Berlin. Aus- und Weiterbildungen legen die Basis aber Arbeitgebern der Gastro-Branche sind auch Authentizität und Sozialkompetenz wichtig.

Ein Michelin-Stern ist eine besondere Auszeichnung in der Gastronomie – und fürs geehrte Unternehmen ausgesprochen hilfreich beim Umgang mit dem Fachkräftemangel. Das kulinarische Qualitätssiegel wird vergeben, um hervorragende Leistungen einer Restaurantküche zu würdigen.

Seit das Tulus Lotrek in Kreuzberg 2017 ausgezeichnet wurde, ist der Fachkräftemangel für die beiden Inhaber des Restaurants kein Thema mehr. „Plötzlich hatten wir Bewerbungen aus ganz Europa“, erzählt Küchenchef Maximilian Strohe (36).

Entsprechend international sei die Küchencrew nun auch zusammengesetzt. Die Teammitglieder aus Kanada, Syrien, Aus­tralien und Frankreich verständigen sich auf Englisch.

Teamgeist in der Küche

„Kochen ist ein Mannschaftssport“, sagt Strohe. „Wir rocken gemeinsam die Küche, bei Musik und oft bis spät in die Nacht.“

Der 36-jährige Koch hat sein Handwerk im Hotel-Restaurant Hohenzollern in Bad Neuenahr-Ahrweiler (Rheinland-Pfalz) gelernt. In seiner Küche sei ihm Intuition und Gefühl wichtig.

Darüber hinaus sollten angehende Köche generell Ausdauer, Willen, Disziplin mitbringen. „Und wenn es um die Verwirklichung des eigenen Traums geht, zudem noch Selbstironie sowie die Bereitschaft zum Scheitern und Wiederaufstehen.“

Koch „mit Handschrift“ gesucht

Strohe hat das Tulus Lotrek im Jahr 2015 gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Ilona Scholl eröffnet. „Hier suchen die Gäste keine Schubladen, sondern einen Koch mit Handschrift“, sagt die 35-Jährige.

Tatsächlich sind die Zeiten, in denen Michelin-Sterne an Restaurants mit Silberbesteck und gestärktem Leinen gingen, vorbei – vor allem in Berlin. Die Hauptstadt lockt junge „Foodies“ aus dem In- und Ausland, die kreative Speisen aus hochwertigen Zutaten schätzen.

Essen als hedonistisches Erlebnis

Das passt zum Konzept des Tulus Lotrek, findet Scholl. „Bei uns heißt Essen nicht, Energie zuführen, die anschließend wieder verbrannt wird. Es geht uns um hedonistische Erlebnisse.“

Ilona Scholl wurde von der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner im Wettbewerb „Berliner Gastgeber 2017“ als Siegerin gekürt.
Ilona Scholl wurde von der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner im Wettbewerb „Berliner Gastgeber 2017“ als Siegerin gekürt. © Sven Lambert | Sven Lambert

Dazu gehöre auch die Interaktion mit dem Gast. „Wir müssen erspüren, was der Gast will – oder eben nicht will. Authentizität ist dabei ganz wichtig“, erklärt Ilona Scholl.

Sie muss wissen, was eine gute Restaurantleiterin ausmacht: Vergangenes Jahr wurde sie von der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner im Wettbewerb „Berliner Gastgeber 2017“ als Siegerin gekürt.

Mehr sein als ein „Tellertaxi“

Lust auf Menschen, Geduld, Kommunikations- und Kontaktfreude hält Scholl für entscheidende Qualitäten, wenn es darum geht, mehr als nur „Tellertaxi mit Text“ zu sein.

Textsicher ist Scholl auch dank ihres Studiums. „Ich habe Literatur-, Musik- und Medienwissenschaften studiert“, erzählt die Quereinsteigerin.

Parallel und nach dem Studium hat sie in der Gastronomie gearbeitet, darin aber nie ihre berufliche Zukunft gesehen. „Bis Max kam“, erzählt sie. „Da wurde die Selbstständigkeit zum Thema, und wir haben uns mit Haut und Haaren ins Tulus Lotrek gestürzt.“

Glück, Mut und Beharrlichkeit

Wer sich in der Gastronomie selbstständig machen wolle, brauche Glück, Mut und eine Beharrlichkeit, die schon fast an Sturheit grenze, findet Maximilian Strohe. „Es ist wichtig, an das eigene Konzept mit all seinen Ecken und Kanten zu glauben und dabei auch Unkenrufe auszuhalten.“

Und glauben die beiden denn auch, mit ihrem Restaurant, das nur 34 Plätze bietet, reich zu werden? „Wir hoffen es sehr“, sagt Scholl lachend. Doch die Selbstständigkeit lohne sich so oder so: „Die Freiheit, morgens aufzuwachen und eine neue Idee sofort umsetzen und Dinge verändern zu können – diese Freiheit will ich nicht mehr missen.“

Die Hälfte aller Gastronomen scheitern

Dennoch bleibt eine Gründung ein Risiko, egal wie gut die Ausbildung und wie groß der Erfahrungsschatz ist. „Im Gastgewerbe scheitert über die Hälfte aller Gründer in den ersten fünf Jahren“, heißt es beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Berlin.

