Berlin. Ginetta Fassio entwickelt Technik für DJs und Musikproduzenten. Ihr Studium zur Tonmeisterin erweist sich dafür als perfekte Grundlage.

Es ist wie Musikmachen nach Farben: Die Künstler drücken auf einem quadratischen Gerät gelb, rot oder blau leuchtende Pads und aus den Lautsprechern feuert der Beat, eine Melodie unterlegt mit harten Bässen zum Beispiel.

„Das ist ein modernes Musikin­strument“, sagt Ginetta Fassio (33) über den Controller – Gerät plus Software –, den ihr Arbeitgeber Native Instruments gebaut hat und den sie zurzeit mit ihrem Team weiterentwickelt.

Das Prinzip: Musiker spielen Sounds, Akkorde und Effekte auf ihren Computer und haben über den Controller Zugriff auf die Software. So können sie Basslinien, Akkorde, Melodien und Drumbeats erstellen.

Das geht auf der Bühne genauso wie im Studio, wenn sie Musik komponieren und produzieren. „Sinn der Sache ist, dass die Musiker nicht direkt am Computer arbeiten müssen, sondern den Con­troller wie ein Instrument nutzen können“, sagt die 33-Jährige.

Als Projektleiterin führt sie zehn Mitarbeiter

Ginetta Fassio ist seit einem Jahr als Projektleiterin bei Native Instruments für die Hardwareentwicklung zuständig. Zurzeit arbeiten sie und ihr zehnköpfiges Team an einem Folgeprojekt des Controllers. Ihre zentralen Aufgaben: Budgetverantwortung und Zeitplanung.

Fassio arbeitet eng mit der Entwicklungsabteilung zusammen und mit der Niederlassung in China, wo die Hardware hergestellt wird. Dienstreisen nach China gehören dazu. „Dank meiner technischen Ausbildung kann ich mit Ingenieuren und Entwicklern auf Augenhöhe kommunizieren“, sagt die Diplom-Tonmeisterin.

„Ich wollte was mit Musik machen“, erklärt sie. Schon von Jugend an spielt Ginetta Fassio Klavier und singt. Da sie sich jedoch nicht als professionelle Musikerin sah, wollte sie „Musik aufnehmen und produzieren lernen“.

Ihr Weg führte sie an die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf in Potsdam, wo sie im Jahr 2010 den Diplom-Studiengang Tonmeister abschloss. Heute heißt der Bachelorstudiengang „Sound“ und der Masterstudiengang „Sound for Picture“.

Fassio lernte dort, eine Tonproduktion von der Aufnahme bis zur Mischung durchzuführen, den Umgang mit technischem Equipment und die Tonproduktion für Filmaufnahmen.

Forschung an Audio-Medien für Hörgeschädigte

Ihre Diplomarbeit verfasste sie zum Thema Optimierung audiovisueller Medien für Hörgeschädigte. Ihre Motivation: Besonders ältere Fernsehzuschauer klagen häufig über die schlechte Tonqualität von Fernsehsendungen.

Gemeinsam mit ihrem Kommilitonen Christian Simon entwickelte sie ein Verfahren für eine alternative Tonspur mit besserer Akustik, die beispielsweise beim Fernsehen abgerufen werden kann.

Im Jahr 2011 machten die beiden ihre Idee zu einem Geschäftsmodell und gründeten das Start-up „Easy Listen“. Nach drei Jahren stieg Ginetta Fassio wieder aus – trotz vieler Preise, die sie für ihre Idee gewannen, konnte sie nicht so viel bewegen, wie ihr vorgeschwebt hatte.

„Aber wir haben die Idee auf den Weg gebracht, die jetzt andere weiterentwickeln“, sagt sie.

Seminare für Existenzgründer belegt

Es war in der Zeit der Gründung ihres Start-ups, als sie ihre Passion für Betriebswirtschaft entdeckte. In Existenzgründungsseminaren und durch ei­nen persönlichen Coach lernte sie viel über Buchführung, Organisation eines wirtschaftlichen Betriebs, strategische Überlegungen und langfristiges Denken.

„Ich fand es spannend zu sehen, was alles möglich ist, wenn man die Regeln des betriebswirtschaftlichen Handelns kennt.“ Sie nutzte ihr neu erworbenes Wissen: Für eine Firma, die Tontechnik für Filmproduktionen herstellt, baute sie als Betriebsleiterin und Prokuristin die europäische Niederlassung in Berlin auf.

Fassio arbeitete dort, bis sie ihr erstes Kind bekam. Als sie nach der Elternzeit wieder voll einsteigen wollte, sei ihr „durch die Blume“ gesagt worden, dass sie als junge Mutter nicht mehr interessant für den Arbeitgeber sei.

„Das war bitter“, sagt die 33-Jährige rückblickend. Bis dahin war sie vom Erfolg immer verwöhnt worden. „Es verläuft geradlinig und gleichberechtigt, bis das erste Kind kommt“, sagt sie heute. Dann gebe es den Karriereknick.

Andere Frauen auf ihrem Karriereweg unterstützen

Die unfreiwillige Auszeit nutzte sie, um sich weiterzubilden. Sie besuchte Seminare über betriebswirtschaftliche Strategie und agile Arbeitswelten.

Fassio lernte viel über bedarfsgerechte Arbeitszeiten, über projektbezogene Organisation und über Firmenkulturen, in denen Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern auf Augenhöhe kommunizieren.

Zudem nahm sie Kontakt zum Gründerinnenzentrum Weiberwirtschaft auf. „Ich wollte ehrenamtlich tätig werden“, sagt sie. „Meine Ambition war und ist, Frauen auf ihrem Karriereweg zu unterstützen.“

Sie hatte ja gerade selbst die Erfahrung gemacht, wie schnell eine berufliche Laufbahn ins Schlingern geraten kann. Inzwischen sitzt sie im Aufsichtsrat des genossenschaftlich organisierten Zentrums.

Neustart beim neuen Arbeitgeber

Beim neuen Arbeitgeber Native Instruments nahm ihre Karriere wieder Fahrt auf. „Obwohl ich da schon Mutter von zwei kleinen Kindern war“, sagt die Projektleiterin.

Sie profitiert von flexiblen Arbeitszeiten und einer Firmenkultur, der nur das absolut notwendige Maß an Bürokratie zugrunde liegt. Auch auf die Unterstützung durch ihren Ehemann kann Ginetta Fassio zählen. Das ermöglicht es ihr, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Die 33-Jährige liebt ihren Job: „Musik ist immer noch Teil meines Berufs“, sagt sie. „Aber jetzt bin ich für die Hardware verantwortlich, damit andere schöne Musik machen können.“