Berlin. Game-Designer werden inzwischen an zahlreichen Hochschulen ausgebildet. Beim Berufseinstieg helfen ihnen aber vor allem gute Kontakte.

Die Spielfigur hüpft von Plattform zu Plattform. Erst geht es gut, dann fällt sie auf dem Bildschirm nach unten. „Es liegt an der Sprungkraft“, erklärt Thomas Bremer. „Auch der Abstand zwischen den Plattformen muss angepasst werden.“

Bremer ist Professor für Game-Design und Spieltheorie an der staatlichen Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Seine Studenten lernen mit Unity, einem 3D-Programmiergerüst. Im Moment arbeiten sie daran, die digitalen Einzelaspekte, aus denen die Abstände zwischen Plattformen in einem Spiel bestehen, auszubessern.

Geduld und Fingerspitzengefühl

„Man kann sich das vorstellen, als würde man mit einem winzigen Schraubenzieher daran herumstellen, bis die Figur den Sprungtest besteht“, so Bremer. Wer Spiele designt, braucht Geduld und virtuelles Fingerspitzengefühl.

Kurz gesagt entwickeln Game-Designer die Idee eines Spiels, denken sich Figuren, ihre Umgebung und Aufgaben aus, stellen Regeln auf, unter welchen Bedingungen das Ziel des Spiels erreicht wird. „Das Spiel im interaktiven Handlungsraum ist im Grunde wie eine Spielplatz-Gestaltung. Das mag simpel klingen, ist aber hochanspruchsvoll“, sagt Bremer.

Wer Kinderspiele designt, muss wie ein Kind denken

Wer ein Spiel designen will, das am Markt erfolgreich ist, braucht außer der technischen Expertise einen Sinn für künstlerisches Gestalten und Empathie. „Ein Spiel ist ein System mit Rückkopplung.

Das bedeutet, dass der Designer ein Gefühl für Menschen braucht, er muss den Spielfiguren realistische Reaktionen zuschreiben“, erklärt der HTW-Professor. „Wenn ich ein Kinderspiel mache, muss ich verstehen, was ein Vierjähriger vom Spiel erwartet.“

Dass vor allem Männer Game-Design studieren, ist ein Vorurteil. Tatsächlich haben an der HTW überwiegend Frauen das Fach belegt. „Aber leider wandern viele Frauen aufgrund der doch stark männerdominierten Atmosphäre in den Entwicklerstudios in andere Medienbranchen ab“, sagt Thomas Bremer.

Mehr Diversität in der Branche

Eine Frau, die sich als Game-Designerin einen Namen machen will, ist Mascha Camino. Die 21-Jährige ist Mitorganisatorin der Femisphere, eines Branchen-Events in Berlin, das Diversität in der Branche fördern soll.

Weil Frauen unterrepräsentiert sind, wollte Camino gemeinsam mit einer Gruppe Mitstreiter ein Game-Event schaffen, „bei dem jeder gut aufgehoben ist“. Bei der Femi­sphere treten Redner auf, werden Spiele ausgestellt und gespielt, und die Teilnehmer netzwerken untereinander. Vor ein paar Wochen fand das Event bereits zum dritten Mal statt. Weitere sind geplant.

Wissen, wie man Spaß generiert

Mascha Camino entdeckte durch ihren Vater die Welt der Computerspiele für sich. „Heute denke ich mir die Geschichten, Welten und Charaktere der Spiele selbst aus“, erzählt sie. Ihr Motiv: „Ich wollte wissen, wie man Spaß generiert.“

Im Jahr 2016 begann Camino ihr Game-Design-Studium an der privaten University of Applied Sciences Europe (UE). Sie interessiert sich besonders für die Independent-Szene der Branche. „Das sind kleine Unternehmen, die experimentierfreudiger sind. Hier hat man mehr Einfluss auf das Spiel als bei großen Studios“, erklärt Camino.

Durch das Studium ist sie seit dem ersten Semester in Kontakt mit der Indie-Szene, aber auch mit den Größen der Branche. „Unfassbar wichtig“ findet sie diesen Austausch. „So habe ich Michael Liebe, den Gründer der Gamesweekberlin, und Lorenzo Pilia, den Gründer von Talk & Play, kennengelernt“, erzählt sie.

Pilia sei eine Art Mentor für sie geworden, sein Talk & Play ist eine Event-Reihe in Berlin, bei der Spieler, Entwickler und Neugierige zu Kurzvorträgen und Spieleausstellungen zusammenkommen.

Branche wirkt oft unnahbar

„Diese Treffen öffnen viele Türen“, sagt Mascha Camino. Von außen wirke die Branche oft komplex und unnahbar. Doch sie findet, man solle sich davon nicht abschrecken lassen und an die eigenen Spiele-Ideen glauben. „Die anderen sind auch nur Menschen“, so die 21-Jährige. Offen sein und auf Leute zugehen ist ihr Rezept für den Einstieg in die Branche.