Der Verband rät darum dringend zu einer qualifizierten Existenzgründungsberatung. Das unterstreicht eine Umfrage des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU). Laut ihr erreichen mehr als 95 Prozent der Unternehmen, die vor dem Schritt in die Selbstständigkeit eine professionelle Gründungsberatung in Anspruch genommen haben, ihr Ziel.

Informationen zur Gründung beim Dehoga

Auch beim Dehoga Berlin erhalten Interessierte umfangreiche Informationen zur Existenzgründung. Außerdem bietet der Verband zahlreiche Seminare zur Weiterbildung in der Gastronomie an. Das reicht von Azubi-Seminaren über Lehrgänge für Mitarbeiter in Küche und Service bis zu Veranstaltungen, in denen es um Unternehmens- und Mitarbeiterführung geht.

Der klassische Weg in die Gastronomie ist die duale Berufsausbildung. Die gibt es für Restaurantfachleute, Köche, Fachkräfte in der Systemgastronomie und im Gastgewerbe. Daneben finden viele Seiteneinsteiger den Weg in die Branche.

Zufällig in der Gastronomie gelandet

So wie Ilona Scholl und auch wie Anna-Lucia Schürmann, die vor gut fünf Jahren bei einem befreundeten Clubbetreiber einsprang, als dessen Barkeeper an Silvester ausfiel.

Anna-Lucia Schürmann ist Barchefin der Berliner Galander Haifischbar.
Anna-Lucia Schürmann ist Barchefin der Berliner Galander Haifischbar. © photoninjas berlin | Sofie Strieder

„Ab da habe ich regelmäßig hinter der Bar gestanden und jede Menge Gin Tonics gemixt“, erzählt sie. Die wahrscheinlich gar nicht so richtig gut geschmeckt hätten, sagt sie rückblickend.

Um das zu ändern, durchlief die heute 25-Jährige das dreimonatige Bartender-Ausbildungsprogramm Learning for Life des Spirituosen-Anbieters Diageo. Das ist eine Förderinitiative für junge Barkeeper, die in Berlin von der Galander Bar Acadamy umgesetzt wird.

Weiterbildungsanbieter für Bartender

Alternative Weiterbildungsanbieter sind etwa die Barakademie Berlin oder die European Bartender School. Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Berlin legte Schürmann anschließend die Prüfung zum Barmixer ab.

„Ich habe in der Ausbildung alles rund um die Bar gelernt“, erzählt sie. „Von der Geschichte und Herstellung von Spirituosen über Servieren und Mixen bis zu den biochemischen Prozessen, die Alkohol im Körper auslöst.“

Viele organisatorische Aufgaben kamen hinzu

Inzwischen ist Schürmann Barchefin der Berliner Galander Haifischbar. Zum Drinks-Mixen sind viele organisatorische und verwaltende Aufgaben hinzugekommen. Sie führt Bewerbungsgespräche, erstellt Dienst- und Veranstaltungspläne und entwickelt Zukunftsstrategien für die Bar.

Zurzeit eignet sie sich betriebswirtschaftliches Know-how an: „Ich studiere tagsüber BWL und Kulturwissenschaften und stehe nachts hinter der Bar.“ Geschlafen werde „irgendwann zwischendurch“, erzählt sie.

Durchsetzungskraft ist auch gefragt

An ihrer Branche schätzt Schürmann die Abwechslung. „Jeder Tag ist anders mit anderen Menschen, die andere Geschichten mitbringen.“ Nicht alle sind immer entspannt. Darum müssen sich Bartender durchsetzen können.

Hin und wieder werde jemand unangenehm, wenn er zu viel getrunken hat, erzählt Anna-Lucia Schürmann. Aber das sei ihr bisher selten passiert. Und sie weiß zu reagieren.

Wer in der Gastronomie Service und Organisieren gelernt hat, kann durchaus auch bei anderen Arbeitgebern als Restaurants, Hotels oder Caterern landen. Das Deutsche Studentenwerk (DSW) ist so ein Beispiel. Dort wird zurzeit Verstärkung im Referat für Hochschulgastronomie gesucht.

Gastro-Ausbildungen sind breit ausgerichtet

Voraussetzung ist eine abgeschlossene Ausbildung in der Gastronomie plus Berufserfahrung. „Viele Ausbildungen in der Gastronomie sind sehr breit ausgerichtet, das ist ideal für unser Aufgabengebiet,“ erklärt Referatsleiter Jörg-Markus zur Oven.

Jörg-Markus zur Oven leitet das Referat für Hochschulgastronomie beim Deutschen Studentenwerk.
Jörg-Markus zur Oven leitet das Referat für Hochschulgastronomie beim Deutschen Studentenwerk. © KAY HERSCHELMANN | www.kayherschelmann.de, Kay Herschelmann

Das Referat für Hochschulgastronomie des DSW unterstützt die bundesweit 964 Mensen und weiteren Gastroangebote der Studentenwerke – vom Konzept bis zur Ernährungslehre.

Eine Weiterbildung zum Fachwirt im Gastgewerbe oder zum Betriebswirt in der Systemgastronomie setzt zur Oven dafür nicht voraus. „Wichtiger ist die Fähigkeit, zuhören zu können und zu reflektierten Entscheidungen zu kommen.“