Berlin. Nannette Swed gründete ihren eigenen Online-Shop kippie berlin, in dem sie vegane Kleidung verkauft. So baute sie ihr Unternehmen auf.

Nannette Swed trägt eine hellbraune Handtasche über der Schulter. Auf den ersten Blick sieht die Tasche aus, als wäre sie aus Leder. Aber wer genau hinsieht, stellt fest: Es ist Kork.

Die Handtasche stammt aus Portugal. „Dort wachsen die Korkeichen“, sagt Swed. Sie vertreibt die veganen Produkte in ihrem Online-Shop kippie berlin.

Gründerin verkauft in Online-Shop vegane Kleidung

Wenn man Veganerin ist, sei der Verzicht auf tierische Nahrungsprodukte bloß der erste Schritt, sagt die 36-Jährige. Auch bei Kleidung wolle man dann auf tierleidfreie Produkte achten.

„Natürlich hängst du dir eine Kuh auch nicht über die Schulter, wenn du sie nicht essen willst“, sagt sie. Das Material Kork sei eine gute Alternative und sogar weicher als Leder.

Vegane Schuhe für Kinder bei kippie berlin

Ihren Online-Shop eröffnete Swed aus einem simplen Grund: Sie fand für ihre Söhne keine vegan produzierten Schuhe. Die hat sie inzwischen im eigenen Sortiment, ebenso wie Kindersachen generell, Kleidung und Accessoires für Erwachsene, Kuscheltiere und Kosmetika.

Im Sommer ist es weniger problematisch, Kinder nach veganem Maßstab anzuziehen. Im Winter müssten Alternativen zu Wollkleidung gefunden werden.

Vegane Produkte müssen mit Leder mithalten

„Die Leute sind bereit, tierleidfrei zu kaufen, aber die Sachen müssen mindestens so gut sein wie das, was sie kennen“, sagt Nannette Swed. Ein Plus lederfreier Krabbelschuhe sei zum Beispiel, dass man sie waschen kann. Außerdem werde Leder mit der Zeit glatt, die Kinder rutschen.

Die Krabbelschuhe, die Swed vertreibt, sind aus alten Jeans gemacht, die Sohlen aus einem Polyester-Baumwoll-Mix. Genäht werden sie in Deutschland. „Ich habe in verschiedenen Foren recherchiert, was Veganern fehlt“, erklärt sie ihre Warenauswahl.

„Natürlich ist im Shop das, was mir auch persönlich gefällt.“ Der Gründerin ist nicht nur wichtig, dass die Produkte tierleidfrei hergestellt werden, sie sollen auch nachhaltig sein und in Deutschland oder Europa produziert werden.

In der Babypause gegründet

Swed hat den Online-Shop während ihrer zweiten Babypause gegründet. Ähnlich wie schon ihre erste Selbstständigkeit: „Nach der Geburt meines ersten Sohnes habe ich mich als statistische Beraterin selbstständig gemacht“, erzählt sie. „Datenanalyse ist gerade so ein Trend, und ich hatte die Qualifikation.“

Die 36-Jährige hat in Volkswirtschaftslehre (VWL) promoviert und an der Humboldt-Universität Berlin empirische Wirtschaftsforschung unterrichtet. „Da steckt Datenanalyse ja dahinter.“

Keine Karriere in der Wissenschaft

Warum sie sich gegen die Karriere an der Uni entschieden hat? „Ich wollte den Verträgen nicht jedes Jahr hinterherrennen“, sagt sie. Außerdem wolle sie nicht ins Ausland gehen, was in der Wissenschaft heute fast ein Muss sei. „Ich bin hier privat so gebunden“, sagt die 36-Jährige.

Es hat sie abgeschreckt, bei einer Karrire in der Wissenschaft nicht vorhersehen zu können, wo sie mit ihrer Familie in zehn Jahren wohnt. Und sie wollte gern etwas Praktisches machen.

Mit kippie berlin entschied sie sich gegen die Selbstständigkeit als Beraterin. Aber da sie keine Angestellten hatte, sei es einfach gewesen, die Tätigkeit wieder aufzugeben. Elternzeit eignet sich generell gut fürs Gründen, findet sie. Außerdem brauche man für eine Gründung ein bisschen Vorlauf.

Fans durchs Crowdfunding gefunden

Anfangs hat sie viel Crowd­funding betrieben und ziemlich viel PR gemacht, erzählt Nannette Swed. So habe sie die Gewissheit gewonnen, dass ihr Online-Shop bei Kunden ankommen würde. Auch wenn sie den Betrag, den sie über Crowd­funding sammeln wollte, nicht erreicht hat, habe sie auf diesem Weg ihre Fans gefunden.

Selbstständig zu arbeiten, hat viel mit dem Bedürfnis nach Freiheit zu tun, sagt Swed. „Ich konnte mir nicht vorstellen, einen Chef zu haben.“ Dennoch war es anfangs nicht einfach.

Zahlreiche Herausforderungen

Was ihre größten Herausforderungen waren? „Da gab es so viele“, sagt Swed und lacht. PR, Buchhaltung, Steuern, Strategie, Wareneinkauf – alles habe sie anfangs selbst gemacht. „Jede Kommunikation mit jedem Produzenten und jedem Kunden.“

Für sie sei es schwierig gewesen, Aufgaben abzugeben. Damit verliere man ein Stück Kontrolle.

Personalbedarf gestiegen

Doch inzwischen holt Nannette Swed sich Hilfe, wenn die Menge an Arbeit es erfordert. Meistens findet sie ihre Mitarbeiter über persönliche Kontakte und Empfehlungen. „Ich habe größeres Vertrauen zu einzelnen Personen als zu Agenturen“, sagt die 36-Jährige.

Mittlerweile hat sie auch einen Logistiker gefunden, der familienfreundliche Arbeitszeiten hat. „Die machen um 16 Uhr Schluss“, sagt Swed. Das begrüßt sie. Sie selbst arbeitet etwa 40 Stunden pro Woche: Tagsüber sind das meistens sechs oder sieben Stunden am Stück.

„Dann hole ich die Kinder aus dem Kindergarten.“ Abends, wenn die Kinder im Bett sind, macht Swed oft noch ein bis zwei Stunden weiter. „Man arbeitet effektiver, wenn man sich die Zeit selbst einteilt“, sagt sie.

Sortiment vervierfacht

Ihr Online-Shop läuft inzwischen seit einem Jahr. Das Sortiment hat sich in dieser Zeit vervierfacht, erzählt die Gründerin. „Ich habe ein Unternehmen aufgebaut, das solide Strukturen hat.“

Jetzt brauche sie Kapital. Dafür will sie bald mit Investoren zusammenarbeiten. Ihre bisherige Bilanz kann sich sehen lassen: „Ich habe mit sehr wenig Kapital einen Shop aufgebaut, der Umsatz generiert“, sagt Swed. „Ohne Kredit und ohne Schulden.“

Der Handel soll aber nur so groß werden, wie es sinnvoll ist, sagt die 36-Jährige. „Ich muss nicht alle Produkte in meinem Shop haben.“