Wie lassen sich Kind und Ausbildung oder Studium miteinander vereinbaren? Wir fragten zwei Hamburger Mütter

Janke Reuschel hat kein Auto. Sie erledigt alles mit dem Fahrrad. Auch die Wege zur Kita, wenn sie ihre Tochter Marlia morgens hinbringt und um 16 Uhr wieder abholt. "Zwischen 9 und 16 Uhr muss ich alles schaffen", sagt die junge Mutter. Dafür steht sie um 6 Uhr jeden Morgen auf. Auf Jankes täglichem Programm stehen außer der Versorgung ihrer kleinen Tochter das Studium an der Uni Hamburg und die Arbeit am Institut für Friedensforschung - 20 Stunden pro Woche. "Ich muss mich gut organisieren", sagt Janke.

Die 30-Jährige studiert Sozialökonomie - eine Mischung aus BWL, VWL und Soziologie - und schreibt gerade an ihrer Bachelorarbeit. Manchmal sei es nicht einfach, alle Uni-Veranstaltungen in die Zeit bis 16 Uhr zu pressen, denn einige interessante Seminare laufen am Abend. Wenn Marlia schläft, kann Janke in Ruhe lernen. Und wann schläft sie selbst? "Im Schnitt reicht es nur für maximal fünf Stunden." Sie habe schon ein großes Schlafdefizit, gibt Janke zu.

"Wenn ich bei Bewerbungen meine Tochter July erwähnt habe, kam mein Gesprächspartner am Telefon ins Stocken", erzählt Marika Junker. Die junge Mutter macht eine Ausbildung zur Personaldienstleistungskauffrau bei Hanseteam. Ihre Tochter ist sechs Jahre alt und wurde gerade eingeschult.

Sie sei stressresistent, teamfähig, freundlich und habe eine gute Menschenkenntnis, beschreibt Marika ihre Stärken. "Meine Geschwister, ich habe vier, haben mir geraten Psychologin zu werden, wegen meiner guten Menschenkenntnis und weil ich immer so viel hinterfrage." Diese Stärke ist nun allerdings auch in ihrem Beruf ein großer Vorteil, denn sie muss den geeigneten Bewerber mit dem passenden Unternehmen zusammenbringen. Die Ausbildung zum Personaldienstleistungskaufmann ist neu. Es gibt sie erst seit August vergangenen Jahres.

Beide jungen Frauen sind nicht nur engagierte alleinerziehende Mütter, die ihre Erziehungsaufgabe sehr ernst nehmen. Sie sind zudem noch lernende und arbeitende Frauen. Diese vielen Aufgaben erfordern ein klares Zeitmanagement und ein ständiges Setzen von Prioritäten. Fähigkeiten, die Personalentscheider schätzen, die jedoch Marika und Janke nicht in die Wiege gelegt wurden.

Auch der Weg bis zur Ausbildung verlief bei ihnen nicht ohne Hindernisse. Marika Junker machte nach ihrem Abschluss an der kaufmännischen Handelsschule drei Praktika - in der Schifffahrt, in der Spedition und im Fachhandel. Für ihr Berufsziel stand eines fest: "Ich wollte unbedingt mit Menschen zu tun haben. Und in der Personaldienstleistung arbeitet man mit sehr unterschiedlichen Menschen zusammen. Jeder Tag bringt neue Erfahrungen." Marika las im Internet eine Anzeige von Hanseteam. Von dem Beruf hatte sie bis dahin noch nichts gehört. Sie bewarb sich bei mehreren Firmen und erhielt fünf weitere Einladungen zu Vorstellungsgesprächen. "Bei den ersten Gesprächen war klar, auch wenn es nicht direkt ausgesprochen wurde, dass ein Kind für die Arbeitgeber ein Problem darstellt", erzählt Marika. Vor diesem Hintergrund und mit einem mulmigen Gefühl hatte sie dann ihr Vorstellungsgespräch bei Hanseteam. Dort saß sie zwei Herren und einer Dame gegenüber. Da wusste sie schon, dass es Mitbewerber gibt. Einer war ledig und hatte Abitur. Dennoch erhielt Marika den Ausbildungsplatz. Hat sie einen Tipp für andere junge Bewerber? "Ich habe an mich geglaubt und meine Bedenken einfach weggeschoben", sagt die junge Frau, die als Kleinkind mit ihrer Familie aus Polen nach Deutschland kam.

Zusätzlich zu ihrer Ausbildung macht Marika die Weiterbildung Personalmanagement. Dafür geht sie dienstags und donnerstags nach der Arbeit, wenn ihre Kollegen bereits Feierabend haben, von 18 bis 21.15 Uhr in die Handelskammer. Wenn diese Weiterbildung geschafft ist, steht als nächste Qualifizierung Arbeitsrecht auf dem Programm. Das sei zwar ein trockener Stoff, jedoch wichtig für ihren Beruf.

In ihrem Arbeitsalltag bei Hanseteam komme sie sich nicht wie eine Auszubildende vor. "Ich konnte schnell eigenverantwortlich arbeiten, mir einen Kundenstamm aufbauen und eigene Arbeitsbereiche abdecken." Ideen und Eigeninitiative seien in ihrem Job gefragt. Dass sie beides hat, beweist Marika täglich als Mutter. "Mein Kind gibt mir viel Mut. Ich habe einen ganz anderen Blickwinkel auf alles gewonnen."

Ein Kind zu bekommen sei "das Spannendste und Herausforderndste" was ihr passiert sei, sagt Janke. "Ich wollte nicht unbedingt Kinder." Jetzt kommt Marlia in ihrem Leben an erster Stelle. Abends liest Janke ihr eine Geschichte vor, singt ein Lied zum Einschafen und hört sich die Erlebnisse und Nöte ihrer Tochter an. Während Marikas Eltern auch mal bei der Betreuung der Enkelin einspringen, ist Janke allein. "Meine Mutter arbeitet Vollzeit." Sie habe gelernt, um Hilfe zu bitten - in der Kita und bei einer Freundin. Mit ihr wechselt sie sich ab, beim Abholen und Hinbringen zur Kita. "Aber krank werden darf Marlia nicht", sagt sie lächelnd, "und ich sowieso nicht."

Manchmal sei es schwierig gewesen, alles zu schaffen, gibt die junge Mutter zu. Wenn Klausuren frühmorgens angesetzt sind, wenn sie auf Seminare verzichten muss und auch niemand zuständig ist für junge Mütter, die studieren und arbeiten. "Nicht einmal die Sozialberatung an der Uni wusste Bescheid."

Im Oktober wird Janke, wenn alles klappt wie geplant, ihren Bachelor in der Tasche haben und in zwei Jahren den Euromaster. Die Arbeit in der Personalabteilung eines multinationalen Konzerns oder in Brüssel reizt sie. "Das wäre ein Traum." Sprachlich wäre es kein Problem, denn Janke spricht Englisch, Spanisch, Niederländisch und Französisch. Sie hat ein Jahr in England und eines in der Dominikanischen Republik gelebt sowie drei Jahre in Holland. Ach ja, in Schweden war sie auch - für ein Auslandssemester - "aber Schwedisch spricht meine Tochter besser als ich".

Quelle: www.berufe.tv

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