Berlin. Sie beobachten Foren, twittern oder suchen nach Meinungsführern im Internet. Die Werdegänge von Social-Media-Managern sind vielfältig.

„Trump! Ist das euer Ernst?“ So und so ähnlich lauteten am 9. November 2016 morgens die ersten Kommentare aus Deutschland auf Maritza Kompatzkis Facebook-Account. Ein halbes Jahr lang hatte die Berlinerin in den USA als Freiwillige den Wahlkampf von Hillary Clinton unterstützt. Sie konnte wie die meisten ihrer Freunde kaum glauben, was die Newsticker jetzt meldeten: Donald Trump zieht ins Weiße Haus.

Trotz ihrer Enttäuschung über den Wahlausgang denkt die 24-jährige Politikwissenschaftlerin gern an ihr Praktikum als digitale Wahlkampfhelferin zurück. Sie war als Head of Research für die demokratische Partei im Bundesstaat Vermont unter anderem dafür zuständig, die Aktivitäten der Opposition auf Facebook, Twitter & Co. zu verfolgen und schnell darauf zu reagieren. „Der Wahlkampf in den USA ist unglaublich spannend und energiegeladen“, sagt sie. „Mich hat vor allem fasziniert, wie man über die sozialen Medien Menschen für politische Inhalte begeistern kann.“

Neues Team in Berlin gegründet

Ihr freiwilliges Engagement in den USA war eine wertvolle Erfahrung, die ihr beim Berufseinstieg in Deutschland sehr von Nutzen war. Unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus Vermont stürzte sie sich hier in den nächsten Wahlkampf, diesmal allerdings nicht mehr als Freiwillige, sondern als Angestellte der Kreativagentur Jung von Matt. Die Hamburger Werber waren im Jahr 2017 die Wahlkampfhelfer der CDU: für die Agentur der erste Auftrag aus der Politik. Für ihn wurde Anfang 2017 in Berlin eigens ein Team zusammengestellt.

Die Initiativbewerbungvon Maritza Kompatzki mit ihrer aktuellen Social-Media-Erfahrung aus dem US-Wahlkampf kam offenbar genau zum richtigen Zeitpunkt. „Meine Einstiegsposition als Strategic Researcher und der Arbeitsplatz direkt im Konrad-Adenauer-Haus wurden extra für mich geschaffen“, erzählt die 24-Jährige. Ihr Vertrag lief zwar nur bis zur Wahl, doch länger wollte sie auch gar nicht bleiben, sagt sie. „Jung von Matt ist eine Werbeagentur und arbeitet vor allem für große Marken, ich wollte aber möglichst nah an der Politik bleiben.“

Fast 100 Standorte auf allen Kontinenten

Das ist ihr gelungen: Seit Oktober 2017 arbeitet die Absolventin der Freien Universität (FU) Berlin als Junior Digital Consultant für MSL Germany in Berlin. Das Beratungsunternehmen gehört zur internationalen MSL Group mit fast 100 Standorten auf allen Kontinenten.

Außer Kommunikationsberatung und klassischer PR verstehen sich die Berater vor allem als Spezialisten für Public Affairs. Das heißt, sie entwickeln Strategien, um Unternehmen und Organisationen politisches Gehör zu verschaffen, beispielsweise zu Themen wie Umwelt- oder Verbraucherschutz, Produktsicherheit, Außenhandel oder Besteuerung.

Maßnahmen werden oft kurzfristig beschlossen

Dazu nutzen sie auch soziale Medien. Außer dem Planen von digitalen Inhalten und Anzeigen gehört das Community Management zu den täglichen Aufgaben der Digitalberaterin. Für ihre Kunden – unter anderem ein Unternehmen aus der Pharmabranche – verfolgt Maritza Kompatzki täglich die branchenrelevanten Diskussionen in den sozialen Netzwerken und stimmt kurzfristige Kommunikationsmaßnahmen mit ihren Auftraggebern ab: „Ich bin mitten im Geschehen, das macht viel Spaß und sorgt für den täglichen Adrenalinschub“, sagt sie.

Egal ob Wahlkampf oder Werbung, an den sozialen Medien führt kein Weg vorbei. Allein Facebook kommt in Deutschland auf rund 31 Millionen aktive Nutzer, weltweit sind es mehr als zwei Milliarden. Gut jeder fünfte Deutsche nutzt seinen Facebook-Account täglich, so das Ergebnis einer aktuellen Onlinestudie von ARD und ZDF.

Wichtiges Marketing-Instrument für Unternehmen

Auch Youtube, Google+, Instagram, Twitter, Xing und LinkedIn erreichen jeweils Millionen Bürger in Deutschland. „Soziale Netzwerke sind ein wichtiges Marketinginstrument für Unternehmen“, sagt Juliane Petrich, Leiterin Bildung beim Digitalverband Bitkom. Fast 40 Prozent wollen ihr Budget für Social Media in den kommenden fünf Jahren weiter steigern und Fachkräfte einstellen oder selbst ausbilden.

Ausgewiesene Social-Media-Profis sind allerdings gar nicht so einfach zu finden. Nach wie vor arbeiten dort viele Quereinsteiger mit den unterschiedlichsten Werdegängen. Ihr Handwerkszeug haben sich viele erst im Job angeeignet. Unter den Kollegen von Maritza Kompatzki finden sich beispielsweise Politik- und Kommunikationswissenschaftler, aber auch ein Lebensmittelchemiker, der während seiner Doktorarbeit sein Talent für digitale politische Kommunikation entdeckt hat.

