Berlin. Drehbuchautoren brauchen Fantasie und Ausdauer. Wer erfolgreich sein will, muss ein Netzwerk haben und die wichtigen Leute kennen.

Für ihren Abschlussfilm an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München konnte Judith Westermann (33) Ulrike Folkerts gewinnen. Für die bekannte Schauspielerin sei es eine Herzensangelegenheit gewesen, bei der Transgender-Geschichte mit­zuspielen. Gagen gab es nämlich nicht.

Ein Herzensprojekt war der Kurzfilm auch für die Drehbuchautorin und Regisseurin: Mit „Feiert Eileen!“ schloss Judith Westermann 2017 ihr Studium „Regie Kino- und Spielfilm“ an der HFF ab. Der 25-minütige Film läuft seitdem international erfolgreich auf Festivals und heimst Preise ein.

Die Geschichte handelt von Eileen, die sich in ihrem männlichen Körper namens Leon gefangen fühlt. Irgendwann entscheidet sie sich, als Frau zu leben. Ihre beste Freundin Ella will zu diesem Anlass eine Party veranstalten. Sie lädt Freunde und Familie ein, aber niemand kommt. Also gehen die beiden Jugendlichen auf die Suche nach den Gründen.

Grundlage der Filmstory ist immer ein Konflikt

Geschichten wie diese sind die Grundlage für Filme: Ausgangspunkt ist immer ein Konflikt, der gelöst werden muss. Für „Feiert Eileen!“ hat Judith Westermann das Drehbuch verfasst.

Aber sie hat den Film auch inszeniert. Das ist keine typische Kombination für Drehbuchautoren, aber eine, die sie weiter verfolgen möchte.

Zurzeit schreibt Judith Westermann hauptsächlich Dreh­bücher für andere Regisseure. In ihrem Kopf entstehen die Ideen für Filme und Serien. Sie denkt sich Handlungen aus, entwirft Szenen, entwickelt die Figuren für ihre Geschichten und schreibt die Dialoge.

Auftraggeber lassen Storys weiterentwickeln

Zum einen bietet die 33-Jährige ihre eigenen Geschichten den Produzenten von Filmen und Serien an. Zum anderen kommen die Auftraggeber mit den Grundzügen einer Geschichte, die sie weiterentwickeln soll, auf sie zu.

„Es muss eine Idee sein, an die ich andocken kann“, sagt Westermann. Dann recherchiert sie. Das ist ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit. Die 33-Jährige versucht, Zugang zur Geschichte zu finden, zu der Zeit, in der sie spielen soll, und zu den Figuren.

Je mehr Gedanken sie sich dazu macht, umso mehr Bilder entstehen in ihrem Kopf, erzählt sie. „Durch die Figuren, um die es geht, entsteht dann der ganze Mikrokosmos, in dem die Geschichte angesiedelt ist.“ Wenn sie diesen Zugang nicht finde, sei es keine Geschichte, die sie erzählen könne. Dann liegt sie vielleicht einem anderen Drehbuchautor mehr.

Mehrere Jobs gleichzeitig

In der Regel arbeitet Westermann an mehreren Jobs gleichzeitig. „Es gibt immer Projekte, die sich länger hinziehen oder auch mal stecken bleiben“, sagt sie.

Bis die Fassung steht, auf deren Basis gedreht wird, vergehen mehrere Monate bis einige Jahre. Währenddessen finden auch zahlreiche Besprechungen statt. „Man braucht viel Geduld, Ausdauer und Selbstdisziplin.“

Besprechungen mit Produzent, Dramatur, Regisseur

Die erste Fassung eines Drehbuchs schreibt die Autorin im sprichwörtlichen stillen Kämmerlein. Anschließend wird aus der Einzelkämpferin eine Teamworkerin.

Während der Drehbuchbesprechung schaut sie gemeinsam mit dem Produzenten, Redakteuren, mitunter auch mit Regisseur und Dramaturg, ob die Geschichte in die richtige Richtung geht oder ob das Thema noch stärker herausgearbeitet werden muss.

Drehbücher werden stets mehrfach überarbeitet. Dabei fließen auch die Ideen der anderen Filmschaffenden mit ein. Manchmal muss Judith Westermann auch zurückrudern und eine Geschichte ganz neu angehen. Es sei schwer, sich von eigenen Ideen zu befreien, findet sie. Aber die Autorin sieht Kritik positiv. „Am Ende wollen wir alle das Gleiche – einen guten Film machen.“

Der Dramatur fragt: „Worum geht’s im Kern?“

In manchen Projekten steht ihr beim Drehbuchschreiben ein Dramaturg zur Seite. „Dramaturgen stellen immer wieder die Frage: Worum geht’s im Kern?“, sagt Judith Westermann.

Gunther Eschke ist freiberuflicher Dramaturg, Lektor, Autor und Dozent.
Gunther Eschke ist freiberuflicher Dramaturg, Lektor, Autor und Dozent. © Privat | Privat

Gunther Eschke ist so einer. Er arbeitet als freiberuflicher Dramaturg, Lektor, Autor und Dozent. Eschke hat Film- und Fernsehdramaturgie an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf studiert. Heute heißt der Bachelor- und Masterstudiengang Drehbuch/Dramaturgie.

