In welchen Fällen Bewerbern abgesagt werden darf und wo die rechtlichen Grenzen für die Wahlfreiheit der Firmen liegen

Verkäufer, Messehostess oder Kundenberater – in Jobs wie diesen spielt das Aussehen eine große Rolle. Bewerber, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, können schnell eine Absage bekommen. „Dagegen etwas zu machen ist in der Regel sehr schwer“, sagt Michael Eckert. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied im Vorstand des Deutschen Anwaltvereins. Lehnt ein Arbeitgeber einen Bewerber mit der Begründung ab, er sei zu dick, zu dünn oder zu hässlich, sei das zwar moralisch fragwürdig, rechtlich jedoch häufig zulässig. Denn so etwas gilt nicht in jedem Fall als Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Vor dem Arbeitsgericht Darmstadt hat zum Beispiel jüngst eine erfolglose Bewerberin um einen Führungsposten geklagt, weil sie angeblich als zu dick abgelehnt wurde. Die 42-Jährige verlangte 30.000 Euro Entschädigung, hatte aber keinen Erfolg. Die Ablehnung sei kein entschädigungspflichtiger Eingriff gewesen, urteilte die Richterin. Außerdem sei nicht bewiesen, dass der Grund für die Absage tatsächlich das Übergewicht war. Die Frau will nun vor das Landesarbeitsgericht ziehen.

Genau darin liegt für Bewerber, die sich vom potenziellen Arbeitgeber diskriminiert fühlen, in der Regel immer das Problem: Um sich rechtlich abzusichern, führt ein Personaler Format oder Optik eines Bewerbers nicht offen als Ablehnungsgrund an. Und ohnehin werden Bewerber mit Übergewicht, Tattoos oder einem Aussehen, das in irgendeiner anderen Weise auffällig ist, vom sogenannten Antidiskriminierungsgesetz gar nicht ausdrücklich geschützt.

„Solange er sich bedeckt hält, ist er aus dem Schneider“, sagt Arbeitsrechtlerin Sandra Flämig über den Unternehmensvertreter, der einem Bewerber absagt. Genau aus diesem Grund stehen im Ablehnungsschreiben meist leere Standardphrasen.

Bewerber, die sich wegen ihrer Optik missachtet fühlen, haben nur in solchen Fällen eine Chance, wenn ihr Aussehen Ausdruck einer Behinderung ist. Die muss gar nicht schwer sein: Unter Umständen fällt schon eine missgestaltete Nase darunter. Auch Adipositas (massives Übergewicht), meist in Verbindung mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kann eine anerkannte Behinderung sein. In dem Fall können sich Jobsuchende aufs AGG berufen.

Und so sieht es mit der Ablehnung wegen des Geschlechts oder persönlicher Vorbehalte gegen Menschen aus anderen Regionen aus:

Was, wenn Bewerber die Stelle nicht bekommen, weil sie keine Frau sind?

Wer sich als Mann auf die Annonce „Sekretärin gesucht“ bewirbt und abgelehnt wird, hat vor Gericht eher gute Karten, weil eine Ausschreibung weder Männer noch Frauen bevorzugen darf: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet jegliche Benachteiligung wegen des Geschlechts. Auch aufgrund von ethnischer Herkunft, ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, aufgrund ihres Alters oder der sexuellen Identität dürfen Bewerber keine Absage erhalten.

Wann sind Einschränkungen bei der Bewerberauswahl rechtlich erlaubt?

Das hängt von der Tätigkeit ab. Gewisse Anforderungsprofile hebeln das AGG aus. „Wenn es wirklich sachliche Gründe gibt, die nicht nur vorgeschoben sind, ist eine Ablehnung okay“, sagt Arbeitsrechtlerin Flämig. Die Leitung eines Frauenhauses dürfe etwa offen nach ausschließlich weiblichen Assistenzkräften suchen. Da greift die Gleichbehandlung der Geschlechter nicht.

Dürfen Bewerber mit anderem Zungenschlag abgelehnt werden?

Das Arbeitsgericht Stuttgart lehnte im Jahr 2010 die Klage einer damals 49-jährigen Buchhalterin ab, die als Ostdeutsche keine Stelle bei einer schwäbischen Fensterbauer-Firma bekam. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf hatte der potenzielle Arbeitgeber „(-) Ossi“ vermerkt. Das Gericht betrachtete die Sachsen nicht als eigene Ethnie und beurteilte den Vorfall dementsprechend nicht als Benachteiligung aufgrund der „ethnischen Herkunft“. Die Folgen fürs Image des Unternehmens sollte dennoch kein Arbeitgeber unterschätzen.

Wie lässt sich Diskriminierung belegen?

Das ist schwierig. Selbst wenn sich der Gesprächspartner im Jobinterview zu einer negativen Äußerung hinreißen lässt: Der abgelehnte Bewerber muss vor Gericht ein Indiz dafür vorlegen, dass der Grund für die Absage tatsächlich AGG-würdig war, also zum Beispiel seine Behinderung. Ein solches Indiz läge vor, wenn der Personaler im Interview gesagt hat: „Mit Ihrem missgestalteten Gesicht ist für Sie bei uns leider kein Platz.“ Allerdings müsste der Bewerber vor Gericht einen Zeugen für eine solche Aussage präsentieren können.

Wie schnell müssen abgelehnte Bewerber klagen?

Wollen Bewerber vor Gericht ziehen, sollten sie rasch aktiv werden. Die Klage vor dem Arbeitsgericht müsse in der Regel spätestens zwei Monate nach der Absage eingereicht werden, sagt Arbeitsrechtler Michael Eckert.