Berlin. 200 Euro pro Tag will ein Arbeitgeber jedem Beschäftigten zahlen – wenn derjenige nicht mit seinen Kollegen in den Streik eintritt.

Dr. Heiko Peter Krenz, Fachanwalt für Arbeitsrecht, beantwortet Leserfragen.

Ich habe vor Kurzem gehört, dass das Bundesarbeitsgericht Streikbruchprämien gebilligt haben soll. Als treues Gewerkschaftsmitglied kann ich das nicht nachvollziehen. Stimmt das?

Das sagt der Anwalt: Arbeiten oder nicht arbeiten? Das ist bei einem Streik die Frage. Das Bundesarbeitsgericht hat nun tatsächlich bestätigt, dass Arbeitgeber bei einem drohenden Streik Streikbruchprämien zahlen dürfen (Urteil vom 14. August 2018 – 1 AZR 287/17).

Dr. Heiko Peter Krenz ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin.
Dr. Heiko Peter Krenz ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin.

In dem zu entscheidenden Fall hatte ein Mitarbeiter seinen Arbeitgeber verklagt, der Beschäftigten eine Streikbruchprämie von 200 Euro, später 100 Euro, pro nicht gestreiktem Tag in Aussicht gestellt hatte. Der Kläger selbst hatte sich am Ende auch am Streik beteiligt.

Aber er war der Meinung, dass ihm die Prämie wegen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes ebenfalls zustehen würde.

Das Bundesarbeitsgericht war jedoch anderer Auffassung. Zwar läge de facto eine Ungleichbehandlung vor. Diese sei aber gerechtfertigt, weil der Arbeitgeber mit den Sonderleistungen den „betrieblichen Ablaufstörungen begegnen“ und damit dem „Streikdruck entgegenwirken“ wollte.

Zulässiges Mittel im Arbeitskampf

Laut den Richtern sei die Zahlung einer Streikbruchprämie daher ein zulässiges Mittel im Arbeitskampf. Die im Streikrecht geltende Kampfmittelfreiheit gelte schließlich nicht nur für Gewerkschaften, sondern genauso für Arbeitgeber.

So überraschend diese Entscheidung für einige kommen mag, wirklich neu ist die Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes nicht. Bereits 1993 hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Streikbruchprämien erlaubt sind.

Interessant ist aber, dass das höchste deutsche Arbeitsgericht nun die Auffassung vertreten hat, dass die im Fall ausgelobte Streikbruchprämie verhältnismäßig gewesen sei. Und das, obwohl sie den Tagesverdienst der Streikenden um ein Mehrfaches überstieg.

Wann eine Streikbruchprämie noch angemessen ist und wann nicht, lässt sich nicht immer eindeutig feststellen. Mit der neuen Entscheidung steht nun jedenfalls fest, dass eine Prämie von 200 Euro pro Streiktag für einen Verkäufer noch nicht unangemessen hoch ist. (BM)