Jungen Talenten sollen Alternativen zur Führungskarriere geboten werden.

Hamburger Abendblatt: Frau Vogel, herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung. In Ihrem Vortrag haben Sie die demografische Welle beschrieben, die in den kommenden Jahren durch die Unternehmen rollt. Können Sie skizzieren, wie das in der Praxis aussieht?

Rachel-Maria Vogel: Gern. Ein Unternehmen erhebt jetzt, im Jahr 2009, den Ist-Zustand der Altersstruktur seiner Belegschaft und bildet dabei bestimmte Alterscluster, also 20 bis 24 Jahre, 25 bis 29 Jahre und so weiter. Dann wird die Alterstruktur in die Zukunft projiziert, also etwa ins Jahr 2015 oder 2020. Dabei verlagert sich der Schwerpunkt der Altersklasse, und zwar hin zu den älteren Semestern, deren Anteil in den Belegschaften der Unternehmen deutlich zunehmen wird.

Abendblatt: Derzeit ist der Wellenkamm bei denjenigen Mitarbeitern, die zwischen 45 und 49 Jahren sind. Hinter einer Welle kommt zwar das Wellental, danach aber wieder eine Welle. Was kommt also in Zukunft?

Vogel: Natürlich kommt dahinter wieder eine Welle. Wie groß diese sein wird, hängt davon ab, wie viele junge Mitarbeiter ein Unternehmen rekrutiert. Dennoch bleibt die Herausforderung, mit dem stetig größer werdenden Anteil älterer Arbeitnehmer im Alltag umzugehen.

Abendblatt: In vielen Firmen, aber auch bei öffentlichen Einrichtungen besetzt die Generation 40plus viele Führungspositionen. Diese Mitarbeiter altern nun auch in diesen Funktionen und blockieren auf Jahre hinaus den Aufstieg jüngerer Talente. Was bedeutet das konkret für die Personalentwicklung und Karriereplanung?

Vogel: Dieses Problem muss vom Personalmanagement unbedingt berücksichtigt werden. Bei jüngeren Mitarbeitern, die Karriere machen wollen, führen die eingeschränkten vertikalen Entwicklungsperspektiven schnell zu Frustration - und damit auch zu Abwanderung von Potenzialträgern. Um dem entgegenzuwirken, sind horizontale Entwicklungsmöglichkeiten zu implementieren.

Abendblatt: Was könnte das sein?

Vogel: Projekt- und Fachlaufbahnen auf Basis eines transparenten Systems. Dieses sollte klar formulierte Zugangskriterien sowie eine feste Verankerung und Wertschätzung der Positionen im Unternehmen vorsehen.

Abendblatt: Halten Sie die Fachkarriere wirklich für eine Alternative zur Führungslaufbahn? Oder ist das doch eher ein Notnagel?

Vogel: Entscheidend ist, wie die Unternehmensführung sich für Fachkarrieren engagiert und diese auch finanziell gestaltet. Lippenbekenntnisse helfen nicht. Das Modell der Fachkarriere muss als eine attraktive Alternative zur Führungslaufbahn gelebt werden. Die Mitarbeiter brauchen Beispiele im Unternehmen, die zeigen, dass dieser Weg funktioniert und keine Sackgasse ist.

Abendblatt: Das ist ein gutes Stichwort. Kommt man denn aus der Fachschiene wieder heraus und kann wieder auf die Karriereleiter steigen?

Vogel: Mein Appell an die Unternehmensführung lautet: Die Fachkarriere darf keine Parklücke sein, sondern es muss möglich sein, ohne Nachteile von der Projektlaufbahn in die Führungslaufbahn und zurück zu wechseln.

Abendblatt: Halten Sie es für realistisch, dass man die Fachkarriere genauso vergütet wie einen Führungsjob?

Vogel: Das ist eine unabdingbare Voraussetzung für dieses Modell. Nur so wird es langfristig gelingen, die sogenannten High Potentials ans Unternehmen zu binden. Interview: Mark Hübner-Weinhold

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