Berlin. Die Atmo im Film, markante Werbejingles, Surroundklang im Kopfhörer – das alles sind Jobs für Audiodesigner. So werden sie ausgebildet.

Was wären die Videostreams der Berliner Philharmoniker ohne deren perfekten Klang? Ein Videospiel ohne echt wirkende Geräusche? Oder ein „Star Wars“-Kinoabend ohne Surroundsound? Relativ öde Veranstaltungen.

Das wusste auch „Star Wars“-Regisseur George Lucas, als er konstatierte, für 50 Prozent eines Filmerlebnisses sei eigentlich der Sound verantwortlich. Selbst in einer visuell überladenen Umwelt kann die Bedeutung des Hörens kaum überschätzt werden.

Was bei unseren Ohren ankommt, ist das Spielfeld von Technikern beziehungsweise Klanggestaltern. Ihr Beruf wird meist Audio- oder Sounddesigner genannt. Diese Spezies ist aus kaum einem Bereich der Kreativwirtschaft und aus vielen Bereichen der Industrie nicht mehr wegzudenken.

Der Begriff Audiodesign ist nicht besonders scharf umrissen, doch das liegt in der Natur der Sache. Audiodesigner konzipieren, komponieren und produzieren jede Art von Tönen, Klängen und Melodien für alle Mediengattungen.

„Content Crea­tion“ heißt das im Fachbegriff. Die Experten kreieren Spezialeffekte fürs Kino, Raumklänge für Events und virtuelle akustische Umgebungen für Com­puter­spiele.

Erkennungsmelodien schaffen

Auch in Werbung und Marketing sind sie tätig, etwa indem sie Erkennungsmelodien schaffen. Dank ihnen ist der Telekom-Klingelton für immer in unser aller Köpfen gespeichert und die Autotür eines BMW klingt anders als die eines Porsche.

Sie können sich aber auch auf die künstlerische Schiene begeben. Dann gestalten sie Klanginstallationen oder zeigen Performances, in denen sie akustische Kunst und andere Ausdrucksformen verbinden.

Entsprechend der vielfältigen Aufgaben ist auch die Ausbildung sehr facettenreich. Im Grunde muss ein Audiodesigner Kompetenzen aus drei Berufen vereinen: von Geräuschemachern, Tontechnikern und Musikern.

Technik und Kreativität

Ob in einer Werbeagentur, bei einem Hörspielverlag oder als Akustikplaner, all den möglichen Jobbeschreibungen ist dabei eines gemeinsam – sie verlangen tech­nisches Know-how ebenso wie kreatives Gespür.

Für beides braucht man praktische Erfahrung. Deswegen ist der typische Aufenthaltsort angehender Audiodesigner auch nicht die Bibliothek. Meistens findet man sie umgeben von teurem technischen Equipment in einem Tonstudio.

Das Instrument des Audiodesigners ist dabei vor allem der Rechner. Worauf genau in der Ausbildung die Schwerpunkte gesetzt werden, hängt dann vom persönlichen Interesse ab und variiert von Schule zu Schule.

„Es kommt darauf an, was man damit anfängt“

An der Berliner dBs Music School zum Beispiel soll besonders die Kreativität gefördert werden („dB“ ist die Abkürzung für Dezibel). „Natürlich ist die Beherrschung der Technik wichtig“, sagt Jamie Thomas, Ausbildungsleiter („Education Lead“) an der dBs.

„Aber der technische Kram allein ist erst einmal nutzlos. Es kommt sehr darauf an, was man damit anfängt.“

Die dBs Berlin existiert seit 2013 und hat sich inzwischen im teils denkmalgeschützten Funkhaus Berlin an der Nalepastraße in Oberschöneweide eingerichtet. Der Charme der alten Hallen gibt eine perfekte Kulisse der hippen Ausbildungsstätte für Kreative ab.

350 Studenten sind dort momentan eingeschrieben, für nächstes Jahr rechnet die Leitung mit 450. Die Berliner Audiodesigner sind international: An der dBs zum Beispiel sind mehr als 50 Nationen vertreten. Die Verkehrssprache ist Englisch.

Jobs als DJ oder beim Radio

Wo sonst könnte man besser in die Kreativwirtschaft hineinwachsen als in Berlin? „Hier können die Studenten vom ersten Tag ihrer Ausbildung an parallel ihre Karriere entwickeln“, sagt Jamie Thomas. „Ob als DJ in den Clubs der Stadt oder mit Sendungen beim dBs-internen Etikett Radio.“

Die Schule arbeitet nach dem pbl-Prinzip. „Project based learning“ heißt das in Langform. Es bedeutet, dass die Studierenden nicht fernab der beruflichen Realität lernen, sondern in möglichst praxisnahen Projekten. Das soll sie gut auf ihre spätere Arbeit vorbereiten.

