Berlin. Marktforscher horchen am Puls der Zeit. Mit verschiedenen Methoden erfragen sie, was Kunden wollen und welche Ansprache ihnen gefällt.

Wie zufrieden sind Kunden? Auf welche Weise lassen sie sich an einen Dienstleister oder ein Produkt binden? Welche Werbung ist besonders erfolgreich? Und welchen Weg muss eine sinnvolle Preispolitik gehen? Nach den Antworten auf solche Fragen suchen Marktforscher.

Ihre Analysen beeinflussen Produkt- und Werbeentscheidungen von Industrie und Institutionen. In ihrer Funktion als Trendscouts sind sie wichtig für die Wirtschaft und gefragte Experten, denn sie ermitteln künftige Entwicklungen. Handel, Forschung oder Politik – alle wollen die Trends ihres Metiers kennen.

Abwechslung durch neue Projekte

Angesichts der Vielfalt an Themen und der enormen Feldbreite konzentrieren sich insbesondere die kleineren Marktforschungsunternehmen auf spezielle Bereiche und decken nicht jede Branche ab. Die Pharmaindustrie, Krankenkassen sowie die Medizintechnik sind zum Beispiel Auftraggeber von Studien der Berliner Firma „med­pirica“. Der Name des Unternehmens beschreibt schon, worum es geht: Medizin und empirische Forschung – also methodische Datensammlung. Die Marktforschung von „medpirica“ ist speziell auf den Gesundheitsbereich ausgerichtet.

„Es ist einfach spannend.“ Isabel Giesendorf schwärmt, wenn sie über ihre Arbeit spricht. „Jedes Projekt bringt was Neues“, sagt die Junior-Projektleiterin von „medpirica“. Gerade arbeitet sie an einer Präsentation. Auf ihrem Bildschirm: eine Theaterbühne.

Forschung findet sogar im Theater statt

Der Markt als Thema eines Schauspiels? Oder Marktforschung für die Theaterkunst? Die 27-Jährige lacht und klärt auf: „Unsere Forschung findet nicht nur am Telefon, am Computer oder auf der Straße statt“, sagt sie. Auch das Theater kann zu einem Ort der Marktforschung werden.

Die Teilnehmer einer Befragung würden dabei unter anderem an Rollenspielen teilnehmen. Dabei agieren sie nicht so kontrolliert wie im Rahmen einer klassischen Befragung. Und sie geben so jede Menge Informationen preis, die die jeweilige Studie voranbringen können. Solche Diskussionsforen gebe es für Mediziner und auch für Patienten.

Gesprächsrunden ergiebiger als Einzelbefragung

Die Aufgabe ist immer dieselbe: sich zusammen mit den anderen Teilnehmern mit einem konkreten Thema auseinandersetzen. Zum Beispiel bringe es inhaltlich mehr, eine Runde von Diabetes-Patienten zum Austausch über Essgewohnheiten einzuladen, als sie einzeln zu befragen, erklärt Isabel Giesendorf.

Dementsprechend braucht die Projektleiterin immer wieder neue kreative Ideen, um die Teilnehmer zum Erzählen zu bringen. Oft stünden dabei nicht nur isolierte Fragen der jeweiligen Untersuchung, sondern die Beziehung zu komplexen Strukturen des Gesundheitsmarktes im Mittelpunkt.

Viele Studiengänge führen zur Marktforschung

Marktforscher führen Vorgespräche mit den Teilnehmern, wählen eine passende Methode der Befragung aus, analysieren und präsentieren ihre Ergebnisse dann vor dem Kunden, der den Forschungsauftrag gegeben hat. Das eine, dafür qualifizierende Studium gibt es nicht. Isabel Giesendorf beispielsweise ist Soziologin. „Ich habe in München studiert und damals schon in der Marktforschung bei TNS Infratest gearbeitet“, erzählt sie. Das Handwerkszeug habe sie für ihren Beruf also mitgebracht. „Doch ich lerne ständig dazu“, sagt sie.

Über ein Praktikum kam sie vor einem Jahr zu „medpirica“. Das Büro beschäftigt 15 Marktforscher. Alle sind Akademiker, stammen aber aus unterschiedlichen Fachrichtungen. Markus Schöne ist einer der beiden Geschäftsführer. Er hat Volkswirtschaftslehre und Publizistik studiert. Über die Arbeit in einer Mediaagentur kam er zunächst zur Werbe- und Konsumgüterforschung.

Spezialisierung für Marktforscher sinnvoll

Vor vier Jahren stieg Schöne als Geschäftspartner von Gründer Michael Siewert, einem Wirtschafts- und Sozialgeografen, bei „medpirica“ ein. Die Marktforschung wachse weiter, davon ist er überzeugt. „Gerade im Bereich Gesundheit, der sehr komplex ist, tut sich sehr viel“, erläutert er. Eine Spezialisierung sei sinnvoll, weil die Kunden Ansprechpartner erwarten, die sich im jeweiligen Bereich auskennen.

