Berlin. Livebird, das Portal von Julian Wächter, berät seine Nutzer beim Turnschuh-Kauf. Die Testphase des Chatbots läuft noch bis November.

Schon früh war Julian Wächter klar: Er wollte sich etwas Eigenes aufbauen. Euphorisch spricht er jetzt von seinem Start-up Livebird, während er über seiner Kaffeetasse im Hof der „Factory Berlin“ sitzt, einem Coworking Space in Mitte, wo er mit seinem Team arbeitet. Die Idee hinter Livebird klingt simpel. Es geht um einen virtuellen Berater, bei dem Facebook-Nutzer Online-Angebote für Sneaker einholen können.

Doch die Technik dahinter ist ausgefeilt: Wächter und sein Team haben dafür „Karousel“ entwickelt, eine Art „Plauder-Roboter“, mit dem potenzielle Käufer Livebird mitteilen können, wie ihre Wunsch-Sneaker aussehen sollen und wie viel sie kosten dürfen.

Kommunikation per Chatbot „Karousel“

Der Chatbot – so nennen sich automatisierte Konversationsprogramme – schlägt ihnen passende Online-Angebote vor. Momentan ist das Projekt noch in der Testphase. Bis November soll es marktreif sein. Wächters Firma wird dann daran verdienen, dass Kunden im Shop des jeweiligen Anbieters landen.

Künstliche Intelligenz fasziniert Wächter. Der 26-Jährige hält virtuelle Berater für die Zukunft des Online-Handels. Schließlich kauf­ten immer mehr Menschen im Internet. „Und nur Computer können Angebote so schnell durchsehen“, sagt er.

Facebook sei nun erst einmal ihr Startkanal. Für die Zukunft wollen Wächter und sein Team neben dem Facebook-Messenger aber auch weitere Messenger-Dienste nutzen, wie beispielsweise WhatsApp und Telegram.

Betriebswirtschaftlich ein rentables Produkt

Warum aber ausgerechnet Sneaker? Aus betriebswirtschaftlicher Sicht seien sie ein rentables Produkt, sagt der 26-Jährige. Außerdem: „Sneaker sind sexyer als ein Hemd, und es gibt einen riesigen Markt dafür.“ Bald will er das Angebot erweitern. Die Kunden sollen dann mit Livebird auch über andere Produkte chatten können.

Wächter hat einen Bachelorabschluss in BWL gemacht. Seinen Schwerpunkt setzte er auf Finanz- und Rechnungswesen. Er habe sich schon in der Schule gern mit Zahlen beschäftigt, erzählt er. Das Bachelorstudium in BWL sei beim Gründen hilfreich gewesen. Aber auch nicht unbedingt notwendig: „Das Wichtigste ist es, sich zu trauen“, findet Wächter.

Zwischen seinem Bachelorstudium in Münster und seinem Masterstudium in Management an der ESCP Europe in Berlin arbeitete Wächter als Analyst bei einer Gesellschaft, die Wagniskapital an Existenzgründer vergibt. In seinem Berufsalltag ging es darum, Business-Pläne von Start-ups zu beurteilen. Schließlich habe er aber erkannt, dass er lieber selbst auf der Seite der Gründer stehen wollte.

Berufserfahrung half beim Start von Livebird

Die Idee zu Livebird entstand während seines Masterstudiums. Bei der Gründung geholfen haben ihm die praktische Erfahrung aus seiner Berufstätigkeit sowie aus Praktika und Firmenkooperationen, die Teil des Masterprogramms waren. So habe er Mentoren kennengelernt, die ihm mit ihren Kontakten halfen und durch die er zu unterscheiden lernte: Was sind gute Ideen und was schlechte?

Während seines Studiums machte Wächter Station in Ma­drid, London und Paris. Der großen Gründerszene wegen hält er Berlin für ideal für sein eigenes Start-up. Und die „Factory“ sei ideal, um sich zu vernetzen. „Hier arbeiten viele in Start-ups, die gerade erst angefangen haben“, sagt Julian Wächter.

Kollegiale Atmosphäre wichtig

Man lerne sich an der Kaffeemaschine oder der Tischtennisplatte kennen. Oft wisse jemand aus einem anderen Start-up oder ein Freelancer die Lösung, wenn er mit seinem Team ein Problem diskutiert. So sei Livebird auch an einen auf Facebook spezialisierten Marketing-Experten gekommen.

„Ich finde es toll, mir ein eigenes Team aufzubauen“, sagt Wächter. Eine kollegiale Atmosphäre ist ihm wichtig. „Wir verbringen schließlich jeden Tag miteinander.“ Da helfe es, wenn man innerhalb des Teams privat befreundet sei, „sich denkt: Am liebsten will ich die anderen auch mit in den Urlaub nehmen.“ Der zweite Geschäftsführer neben Wächter ist ein langjähriger Freund von ihm, früher hätten sie zusammen Musik produziert, erzählt der 26-Jährige.

Wohngemeinschaft mit anderen Gründern

Gegen das gemeinsame Wohnen haben sie sich aber bewusst entschieden. „Manchmal tut Distanz eben auch ganz gut“, sagt Julian Wächter. Statt mit Leuten aus der eigenen Firma lebt er mit Gründern anderer Start-ups zusammen. Ihre Tagesabläufe ähneln seinem: „Wir wissen, wir sind auf einer Wellenlänge.“

„Sich mit anderen, die auch im Start-up-Bereich aktiv sind, auf einen Kaffee zu treffen, ist nie verkehrt“, findet der 26-Jährige. „Auch wenn man nicht gleich zusammenziehen muss.“ Schließlich könne man immer von anderen lernen. Er freue sich jeden Morgen, in die „Factory“ zu kommen. „Reden macht mir einfach Spaß“, sagt Wächter und lacht. „Manchmal muss ich aufpassen, dass ich nicht zu viel rede.“

Gründergeist schlägt Sicherheitsbedenken

Seine Eltern seien von der Gründeridee zunächst nicht begeistert gewesen, erzählt er. Sie hatten sich für ihn einen sichereren Job vorgestellt, in einer Unternehmensberatung zum Beispiel. Die Option hatte er. Mittlerweile finden aber auch seine Eltern die Gründung gut.

Angst vor der Zukunft hat der 26-Jährige keine, schließlich sei durch ein Stipendium erst einmal alles abgedeckt. Weil das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Idee von Livebird innovativ findet, unterstützt es das Start-up mit dem Exist-Gründerstipendium.

Chatbot muss noch lernen

Jetzt soll erst einmal der Chatbot weiterentwickelt werden. Beim Textverständnis des Bots hake es manchmal noch. Wenn Livebird gut angenommen wird, könne er sich vorstellen, die Technologie an andere Unternehmen weiterzuverkaufen, erzählt Julian Wächter. Noch gibt es aber keine konkreten Pläne.

„Vielleicht expandieren wir ja auch mal nach Spanien“, sagt Wächter und grinst. Da habe es ihm bei seinen Auslandsaufenthalten am besten gefallen.