Frankfurt. Seit gut einem Jahr sprechen Stellenausschreibungen in Deutschland nicht mehr nur zwei Geschlechter an. Bislang ist der Effekt überschaubar.

Ein Jahr nach der Einführung der dritten Geschlechtskategorie "divers" sind in deutschen Großkonzernen bislang kaum entsprechende Bewerbungen eingegangen.

"Das überrascht mich nicht", sagte Anwältin Friederike Boll, die regelmäßig Betroffene von Diskriminierung in diesem Bereich rechtlich vertritt, der Deutschen Presse-Agentur. Seit sich intersexuelle Menschen seit Anfang 2019 in der Kategorie "divers" ins Geburtenregister eintragen lassen können, müssen auch Arbeitgeber ihre Stellenanzeigen geschlechtsneutral formulieren - etwa mit den Abkürzungen (m/w/d).

Viele Unternehmen haben bisher keine einzige Bewerbung in der dritten Kategorie erhalten, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergeben hat. Dazu gehören der Pharmakonzern Bayer, das Essener Energieunternehmen Eon, die Deutsche Bank oder Vodafone. Andere Unternehmen geben an, das Geschlecht nicht zu erfassen, so die Commerzbank oder die Continental-Versicherung. "Es ist zu begrüßen, wenn die Geschlechtskategorie wenig erfasst wird", meint Anwältin Boll. Schließlich solle das Geschlecht bei der Auswahl keine Rolle spielen.

Einen Ausreißer in der Umfrage stellt die Deutsche Post dar, bei der nach eigenen Angaben bereits 700 Bewerbungen mit der Geschlechtsangabe "divers" eingegangen sein sollen. Es könne aber sein, dass sich Menschen dort eingruppiert hätten, weil sie sich nicht zu ihrem Geschlecht äußern möchten, sagte eine Sprecherin. Anwältin Boll meint dazu: "Ich kann auch gut verstehen, wenn Leute sagen: Was geht mein Geschlecht meinen Arbeitgeber an? Die Diskriminierungsgefahr ist weiterhin groß."

Während sich die Stellenausschreibungen ziemlich flächendeckend angepasst hätten, gebe es immer noch großen Aufholbedarf bei Online-Shops, sagt Boll. Müsse man dort seine Kontaktdaten angeben, habe man weiterhin oft nur die Auswahl zwischen "Herr" und "Frau" - dabei gälten dafür eigentlich die gleichen rechtlichen Grundlagen.

Den Änderungen liegt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, die die bisherige Pflicht, sich zwischen männlich und weiblich entscheiden zu müssen, als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wertete. Bei intersexuellen Menschen sind die Geschlechtsmerkmale, also etwa Chromosomen, Hormone und Genitalien, nicht eindeutig ausgeprägt. Die Nachfrage nach Umtragungen blieb in den ersten Monaten nach der Neuregelung jedoch sehr gering. Bei den Standesämtern der großen deutschen Städte gab es lediglich einige Dutzend Anfragen zu vermelden.