Praxisorientiertes Lernen wird auch am SAE Institute großgeschrieben. Es ist der älteste und größte der privaten Medienausbilder in Berlin. Das SAE ist aber auch in Köln, Hamburg und sechs weiteren deutschen Städten vertreten. Vor zweieinhalb Jahren hat das Institut seinen neuen Berliner Standort unweit des Kreuzberger Lido eingeweiht.

„Zwei Drittel der Studienzeit sind der Anwendung theoretisch erlernten Wissens vorbehalten“, sagt Schulleiter Peter Duhr. Wer Künstler werden will, sei an der SAE allerdings falsch. „Wir sind technisch-kreativ, aber wir sind keine Kunsthochschule.“

Isabella Pentoja (l.) und Saebrinde Clayton studieren an der dBs Berlin.
Isabella Pentoja (l.) und Saebrinde Clayton studieren an der dBs Berlin. © Sebastian Blottner | Sebastian Blottner

Dafür tritt man an der SAE mit den Protagonisten aus der Arbeitswelt in Kontakt. „Unsere Dozenten kommen direkt aus der Wirtschaft, das ist Teil der SAE-Philosophie“, sagt Duhr.

Dementsprechend wirbt die SAE auch mit ihrer guten Vernetzung zu den Profis. Schon während des Studiums Kontakte zu knüpfen, ist tatsächlich eine der wesentlichen Voraussetzungen für späteren beruflichen Erfolg.

Über Projekte in den Job

Denn die wenigsten Audiodesigner bewerben sich irgendwo mit ihrem Lebenslauf. In der Regel rutschen sie nach oder schon während ihrer Ausbildung über Projekte in den Job.

Es kommt also auf Eigeninitiative und gutes Netzwerken an. Wer nach den Jobaussichten fragt, hört zwei Aussagen immer wieder. Einerseits: Es sei eine harte Branche, ein Haifischbecken sogar. Und andererseits: Der Arbeitsmarkt ist da. Zwar wird nicht jeder Absolvent direkt in Berlin einen Job finden. Doch in weniger populären Regionen ist der Bedarf noch nicht gedeckt.

Ein fertig ausgebildeter Audiodesigner ist breit aufgestellt, kann crossmedial und branchenübergreifend arbeiten. Deswegen ist die Ausbildung nicht nur für Berufseinsteiger interessant.

Mit ihr können sich auch Berufstätige anderer Branchen weiterbilden: Sei es ein Informatiker, der sich auf Soundsoftware spezialisieren möchte, oder ein Journalist, der Podcasts produzieren will.

Die Argentinierin Karen Dhios Baumann zum Beispiel hat in ihrem Heimatland bereits bei einem Plattenlabel gearbeitet. In Deutschland war sie als Tontechnikerin mit einer Band auf Tournee.

An der SAE bildet sie sich nun zur Musikproduzentin weiter: „Ich will professionelle Aufnahmen machen, Soundeffekte einbinden und Musik nach bestimmten Soundstandards und Stilen bearbeiten“, sagt Dhios Baumann.

Audiodesign studieren

Neben den Privatschulen gibt es auch den universitären Zweig des Audiodesigns. Im internationalen Vergleich ganz vorn dabei ist die Technische Universität Berlin. Dort leitet Professor Stefan Weinzierl den Masterstudiengang Audiokommunikation und -technologie.

Seine Studenten befassen sich mit der akustischen, elektronischen und digitalen Kommunikation von Musik und Sprache. Dafür müssen sie viel von Physik und Mathematik verstehen.

So wie der gelernte Veranstaltungstechniker David Ackermann. Er hat bei Weinzierl studiert und forscht nun als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand daran, wie sich Schall im Raum bewegt.

Bewegungen im Raum werden einbezogen

Dieser „akustische Raum“ soll dann per Kopfhörer simuliert werden. „Musiker bewegen sich beziehungsweise ihre Instrumente in einem Konzertsaal“, erklärt Ackermann. Das habe Einfluss auf den Klang.

Um festzustellen, wie solche Bewegungen den Klang der Schallquellen verändern, macht David Ackermann aufwendige Messungen und Hörversuche. So hat er zum Beispiel mit Kollegen die Bewegungsdaten eines ganzen Orchesters aufgezeichnet. Mit den Daten fütterten sie ihre Computersimulation.

„Ziel ist, den Schalldruck am Trommelfell so exakt zu rekonstruieren, dass der Unterschied zwischen Simulation und Realität nicht mehr hörbar ist“, erklärt der Soundexperte. „Wir kreieren praktisch ein akustisches Holodeck.“

Die Philharmonie im Wohnzimmer

Auf diese Art und Weise kann nicht nur der räumliche Orchesterklang simuliert werden. Auch die Bewegungen des Menschen, der den Kopfhörer trägt, beeinflussen den Klang – so als würde er tatsächlich im Konzertsaal sitzen.

Ob die Philharmonie im Wohnzimmer oder eine Safari mit authentischem Hörerlebnis – die vielen potenziellen Anwendungen für solche und kommende technische Entwicklungen sind noch gar nicht alle abzusehen. Sicher ist nur: Dafür werden Audiodesigner gebraucht.