Berlin. Es muss nicht immer der Weg vor Gericht sein, der Streitfälle für Verbraucher löst. Wir zeigen, welche Chancen eine Schlichtung bringt.

Schlichtungsstellen für Verbraucher haben regen Zulauf. Die neutralen Mittler helfen, Geld, Zeit und Nerven zu sparen, wenn bei einem Geschäft etwas schiefgelaufen ist. Münden Streitigkeiten in ein Gerichtsverfahren, kann das langwierig und teuer werden – mit ungewissem Ausgang auf beiden Seiten.

Vermittler für einzelne Branchen wie Banken, Energie oder den Nahverkehr gibt es schon lange. Die Schlichtungsstelle der Versicherungswirtschaft in Berlin etwa gibt es bereits seit 2001. Gerade erst hat Versicherungsombudsmann Günter Hirsch für 2017 einen neuen Rekord verkündet: Fast 15.000 Beschwerden hätten ihn erreicht.

Weniger bekannt ist das Zentrum für Schlichtung, das in Kehl am Rhein ansässig ist. Es ist eine Auffangstelle für alle anderen Wirtschaftszweige, die ein solches branchenspezifisches Schlichterverfahren nicht haben. Damit kann das Zentrum eine Vielzahl aller Verbraucherstreitigkeiten in der Wirtschaft übernehmen – egal ob die Bluse anders aussieht als im Katalog gezeigt, die Rechnung fast doppelt so hoch ausfällt wie der Kostenvoranschlag oder das neue Smartphone nicht funktioniert. Ob der Vertrag im Geschäft oder online abgeschlossen wurde, ist dabei egal.

Streitmittler handeln nicht einseitig im Interesse des Verbrauchers

Das Bundesamt für Justiz hat die unabhängigen Streitmittler 2016 als „Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle“ anerkannt – ein Name, der leicht missverstanden wird: Anders als viele denken, handelt die Einrichtung nicht einseitig im Interesse des Verbrauchers. „Mit einer Verbraucherberatung und -vertretung darf die Schlichtung also nicht verwechselt werden. Schlichter stehen immer neu­tral zwischen den Parteien und gründen ihren Schlichtungsvorschlag auf Recht und Gesetz“, sagt Felix Braun, Vorstand des Zentrums.

Der große Vorteil für Verbraucher besteht darin, dass sie die unparteiische Stelle in der Regel kostenlos anrufen können – statt gleich Geld für Anwalt und Gerichtsprozess aufs Spiel zu setzen. Gerade bei geringen Streitwerten und offenem Ausgang einer Klage ist dies vielen zu riskant. In etwa der Hälfte der bearbeiteten Fälle gehe es um weniger als 500 Euro, berichtet das Zen­trum.

Schlichterspruch erfolgt in der Regel zügig

Vorteil Nummer zwei: Die Sache ist recht zügig vom Tisch. Laut Zentrum dauerte es 2017 im Schnitt 56 Tage bis zur Vorlage des Schlichterspruchs. Als Maximaldauer sind 90 Tage vorgesehen. Ist ein Verbraucher mit dem Einigungsvorschlag nicht einverstanden, kann er ihn ablehnen und den Rechtsweg immer noch beschreiten. Aber auch die Unternehmen sind nicht gezwungen, zuzustimmen. „Das Verfahren stellt daher für beide Seiten eine Chance dar, ohne auf andere Möglichkeiten zur rechtlichen Klärung verzichten zu müssen“, sagt Vorstand Braun.

Nach den Erfahrungen des Zen­trums lassen sich viele Fälle bereits lösen, indem den beiden Parteien die Rechtslage erläutert wird, die eine von ihnen zuvor falsch eingeschätzt hat. Andere Zwistigkeiten beruhen darauf, dass es zwischen den Streithähnen zu Missverständnissen oder einer Funkstille gekommen ist. Und schließlich: Auch Mittelwege der Einigung können mit den Parteien ausgelotet werden.

Unternehmen müssen Bereitschaft zur Schlichtung in AGB aufführen

Ein Beispiel: Ein Student buchte einen achtwöchigen Sprachkurs im Ausland samt Gastfamilien-Aufenthalt. Vor Ort stellte sich heraus, dass der Kurs nur sechs Wochen dauerte. Für die fehlenden zwei Wochen zahlte der Student Unterkunft und Verpflegung zunächst aus eigener Tasche, weil eine Umbuchung des Fluges noch teurer gewesen wäre. Als er das Geld vom Kursanbieter zurückverlangte, gab es Streit. Statt vor Gericht zu ziehen, stimmten beide Parteien dem Schlichterspruch zu: Das Unternehmen zahlte die Unterkunft, während der Student seine Verpflegungskosten trug, weil er ja auch einen Nutzen aus dem ungeplanten Urlaub hatte.

Wichtig: Damit die Schlichter tätig werden, muss der Verbraucher zunächst selbst erfolglos versucht haben, seine Beschwerde beim Unternehmen durchzusetzen. Zweite Voraussetzung ist, dass sich die Firma zur Teilnahme am Verfahren bereit erklärt. Tipp: Ob dies grundsätzlich der Fall ist, müssen alle Unternehmen ab zehn Beschäftigten auf ihrer Internetseite und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen angeben. Machen sie generell nicht bei Schlichtungen mit, müssen sie auch darüber informieren.

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Das Verfahren des Zentrums für Schlichtung läuft rein schriftlich. Anträge können über ein Online-Formular, per E-Mail, Fax oder herkömmlichem Postweg gestellt werden. Das Unternehmen muss eine Niederlassung in Deutschland haben, der Streitwert darf nicht unter zehn Euro und nicht mehr als 50.000 Euro betragen. Die Verfahrenskosten für Firmen betragen je nach Streitwert zwischen 50 und 600 Euro. Eine Liste aller Schlichtungsstellen für einzelne Branchen kann auf der Webseite des Bundesamtes für Justiz heruntergeladen werden.

In den ersten zwei Jahren seines Bestehens hat das Zentrum für Schlichtung nach eigenen Angaben 3525 Anträge erhalten, von denen 2620 in sei¬nen Zuständigkeitsbereich fielen. In 429 Fällen habe eine Einigung zwischen den streitenden Parteien erzielt werden können, was einer Erfolgsquote von 16,4 Prozent entspricht. „Oftmals reicht die bloße Weiterleitung des Antrags an das Unternehmen, damit dieses einlenkt – und dies, obwohl immer ein kürzerer oder längerer Streit zwischen den Parteien vorausgegangen war, der zu keiner Lösung, sondern meist eher zur Verhärtung führte“, sagt Vorstand Felix Braun.