Berlin. Das Start-up Nepos von Gründer Paul Lunow möchte auch älteren Menschen die Vorzüge des Internets nahebringen.

Mit einem speziellen Tablet wollen Paul Lunow (33) und seine Partner auch Menschen an den Vorzügen des Internets teilhaben lassen, die nicht zur Gruppe der „digital natives“ gehören und die Probleme im Umgang mit dem Computer haben. „Wir entwickeln ein Gerät, das technisch vertrauensvoll ältere Leute am digitalen Leben teilhaben lässt und sie vor allem ernst nimmt“, erklärt der Berliner. Die meisten Geräte für Ältere, so Lunow, entmündigen eher statt zu ermuntern, sich intensiver mit technischen Neuheiten auseinanderzusetzen. „Das läuft meistens nach dem Motto: Du bist alt, hier ist dein Pillenalarm, da dein Sudoku und vergiss nachher deine Heizdecke nicht.“

Das Konzept beruht auf Einheitlichkeit

Den Einstieg ins digitale Leben soll „Nepos“ erleichtern. So nennt sich das Gerät und die Software, die der Programmierer mit seinem gleichnamigen Start-up seit 2015 zusammen mit seinem Kollegen Florian Schindler und etwa 25 Mitarbeitern entwickelt. Das Nepos-Konzept beruht auf Einheitlichkeit: Jede Anwendung ist gleich aufgebaut. Die Oberfläche des Online-Bankings, des Nachrichtenportals und des E-Mail-Postfachs unterscheiden sich kaum. Schritt für Schritt wird den Nutzern auf der linken Seite des Bildschirms angezeigt, welche Befehle ausgeführt werden müssen, um zum Beispiel eine E-Mail erfolgreich zu versenden.

Vor allem bei älteren Nutzern sei es wichtig, die Seiten nicht mit zu vielen, irreführenden Informationen zu überfrachten, erklärt Lunow: „Im Alter lässt die sogenannte fluide Intelligenz nach, die dafür verantwortlich ist, sich in neue Sachverhalte reinzudenken. Dann hat man das Gefühl, alles wird immer schneller.“ Das führe wiederum dazu, dass viele Leute überhaupt keine Motivation hätten, sich mit neuen Funktionen, neuer Technologie auseinanderzusetzen.

Der Gründer wurde mit dem Computer groß

Eine besondere Herausforderung für Paul Lunow, der selbst mit dem Computer groß geworden ist, die Geräte als Kind schon auseinandergenommen und wieder zusammengebaut hat und – nach einem Semester Informatik – als selbstständiger Programmierer sein Geld verdiente. Doch Lunow weiß, dass auch er später sicher nicht immer mit dem neuesten Stand der Technik mithalten wird: „Die Technologie entwickelt sich einfach so rasend schnell. Wenn man älter ist, findet man Neues erst mal unsinnig, weil man sich nicht damit beschäftigen möchte.“

Um das Tablet und die dazugehörige App auch an die Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen, gründete das Unternehmen die „Rosenhof-Akademie“. Dort werden jeden Monat die neuesten Entwicklungen des Tablets von interessierten Probanden getestet. Schnell wurde klar, dass die Senioren oft mit sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen und Erwartungen das neue Gerät nutzen wollen. „Es waren auch Leute da, die eine Skat-Gruppe hatten und über Excel die Abrechnungen ihres Clubs bearbeiten wollten. Denen raten wir dann, dass man sich in diesem Fall lieber einen Laptop mit Excel besorgen soll“, berichtet Lunow. Das Tablet richte sich an Leute, die einfach und sicher die Vielfalt des Internet nutzen wollen. So wie auch die jüngere Generation iPad & Co. nutzt.

Regelmäßiger Austausch mit späteren Nutzern

Für Nepos ist der stetige Austausch mit den Probanden essenziell – nur so konnten etwa die Entwickler erkennen, dass selbst die ersten „Berührungspunkte“ mit einem Tablet für Ältere zur Herausforderung werden, da mit der Zeit die „Leitfähigkeit“ der Haut nachlässt und so keine Signale über das Touchpad vermittelt werden können: „Das dauerte eine Weile, bis wir gemerkt haben, dass es nicht am Gerät liegt. Die Profi-Tester haben seitdem Handcremes. Für alle anderen haben wir Stifte“, berichtet Paul Lunow .

Einfache Sprache, wenig Fachbegriffe

Überdies versuche Nepos, eine einfache Sprache zu finden, die alle technischen Fachbegriffe umschreibe. Das geht aber nicht immer, erklärt Lunow: „Wenn zum Beispiel jemand den Nutzer auffordert, eine E-Mail zu schreiben, dann können wir das nicht ‚elektronischen Brief‘ nennen. Man muss als Nutzer auf jeden Fall bestimmte Begriffe lernen.“ Trotzdem ist man beim Start-up bemüht, die Software so zu gestalten, dass sie Begriffe einheitlich benutzt – und, wo es geht, umschreibt. Bei Begriffen wie Podcast gar nicht so einfach. Die müssen dann, wie Vokabeln, gelernt werden.

Noch gibt es das Tablet nicht zu kaufen. Nepos sucht weiterhin Geldgeber, um mit der Hardware in Produktion gehen zu können. Über die Crowdfunding-Plattform Companisto hat das Start-up schon mehr als 800.000 Euro sammeln können. „Wir wollten dieses Jahr mit der Produktion starten. Da wir noch nicht genug zusammenhaben, müssen wir bis nächstes Jahr warten“, so Lunow. Es werden noch weitere Investoren gesucht.

Industriekunden melden sich beim Gründer

Optimistisch müsse man in der Branche immer sein, sagt Lunow und beschreibt die Start-up-Achterbahn: „An einem Tag fühlt man sich unbesiegbar und ist voller Vorfreude, wie krass das Projekt wird, eine Mail später ist die Stimmung total im Keller, und alle denken, dass man den Laden jetzt dichtmachen kann, bis man nach dem nächsten Anruf wieder ganz oben ist.“ Eine rasante Fahrt, die ihn jeden Tag aufs Neue motiviere.

Zurzeit geht es auf der Motivationsachterbahn steil bergauf. Immer mehr Industriekunden melden sich bei Nepos. Sie suchen eine Lösung, um die ältere Generation digital zu erreichen.