Warum Bewerber eigentlich bei der Wahrheit bleiben sollten – aber nach einer Krankheit eine Notlüge sinnvoll ist

Viele Bewerber haben in ihrem Lebenslauf ein paar Monate, die sie Personalentscheidern im Unternehmen nur schlecht erklären können. Für solche Lücken im beruflichen Werdegang gibt es viele Gründe, zum Beispiel eine Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Doch ab wann sollten Bewerber solche Lücken tatsächlich thematisieren, um kein Stirnrunzeln beim Personaler zu provozieren? Und welche Zeitspannen darf man in seiner Vita einfach offen lassen?

„Früher sollte ein Lebenslauf möglichst lückenlos sein“, sagt Kay Becker, der in Hamburg „Coaching für Beruf und Privatleben“ anbietet. „Doch das gilt als veraltet.“ Lücken von weniger als drei bis vier Monaten sollten Bewerber darum gar nicht erst erwähnen, empfiehlt er. „Das sind Orientierungs- oder Findungsphasen, wie sie heute als völlig normal angesehen werden.“

So ähnlich schätzt es auch Businesscoach Karena Buder ein: „Erst ab drei Monaten sind Lücken erklärungsbedürftig“, sagt sie, betont aber auch, dass es auf den Gesamteindruck des Lebenslaufs ankomme. „Wenn man die Unternehmen oft wechselt und dann auch noch jedes Mal zwischen zwei Jobs Lücken hat, wird der Personaler stutzig“, erklärt sie. Jobhopper sollten dringend versuchen, einen roten Faden in ihren Werdegang zu bringen. „Eine einzige längere Lücke dagegen ist nicht schlimm.“

Natürlich sieht es nie gut aus, wenn im Lebenslauf dann einfach nur „arbeitssuchend“ steht. Ein bisschen mehr Kreativität braucht es schon. Was nach Ansicht der Experten aber keinesfalls „lügen“ heißen sollte. Heutzutage spreche nichts dagegen zu sagen, „Ich bin auf Jobsuche, aber stelle auch fest, dass es nicht so einfach ist“. Das sei souverän und wirke sympathisch, ist Karena Buder überzeugt. Darüber hinaus sollte man darauf hinweisen, womit man seine Zeit der Arbeitslosigkeit ausgefüllt hat. Da dürfe ruhig stehen, dass man sich am Anfang erst einmal eine lang ersehnte Reise oder ein Sabbatical gegönnt hat – auch wenn das möglicherweise eine leicht gebeugte Wahrheit ist. Oder man schreibt: „Ich nutze die Zeit, um mich im Thema xy weiterzubilden“, rät Buder. Allerdings sollte der Kandidat dann auch darauf vorbereitet sein, dass Unternehmensvertreter später im persönlichen Gespräch nach eben jener Weiterbildung fragen. Außerdem: Rechtlich sauber seien falsche Tatsachenbehauptungen nicht, warnt Arbeitsrechtsanwalt Hans-Georg Meier. Komme die Wahrheit ans Licht, müssten Bewerber damit rechnen, dass sie ihren Job verlieren. Im schlimmsten Fall könne die Lüge sogar strafrechtliche Konsequenzen haben. Das sei immer dann der Fall, wenn Berufstätige Qualifikationen erfinden, die sie nicht haben. Bewerber sollten es sich deshalb gut überlegen, ob sie mit der Wahrheit nicht besser fahren.

Doch abseits von aller Schwindelei: Kay Becker stellt in seinen Bewerbungscoachings immer wieder fest, dass es vor allem die Jobsuchenden selbst sind, die Auszeiten in ihrem Lebenslauf problematisch finden. Er beruhigt sie: „Bei einem Ortswechsel zum Beispiel fällt eine Lücke von einem Jahr überhaupt nicht ins Gewicht.“ Auch wer sich Zeit für seine Kinder nimmt, länger als die normale Elternzeit, oder sich um pflegebedürftige Angehörige gekümmert hat, sollte sich nicht scheuen, das auch so zu benennen, rät Becker. „Damit ist das dann erledigt.“ Das Gefühl, da etwas schönreden zu müssen, sei völlig unnötig. Überhaupt ist das Fokussieren auf ein vermeintliches Defizit unsinnig. „Ich empfehle immer, den Fokus auf etwas anderes zu setzen“, sagt Kay Becker: „Warum will ich diesen Job? Warum bin der Richtige dafür? Warum passe ich ins Unternehmen?“ Wer darauf schlüssige Antworten geben kann, sei auf jeden Fall schon einmal interessant für den Arbeitgeber.

Allerdings gibt es eine klare Ausnahme von der Empfehlung, auch mit größeren Lücken möglichst offen umzugehen: Krankheiten. Abgesehen von Unfällen, bei denen man nach einer Reha-Maßnahme als wieder normal belastbar gilt, werden Krankheiten dem Bewerber immer noch zum Nachteil ausgelegt, sagt Kay Becker. Am korrektesten wäre es natürlich auch hier, bei der Wahrheit zu bleiben und beispielsweise einen einjährigen Klinikaufenthalt anzugeben. Die Erfahrung zeige aber, dass Bewerber dann kaum eine Chance haben, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, sagt Bewerbungscoach Jürgen Hesse. Er empfiehlt deshalb, die Lücke kreativ zu füllen und sich eine Ausrede auszudenken.

Karrierecoach Kay Becker rät dazu, auch die Erkrankung im Werdegang als „Phase der beruflichen Neuorientierung“ zu titulieren. Ganz falsch sei das ja ohnehin nicht: „Der Mensch sucht nach so einer Erfahrung ja vielleicht wirklich einen Job, der ihm mehr liegt oder ihn weniger krank macht.“ Rechtlich gedeckt sei diese Notlüge ohnehin: „Solange die überstandene Erkrankung keine Auswirkungen auf den Job hat, ist sie Privatsache.“