Wie lässt sich fördern, dass Patienten ihre Medikamente regelmäßig einnehmen? Welche Anforderungen haben Patienten an einen Behandlungsstuhl? „Da nutzt es nichts, wenn man sich als Marktforscher mit Erfrischungsgetränken auskennt“, witzelt Markus Schöne.

Manchmal reichen Umfragen in Foren nicht aus

Je nachdem, welche Informationen über Märkte, Bevölkerungsgruppen, Zusammenhänge und Entwicklungen gefragt sind, müssen Marktforscher oft viele Daten erheben. In anderen Fällen kommen sie mit weniger Daten aus, müssen jedoch inhaltlich stärker in die Tiefe gehen. Dann reichen Umfragen in Foren oder Chats nicht aus, sondern es braucht persönliche Gespräche.

„Gestik und Mimik spielen dabei eine große Rolle“, erklärt Michael Siewert. „Das lässt sich nicht telefonisch oder online abfragen.“ Brauchen Marktforscher dafür eigentlich auch Fremdsprachen? Die Forschung sei zumindest zum Teil international und erstrecke sich nicht selten über mehrere Kontinente, erklärt Siewert. „Englisch muss sitzen.“

Größere Firmen leisten sich eigene Statistiker

Oft arbeiten Marktforscher als externe Dienstleister. Doch gerade größere Firmen leisten sich ihre eigene Marktforschung und stellen entsprechendes Personal ein. Christian Müller etwa leitet die Abteilung „Research & Category Management“ des Süß­waren­herstellers Storck. Ihn interessieren vor allem die Marktchancen und -risiken der eigenen Produkte, aber auch die von Konkurrenzerzeugnissen.

Vor einem halben Jahr übernahm Müller das Team von zehn Mitarbeitern, mit dem er Marktpotenziale und Bedürfnisse der Konsumenten ins Auge fasst. Die Mitarbeiter werten beispielsweise die Entwicklung von Märkten und Marken aus und sammeln Daten aus Werbe­aktionen und -kampagnen. Ziel ist, daraus Empfehlungen für die Produktentwicklung oder die Vermarktung eines Artikels abzuleiten.

Erfahrungen aus Verkauf, Marketing und Forschung

„Von der Konzeptentwicklung über Markttest bis zur Auslieferung in alle Handelsregale – das ist ein komplexer Vorgang, der durchaus Jahre dauern kann“, sagt Christian Müller. Der 46-Jährige betont, wie eng Marktforschung, Marketing und Verkauf verbunden sind. Der Betriebswirtschaftler sammelte in all diesen Bereichen Erfahrungen und trägt nun in seiner Leitungsposition die Verantwortung dafür, dass Storck-Produkte auch weiterhin den Ge­schmack der Kunden treffen.

Noch ganz am Anfang seiner beruflichen Laufbahn steht Pascal Jander. Der 21-Jährige ist Auszubildender beim Berliner Marktforschungsunternehmen Hopp & Partner. Seine Ausbildung zum Fachangestellten für Markt- und Sozialforschung ist noch relativ neu. Den staatlich anerkannten Beruf gibt es erst seit zehn Jahren. „Ich habe über einen Kumpel davon erfahren“, erzählt Pascal Jander. Der Beruf interessierte ihn, er habe sich dann weiter eingelesen.

Immer öfter auch Apps im Einsatz

Nach seinem Fachabitur in Wirtschaft und Verwaltung sowie erster Berufserfahrung als kaufmännischer Assistent hatte er eigentlich ein Studium für Politik und Verwaltung geplant. Doch die Idee, den akademischen Weg einzuschlagen, warf er über Bord.

Was er bislang nicht bereut hat: „Dieser Beruf bietet viel Abwechslung und immer neue Untersuchungsmethoden“, sagt Jander. Er denkt dabei zum Beispiel an Brillen, die Augenbewegungen des Trägers erfassen. So ließe sich erkennen, welche Werbemittel als sogenannter Eyecatcher, also als Hingucker funktionieren. Um insbesondere junge Leute zu erreichen, kämen zunehmend auch Marktforschungs-Apps zum Einsatz, erklärt Pascal Jander. Die Umfrageteilnehmer bekommen die Fragen so über ihre Smartphones gestellt.

Kaufmännische Erfahrung nützlich

Pascal Jander ist vollends zufrieden mit seiner Ausbildung und froh, dass sein Freund ihm damals davon erzählt hat. Der Beruf des Fachangestellten für Markt- und Sozialforschung spricht im Übrigen offensichtlich eher Männer als Frauen an. „Wir sind in der Berufsschule zehn Leute, darunter nur drei Frauen“, erzählt der 21-Jährige.

Seine kaufmännische Erfahrung nützt ihm. Sie kommt ihm sowohl in der Schule als auch bei der Arbeit in der Agentur zugute. Konkrete Pläne für die Zukunft hat Pascal Jander allerdings noch nicht. Zumindest weiß er, was er nicht will: Der angehende Marktforscher sieht sich nicht als „reinen Daten-Onkel“. Er will das ganze Paket – mit Kundenkontakt und viel Abwechslung.