IHK-Lehrgang über zwei Monate

Allerdings kristallisieren sich zunehmend konkrete Berufsbilder heraus – und damit auch spezifische Aus- und Weiterbildungsangebote. So bietet beispielsweise die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin einen zweimonatigen berufsbegleitenden Lehrgang zum Social-Media-Manager an. Das Programm wendet sich vor allem an Mitarbeiter aus Marketing, Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Kundenservice und Vertrieb und kostet rund 1500 Euro.

Auch die Deutsche Presseakademie in Berlin bietet verschiedene E-Learning-Kurse zu Themen wie Social Media & Community Management, Influencer Relations sowie Social Media Controlling und Monitoring (pro Kurs zwischen 600 und 1000 Euro).

Studium mit Social-Media-Bezug

Ebenso kann ein Studium der Startpunkt für eine Social-Media-Karriere sein. In Berlin bieten insbesondere private Hochschulen wie die Hochschule Macromedia und die SRH Hochschule der populären Künste (hdpk) Studiengänge mit Digital- und Social-Media-Bezug an.

Ece Asker, Studentin an der hdpk, hat den Einstieg schon fast geschafft. Seit 2016 arbeitet sie als Werkstudentin für die Berliner Markenagentur Blackflagship und gilt dort inzwischen als Fachfrau für Social-Media-Fragen. „Wir sind ein kleines Team. Ich durfte von Anfang viel mehr machen als in einer großen Agentur, das ist ein Riesenvorteil“, sagt die 23-Jährige. So hat sie beispielsweise schon Social-Media-Kampagnen für eine Luxusautomarke, für den Eishockeyklub Eisbären Berlin und für die Profi-Handballer der Füchse Berlin begleitet.

Gespür für Zielgruppen im Netz

Mit Planungs- und Analysetools wie Facebook Business Manager und Hootsuite kennt sie sich mittlerweile bestens aus und hat ein sicheres Gespür für ihre Zielgruppen im Netz entwickelt. Im März 2018 wird sie ihr Studium abschließen und dann fest bei der Agentur anfangen: „Ich habe mich hier sehr gut eingearbeitet, der Einstieg ist im beiderseitigen Interesse“, sagt Ece Asker.

„Die positiven Aspekte der sozialen Medien kommen viel zu kurz“, sagt hdpk-Student Marvin Kornbrust.
„Die positiven Aspekte der sozialen Medien kommen viel zu kurz“, sagt hdpk-Student Marvin Kornbrust. © privat | privat

Ganz andere Pläne hat ihr Kommilitone Marvin Kornbrust, der im September 2017 seinen Bachelor an der hdpk gemacht hat. Der 22-jährige Einserabiturient findet, dass moderne Medienbildung in Deutschland nicht genügend praktiziert wird. „Alle jammern über Risiken wie Cybermobbing und Onlinesucht, die positiven Aspekte der sozialen Medien kommen viel zu kurz“, findet er. Und das möchte er ändern.

Erster Job in einem Verlag für Schulbücher

Schon während seines Studiums hat er für die Stiftung Digitale Chancen gearbeitet und dort unter anderem Medienworkshops für Lehrer und Schüler organisiert. Wenn alles klappt, wird er demnächst seinen ersten festen Job bei einem Schulbuchverlag antreten und dort das Digitalgeschäft ausbauen. In ein paar Jahren nimmt er dann vielleicht ein passendes Masterstudium in Angriff, so sein Plan.

Die Beispiele zeigen: Das Arbeitsumfeld für Social-Media-Profis ist genauso vielfältig wie die Unternehmen und Organisationen, die Social Media nutzen. Wer viele unterschiedliche Projekte, Zielgruppen und Auftraggeber erleben möchte, ist gerade als Berufseinsteiger bei einer Agentur gut aufgehoben: „Man kann dort in kurzer Zeit sehr viel lernen“, sagt Franzisca Schiwek.

Bachelorarbeit im Unternehmen

Die 28-jährige Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin hat 2015 ihre Bachelorarbeit bei der Markenagentur Sasserath Munzinger Plus geschrieben und stieg anschließend nahtlos als Social-Media-Beraterin für verschiedene Lifestyle-Marken im Berliner Büro ein. Ende 2015 wechselte sie als Social-Media-Managerin zur McFit Global Group, wo sie mittlerweile ein kleines Team leitet. Dort setzt sie Social-Media-Aktivitäten für verschiedene Länder und Marken der Fitnesskette um, darunter beispielsweise auch für die hauseigene Modelagentur oder die neue Studiokette John Reed.

Franziska Schiwek hat ihre Bachelorarbeit bei einer Markenagentur geschrieben
Franziska Schiwek hat ihre Bachelorarbeit bei einer Markenagentur geschrieben © privat | privat

„Im Vergleich zum Agenturgeschäft kann ich mich heute intensiver mit dem Unternehmen, unseren Marken und unserer Community auseinandersetzen und bin intern viel besser vernetzt“, sagt sie. Anders als ein externer Berater, der projektbezogen angeheuert wird, arbeitet Schiwek eng mit ihren Kollegen aus dem Marketing zusammen und kann Ideen und Vorschläge bereits früher einbringen. Wichtig sei jedoch, den Tunnelblick zu vermeiden. Ihr Tipp: „Social Media ist permanent im Wandel, und es gibt ständig etwas Neues. Man muss wach und interessiert bleiben und immer gucken, was die anderen machen.“