Erst fanden sie keinen Ausbildungsplatz. Aber jetzt beweisen die 50 Jugendlichen vom Kaufhaus “bezahlBar“, was in ihnen steckt

Arbeitgeber fordern Leistungsbereitschaft, gute Noten und Pünktlichkeit. Bewerber ohne Schulabschluss haben da oft ziemlich schlechte Karten. Auch Schulabgänger, die nur einen Hauptschulabschluss vorweisen können oder besondere Förderung brauchen, finden oft keinen Ausbildungsplatz. Gut 50 junge Leute, die auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance hätten, können jetzt in einem neuen Projekt der Jugendbildung Hamburg zeigen, was in ihnen steckt. Sie betreiben selbstständig das Sozialkaufhaus "bezahlBar" an der Barmbeker Habichtstraße 126 - ein Geschäft, in dem nur Bedürftige einkaufen dürfen.

Die Mitarbeiter des "bezahlBar" sind zwischen 16 und 25 Jahre alt. Sie alle machen eine Ausbildung bei der Jugendbildung Hamburg, zum Beispiel als Tischler, Verkäufer oder Bürokaufmann. Bevor sich Ende April die Türen des Projekts bei Musik und Häppchen öffneten, wurde geplant und organisiert, renoviert und dekoriert. Die Mitarbeiter trugen Warenspenden zusammen, wuschen und reparierten Secondhand-Kleidung, räumten Regale ein.

Das Projekt macht gleich zwei Dinge möglich: Zum einen sammeln die Azubis Praxiserfahrung und halten das Projekt ganz allein am Laufen - von der Personalplanung über die Warenaufteilung bis hin zu Kostenrechnung, Verkauf und Kasse. Zum anderen hat das Sozialkaufhaus für Geringverdiener und Transferleistungsempfänger eine günstige Einkaufsmöglichkeit geschaffen, die gleich vom ersten Tag an begeistert angenommen wurde. Zum Verkauf stehen hier hauptsächlich gebrauchte und teilweise auch neue Kleidung zu niedrigen Preisen.

"Zu sehen, wie sich jetzt alles zusammenfügt und unsere Eröffnung klappt, ist ein tolles Gefühl", sagt die 20-jährige Ann-Christin Engelke. Vergessen sind die anstrengenden Tage gerade in der Endphase oder die unschönen Erfahrungen, wenn etwa eine Ladung gespendeter Kleidung alle üblichen Hygienevorstellungen über den Haufen warf. "Da mussten wir dann eben mit Handschuhen ran", erklärt Ann-Christin achselzuckend.

Sie absolviert bei der Jugendbildung Hamburg ihre Ausbildung zur Verkäuferin. Wer sie bei der Arbeit beobachtet, fragt sich, warum sie Unterstützung nötig hat. Zuständig für das Catering bei der Eröffnung, hat sie ein wachsames Auge auf einen Kollegen, der gerade ein voll beladenes Tablett durch den Laden balanciert. Schon einen Moment später wechselt sie mühelos in die Rolle der Kleidungsverkäuferin, als eine Kundin Rat bei ihr sucht. Ein kurzes Gespräch in Sachen Größe und Stil, und die Kundin eilt zufrieden mit ihrer Ware zur Kasse.

Dort erwartet sie Maikl Ahmadian. Brummt der Laden, hat das Kassenteam Hochkonjunktur. Da wird es denn auch mal stressig, für den 23-Jährigen, der eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel absolviert. "Aus irgendeinem Grunde kommen immer alle auf einmal", lacht er. Doch der Kundenkontakt liegt ihm, und auch der soziale Ansatz des Projektes gefällt ihm: "Unsere Kunden können bei uns echte Schnäppchen machen. Eine junge Mutter hat gerade mit drei Tüten voller Spielzeug, T-Shirts und Pfannen unser Geschäft verlassen, die war vielleicht begeistert!" Auch Maikl macht einen engagierten, kompetenten Eindruck. Wo also liegen die Probleme?

"Die sind so vielfältig wie die Teilnehmer selbst", erklärt Wolfgang Schönewolf von der Jugendbildung Hamburg. Seit über 30 Jahren bildet das gemeinnützige Tochterunternehmen der Stiftung Berufliche Bildung (SBB) in rund 25 verschiedenen Gewerken aus. Das Ziel dabei ist immer, die Jugendlichen noch während der Ausbildung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis zu überführen.

"Etwa ein Drittel schafft das ziemlich schnell. Sie haben den Ernst der Lage begriffen und geben Gas", sagt Schönewolf. Ein weiteres Drittel brauche Hilfe mittels Nachschulung bestimmter Qualifikationen. "Und das dritte Drittel braucht intensive Unterstützung etwa in Form von Förderunterricht oder auch psycho-sozialer Begleitung." Das könne ein soziales Training sein, zum Beispiel zur Konfliktbewältigung, oder auch individuelle Hilfestellung bei der Wohnungssuche oder der Schuldenbewältigung. "Fakt ist: Wir haben es hier zum Teil mit haarsträubenden sozialen Umfeldern und manchmal geradezu tragischen Schicksalen zu tun", sagt Schönewolf.

Die konjunkturelle Lage macht die Situation noch schwieriger. "Die Zahl der Ausbildungsplätze, die sich an Hauptschüler richten, hat klar abgenommen", sagt Wolfgang Vogt, Betriebsleiter bei der Jugendbildung Hamburg. Dabei zeigt das "bezahlBar", dass auch Hauptschüler, Förderbedürftige oder gar Schulabbrecher große Dinge auf die Beine stellen können. "Wir haben in den letzten Monaten unglaublich viel erlebt und gelernt", resümiert die Auszubildende Ann-Christin den Erfolg des Barmbeker Projekts. "Klar gab es auch mal Spannungen. Aber ich möchte diese Zeit auf keinen Fall missen."