In Zukunft möchte Camino Spiele in einem kleinen Studio mit innovativen Ideen entwickeln. Für ihre bisher beste Idee hält sie ein Spiel, bei dem sie den Prozess des Sterbens darstellen wollte. „Was passiert zum Beispiel mit dem Gehirn, wenn man stirbt? Mit bröckelnden Hausfassaden haben wir das Sterben visuell dargestellt.“

„Ernas Unheil“ für Nachwuchspreis nominiert

Game-Designerin Talea Sieckmann hat mit ihrem Team „Ernas Unheil“ entwickelt.
Game-Designerin Talea Sieckmann hat mit ihrem Team „Ernas Unheil“ entwickelt. © privat | privat

Spannende Themen visualisiert auch Talea Sieckmann. Mit ihrer Gruppe aus fünf Frauen ist sie für den Deutschen Computerspielpreis 2018 in der Kategorie Nachwuchs nominiert. Die Auszeichnung hat Gewicht in der Branche. Ausrichter sind der Branchenverband Game und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.

Sieckmanns Spiel heißt „Ernas Unheil“. „Es ist ein Augmented-Reality-Buch“, erklärt die 26-Jährige. Sie studiert im siebten Semester Game-Design an der HTW. „Vor dem Spieler liegt das physische Buch, darüber hält er sein Handy mit der Spiel-App. Man taucht über die App in das Buch ein, eine neue Ebene entsteht.“

Rätsel lösen, Geheimnisse aufdecken

In dem Buch geht es um eine Abenteuergeschichte. Rätsel müssen gelöst und Geheimnisse aufgedeckt werden. Der Spieler bestimmt durch seine Entscheidungen die Wendungen im Spiel.

„Es war eine Herausforderung, die Symbiose des Buchs mit der digitalen App in ein erlebbares Spiel zu verwandeln“, erzählt Sieckmann. „Die App durfte nicht zu viel Speicherplatz wegnehmen, nicht zu viel Strom ziehen, die Bilder mussten klein, aber gut sein.“

In wenigen Tagen, am 10. April, ist die Preisverleihung. Wird „Ernas Unheil“ ausgezeichnet, planen Talea Sieckmann und ihr Team, sich mit einem Studio selbstständig zu machen und das Buch plus App an einen Verlag heranzutragen. „Da gibt es schon Interessenten“, verrät Sieckmann. Zurzeit arbeitet sie noch als Werkstudentin bei der Spielefirma Wooga.

Gewinner des Deutschen Computerspielpreises

Bereits in der Branche angekommen und zweimaliger Gewinner des Deutschen Computerspielpreises ist Sebastian Stamm. Der 34-Jährige studierte Illustration und Comic, ehe er an eine Gruppe aus Spieleentwicklern geriet.

Sebastian Stamm (l.), Dozent und Inhaber des Black Pants Studio, und Stephan Günzel, Professor für Medientheorie an der University of Applied Sciences Berlin.
Sebastian Stamm (l.), Dozent und Inhaber des Black Pants Studio, und Stephan Günzel, Professor für Medientheorie an der University of Applied Sciences Berlin. © privat | privat

„Ich wollte das Visuelle beisteuern“, erinnert er sich. „Aus einem Prototyp, Zehntausenden Downloads und vielen Fördermitteln wurde dann die Black Pants Studio GmbH“, erzählt Stamm von der Gründungsgeschichte des Studios. Für PC, Mac, Linux und mobile Anwendungen entwickelt Stamm heute Spiele und produziert Comics.

Darüber hinaus lehrt er seit 2016 Game-Art, einen Teil des Game-Design-Studiums an der UE. Worum es dabei geht, erklärt er so: „In meinen Kursen zeige ich, wie man Texturen, Farben, Bildkompositionen und Interaktionen in einen funktionierenden Spiele-Rahmen überträgt, ohne dass das Spiel langsam wird.“

Sebastian Stamm legt Wert darauf, dass ein Spiel ein spezielles Aussehen bekommt, zum Beispiel wie ein Comic wirkt. „Diese Ideen spiegeln den Charakter des Designers wider, schaffen also eine Autorenschaft im Spiel.“

In naher Zukunft werden neue Berufe entstehen

Die beruflichen Aussichten als Game-Designer seien vielversprechend, meint der Unternehmer und Dozent. Flexibilität vorausgesetzt: „Die Branche wandelt sich rasant. In fünf Jahren gibt es Berufe, an die heute noch niemand denkt“, sagt er. Virtuelle und erweiterte Realitäten – auf Englisch heißt das Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) – werden noch viele Möglichkeiten für kreative Experten hervorbringen.

Dass interaktive Anwendungen auch gesellschaftlich bedeutsam werden können, beweist ein Projekt von Maxim Kloster (32). Seit seinem Abschluss an der Mediadesign Hochschule (MD.H) arbeitet er als Freiberufler.

In seinem VR-Spiel „Wake Up“ taucht man per virtueller Brille, Kopfhörer und Rollstuhl in die Situation eines behinderten Menschen ein. „Man lernt das Leben eines Rollstuhlfahrers kennen“, erklärt Kloster. An einem Bahnhof muss man zum Beispiel einen Weg zum Zug finden, obwohl der Fahrstuhl nicht funktioniert.

Spiele werden gesellschaftlich wichtig

Die gesellschaftliche Relevanz von Computerspielen unterstreicht auch Stephan Günzel. Er ist Professor für Medientheorie an der UE. Als solches beschäftigt er sich mit ethischen Fragen. Einer seiner Studenten, ein Geflüchteter aus Syrien, entwickelte die Idee, den Syrien-Konflikt mit einem Simulationsprogramm zu untersuchen und Lösungen zu finden.

Solche Ansätze sind es, die den Professor darin bestätigen, dass die Branche immer bedeutsamer wird – „Spiele machen, um die Welt zu retten“, sagt Günzel.