Vermittler zwischen Autor und Produzent

Als Dramaturg ist der 52-Jährige vor allem Berater und Analyst. Aufträge erhält er von Produzenten, Redakteuren oder Drehbuchautoren. Dann begleitet er ein Projekt kurz- oder langfristig – je nachdem, welche Art Unterstützung gewünscht wird.

Als Dramaturg ist Eschke auch bei Drehbuchbesprechungen dabei. Er vermittelt zwischen Autor und Produzent, wenn sie sich uneinig sind.

Das macht ein Creative Producer

„Ich arbeite aber auch kreativ mitgestaltend“, sagt Eschke. Dann begleitet er Drehbuchautoren von der Ideenfindung bis zur Abgabe des fertigen Drehbuchs. Das geht eigentlich über den Job des Dramaturgen hinaus und fällt in den Bereich des sogenannten Creative Producing.

Creative Producer ist ein Filmberuf, in dem Produktionsleitung, Drehbuchentwicklung und Regie zusammenfließen. „Man kann es als kreatives Produzieren definieren“, sagt Annette Koschmieder (61). Sie ist Drehbuchautorin, Dramaturgin sowie Dozentin für „Creative Producing“ und „Filmstoffentwicklung“ am Institut für Schauspiel, Film-, Fernsehberufe (iSFF) und der Beuth Hochschule.

Langer Prozess, bis das Drehbuch endlich steht

„Als Creative Producer wirke ich kreativ bei der Ideenfindung mit und betreue die verschiedenen Phasen der Stoffentwicklung dramaturgisch“, erklärt Eschke. Das geht los mit einem Pitch, einer kurzen mündlichen oder schriftlichen Vorstellung der Idee vor einem Produzenten oder den Verantwortlichen eines Senders.

War das erfolgreich, arbeitet Eschke gemeinsam mit einem Autor am Exposé. Das ist eine Zusammenfassung der Handlung. Daraus wird später das sogenannte Treatment. Es kann bis zu 30 Seiten umfassen und enthält die komplette Geschichte, jede Szene und jede Figur.

Darauf aufbauend wird dann auch noch ein Bildertreatment geschrieben – eine Beschreibung dessen, was man später im Film sehen wird. Am Ende des Prozesses steht das Drehbuch.

Keine faulen Kompromisse

„Es ist eine große Herausforderung, den oftmals langwierigen Prozess immer konstruktiv so zu begleiten, dass das Projekt von all den verschiedenen Stimmen, die mit am Tisch sitzen, profitiert“, erklärt Eschke.

Faule Kompromisse darf es schließlich nicht geben. Darum braucht er für seine Arbeit als Creative Producer Fingerspitzengefühl und Kommunikationstalent. „Ich muss sachlich und analytisch bleiben und die eigentliche Vision des Projekts im Blick behalten.“

Empfehlung an Sender, ob sich eine Story lohnt

Zu Gunther Eschkes Beruf gehört auch das Lektorieren. Das bedeutet im Filmgeschäft, dass er zum Beispiel für einen Sender ein Drehbuch liest, eine Inhaltsangabe schreibt und eine Bewertung abgibt. Eschke macht das für ProSiebenSat.1.

Am Ende steht seine Empfehlung, ob der Sender das Drehbuch weiterentwickeln oder dem Autor absagen soll.

Vielfältige Ausbildungswege

Weder für Drehbuchschreiber noch für Dramaturgen oder Creative Producer gibt es den einen einzigen Ausbildungsweg.

In die Richtung führen zahlreiche Lehrgänge, Seminare und Workshops, wie sie beispiels­weise Annette Koschmieder am iSFF anbietet. In der Fortbildung Produktionsleiter und in der Masterclass Script Consultant (Dreh­buch­berater) führt sie die Studierenden unter anderem in die Technik des Erzählens und die Entwicklung von Filmstoffen ein.

Drehbuchautorin und Dozentin Annette Koschmieder.
Drehbuchautorin und Dozentin Annette Koschmieder. © Privat | Privat

An der Beuth Hochschule unterrichtet sie Mediendramaturgie im Bachelor-Studiengang „Screen Based Media“. Darin lernen die Studierenden, wie sie Ideen ent­­wickeln, Konzepte schreiben und diese in einem audiovisuellen Projekt umsetzen.

Geschichten sollen ihr Publikum erreichen

„Im Zentrum meiner Lehre steht, Geschichten so zu erzählen, dass sie ihr Publikum erreichen“, sagt Koschmieder. Aber darüber hinaus braucht man für die Branche auch Wissen über die Medienmärkte – von Kino und Fernsehen über Werbefilm bis zu webbasierten und interaktiven Medien wie Computerspielen.

Wer in der Branche Fuß fassen will, muss den Markt mit all seinen Teilnehmern kennen. Und das meint nicht nur die Verantwortlichen bei Film und Fernsehen, sondern auch die der neueren Anbieter, etwa Streamingdienste.

Zudem sei es wichtig, Trends zu erkennen, sagt Annette Koschmieder. „Denn was heute entwickelt wird, kommt erst Monate oder Jahre später auf den Markt.“

Zusammenfassend sagt sie: „Drehbuchschreiber und Dramaturgen müssen gut informiert sein, einerseits über den aktuellen Medienmarkt, andererseits über die Gesellschaft und den Zustand der Welt, um authentische und vielschichtige Geschichten erzählen zu können.“