Berlin. Biologen, die sich auf Viren, Bakterien und Pilze spezialisiert haben, müssen bei der Arbeit besonders umsichtig sein. So arbeiten sie.

Angst vor Infektionen darf Susanne Köhler nicht haben. Die promovierte Mikrobiologin hat schließlich ständig mit Viren und Bakterien zu tun. Am Robert-Koch-Institut (RKI) geht die 36-Jährige der Verbreitung von Erregern auf den Grund. „Wir schützen uns natürlich durch entsprechende Kleidung und sind umsichtig“, sagt die Forscherin. In ihrem Team ar­beiten rund 30 Kollegen, vor allem Veterinärmediziner und Biologen.

Für ihren Arbeitgeber ist Köhler viel unterwegs. Etwa die Hälfte ihres Jobs spielt sich im Ausland, vor allem in Ländern Westafrikas ab. „Für unsere Ar­beitsgruppe sind vor allem Infektionskrankheiten interessant, die vom Tier übertragbar sind, denn sie bergen großes Potenzial für zukünftige Ausbrüche bei Menschen“, erklärt sie.

Mikrobiologin Dr. Susanne Köhler vom Robert-Koch-Institut.
Mikrobiologin Dr. Susanne Köhler vom Robert-Koch-Institut. © Adrienne Kömmler | Adrienne Kömmler

Zunächst einmal ist es ihre Aufgabe, aufgefundene tote Tiere im Labor zu sezieren, die Erreger zu diagnostizieren und dann Maßnahmen zu entwickeln, die die Bevölkerung schützen. Dazu gehört es auch, den Einheimischen das nötige Wissen zu vermitteln, um Ansteckungen zu vermeiden. Zu Hause in Berlin ist die 36-Jährige vorrangig mit Verwaltungsarbeiten beschäftigt: Die Auslandsprojekte des RKI bringen einen großen organisatorischen Aufwand mit sich.

Fachbücher muss man meist auf Englisch lesen

Ihre Arbeit erfordere Flexibilität, Geduld, Kreativität und ein Talent zur Improvisation, sagt Susanne Köhler. „Es klappt ja nicht alles so, wie man es sich ausmalt. Da muss man beharrlich und gut motiviert sein.“ Sehr gutes Englisch sei in ihrem Beruf essenziell – allein schon, um Fachliteratur zu lesen. Auch Sprachkenntnisse in Französisch oder Spanisch hält die Wissenschaftlerin für sinnvoll, wenn man international arbeiten möchte.

Köhler selbst hat Englisch während eines Austauschjahrs in den USA gelernt. Darüber hinaus gab der Aufenthalt in Iowa den Anstoß für ihre Berufswahl: Ihr dortiger Biologie-Lehrer besuchte mit seinen Schülern eine Konferenz zur HIV-Forschung. Das beeindruckte die Schülerin nachhaltig: „Ich wusste danach, dass Mikrobiologie das Richtige für mich ist“, erinnert sich Susanne Köhler. Also studierte sie Biologie in Göttingen und Stuttgart. Dabei spezialisierte sie sich auf Infektionskrankheiten.

Studium umfasst auch Genetik und Physik

Verena Fritsch steht noch am Anfang ihrer wissenschaftlichen Laufbahn. Sie ist Masterstudentin im dritten Semester am Institut für Biologie und Mikrobiologie der Freien Universität (FU) Berlin. Während ihres Bachelorstudiums fand sie zur Wissenschaft von den Mikroorganismen. Bei ihr war es ein Austauschsemester in Australien, das den entscheidenden Anstoß gab. Dort hatte sie Kurse in Mi­krobiologie belegt.

Zurück in Deutschland schrieb Fritsch ihre Bachelor-Thesis zu diesem Spezialgebiet. „Das ist so spannend und komplex“, begeistert sie sich. „Viele Fachgebiete greifen ineinander. Man hat mit Genetik, Physiologie, Zytologie, Chemie, Physik, Biochemie, aber auch Mathematik zu tun.“ Sie wolle wissen, welche Signalwege an der Vermittlung von Resistenzen beteiligt sind, erzählt die 22-Jährige. Das eröffne der Medizin neue Möglichkeiten der Behandlung.

Viel praktische Arbeit im Labor

„Wir untersuchen deshalb, wie Zellen auf die Umwelt reagieren“, erklärt Verena Fritsch ihre Arbeit, bei der sie sich auf Infektionserreger konzentriert. „Die Frage ist dabei, was Stress wie Antibiotika oder toxische Radikale mit Mikroorganismen machen.“ Das Studium sei sehr praxisorientiert, viel Zeit verbringe sie im Labor.

Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen rät sie jedem Studenten zum Austauschsemester: „Man bekommt eine völlig andere Perspektive, und es werden Kurse angeboten, die es hier nicht gibt“, sagt Fritsch. Für sie steht fest: „Ich will promovieren und in der Forschung bleiben.“

Über ein Projekt Arbeitgeber kennengelernt

Mit rein wissenschaftlicher Arbeit begann auch Uta Böckelmann (57) ihren Berufsweg. Sie hat bis zum Jahr 2008 an der Technischen Universität (TU) Berlin im Bereich Umweltmi­krobiologie gearbeitet. In ihrer Doktorarbeit widmete sie sich der Frage, wie sauber Flüsse und Trinkwasser sind. Im Rahmen eines Projekts arbeitete sie dabei mit den Berliner Wasserbetrieben (BWB) zusammen. Als das Unternehmen eine Mikrobiologin als Teamleiterin suchte, bewarb sich Böckelmann. Als promovierte Biologin, die sich in mikrobiologischen Umweltthemen auskannte, passte sie perfekt ins Profil.

Seit fünf Jahren leitet die Mikrobiologin nun das Labor bei den Wasserbetrieben. Die mehr als 100 Beschäftigten untersuchen im zentralen Labor und in vier dezentralen Betriebslaboren jährlich 21.000 Trinkwasserproben. „Wir machen viel mehr, als nach der Trinkwasserverordnung gefordert ist“, betont die Laborleiterin. Auch Abwasser und Klärschlamm nimmt sie mit ihrem Team unter die Lupe.

Im Führungsjob geht es vor allem um Strategie

Sie selbst steht nicht mehr im Labor. „Leider habe ich dafür keine Zeit mehr“, sagt Uta Böckelmann. „Meine Arbeit dreht sich eher um die strategische Ausrichtung des Labors.“ Dafür muss sie stets auf dem aktuellen Stand der Forschung sein, neue Untersuchungsmethoden kennen und im Austausch mit anderen Laboratorien in Deutschland stehen.

Ihr Wissen gibt die Mikrobiologin – sie ist die Einzige unter den BWB-Labormitarbeitern – als Referentin in internen Schulungen für Beschäftigte des Unternehmens und bei Veranstaltungen für Kunden weiter. „Mein früherer Job in der Forschung blieb wegen der befristeten Verträge immer sehr unsicher“, sagt Uta Böckelmann. „Für mich war der Wechsel wie ein Sechser im Lotto. Bei den BWB kann ich mich viel besser entfalten, und meine Arbeit ist sehr anwendungsbezogen“, findet sie.

Obst und Gemüse werden auf Gifte untersucht

Die Firma Analytica Alimentaria macht Risikountersuchungen für die Lebensmittelbranche. Dafür hat das deutsch-spanische Unternehmen vor vier Jahren ein kleines molekularbiologisches Labor in Kleinmachnow eröffnet. Dort arbeitet der Biotechnologe René Schellin seit einem Vierteljahr. Er analysiert, ob frisches Obst und Gemüse in gesundheitlich bedenklicher Menge mit Pflanzenschutzmitteln oder Krankheitserregern kontaminiert sind.

„Wir untersuchen Lebensmittelproben von Handelsketten, aber auch von Erzeugern“, erklärt der 28-Jährige. „Denn sowohl Händler als auch Landwirte wollen das Risiko vermeiden, wegen verunreinigter Produkte in die Schlagzeilen zu kommen.“ Auch internationale Lebensmittelagenturen, die für große Händler den globalen Transport der Waren übernehmen, zählen zu den Kunden. Sie wollen sich ebenfalls mit den mikrobiologischen Tests absichern. „Die Zeit sitzt uns dabei immer im Nacken“, sagt René Schellin. Denn die Analysen müssen stets möglichst schnell erstellt werden.

Mikrobiologen untersuchen Proben von Arzneimitteln

„Wir sind das letzte Bollwerk vor den Patienten.“ So beschreibt Detlef Schlote den Stellenwert, der der biologischen Qualitätskontrolle zukommt. Er ist Chef der BQC (Biological Quality Control) in der Produktion der Pharma-Abteilung vom Chemie- und Pharmaziekonzern Bayer. Schlote führt ein Team aus 42 Mitarbeitern. Er und seine vier Leiter der Test-Labore sind Mikrobiologen, die für die Untersuchung der Arzneimittelproben zuständig sind.

Leiter der biologischen Qualitätskontrolle bei Bayer: Dr. Detlef Schlote.
Leiter der biologischen Qualitätskontrolle bei Bayer: Dr. Detlef Schlote. © Adrienne Kömmler | Adrienne Kömmler

„Ich wollte nicht nur reine Forschung machen. Die Welt der Industrie hat mich fasziniert“, begründet er seine Entscheidung, im Jahr 1989 nach seiner Dissertation zuerst in der Entwicklung, dann in der Qualitätskontrolle des Unternehmens zu arbeiten. Eine führende Aufgabe zu übernehmen bedeute, sich selbst aus der Laborarbeit zu verabschieden. „Ich durfte seitdem höchstens mal ins Mikroskop gucken“, sagt der Mikrobiologe und lacht.

Dennoch findet er seine Arbeit nach wie vor spannend. „Der Reiz liegt im detektivischen Anspruch, Mikroorganismen in Chargen aufzuspüren, die dort nicht hingehören“, sagt der 59-Jährige. Die Vorgaben der Behörden seien sehr streng. Doch in der Regel finde sich nichts in den Proben. „Wir sind am Ende immer froh darüber.“