchhaltevermögen gefragt. Nach dem Staatsexamen beginnt die mehrjährige Weiterbildung zum Facharzt, der wiederum nochmals eine Spezialisierung folgt. "Bis alles komplett ist, sind oft die 40 erreicht", sagt er.

Doch es ist nicht die langjährige Aus- und Weiterbildungszeit, die den Arzt irritiert. Die ist notwendig, um Wissen und Erfahrung zur Behandlung verletzter und kranker Patienten zu erlangen. Schließlich kommen neben der Akutversorgung jedes Jahr etwa 15 000 ambulante und 2300 stationäre Patienten in die Unfallchirurgie der Wandsbeker Klinik. Auch mit den unregelmäßigen Arbeitszeiten kann Bleidistel umgehen. Dienst am Wochenende oder an Feiertagen gehören ebenso dazu wie 24-Stunden-Bereitschaftsdienste. Vielmehr sind es ökonomische Zwänge, mit denen er hadert. "Die Medizin hat heute nichts Heroisches mehr. Dazu ist der wirtschaftliche Druck seitens des Gesundheitssystems zu groß."

Die weiteren Karriereaussichten sind gut, sowohl was die Aufstiegschancen im Krankenhaus angeht, als auch in der Selbstständigkeit - besonders wenn die Mediziner bereit sind, sich in ländlichen Gegenden niederzulassen, wo der Ärztemangel zunimmt. Zudem stehen Medizinern zahlreiche Alternativen in der Wirtschaft offen, etwa in der Beratung, im Marketing oder in der Medizin-IT. Bleidistel sieht seine Zukunft jedoch weiterhin im Krankenhaus. "Ich möchte nahe am Patienten arbeiten."

Doch wer sich für die kurative Laufbahn entscheidet, muss wissen: Zum Alltag gerade von Notfallmedizinern gehört es, unter physischer wie psychischer Belastung verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen sowie - buchstäblich - eine ruhige Hand zu bewahren. Das allerdings nicht notwendigerweise in der 23. Stunde eines Bereitschaftsdienstes. Da wird in der Regel der Arzt der Rufbereitschaft alarmiert. Trotzdem bleibt die Frage nach der Motivation bei so langen Dienstzeiten.

"Meine Motivation ziehe ich aus dem gesamten Wiederherstellungsprozess des Patienten", sagt Bleidistel. Wenn er die Diagnose stellt, bei der folgenden Operation assistiert und nach einem Dreivierteljahr beim Patienten die Platte entfernt - und so dessen fast vollständigen Heilungsverlauf verfolgen kann. "Das motiviert mich."