Serie „Eltern im Job“. Letzter Teil: Familienfreundlichkeit kommt an. Natalja Jaworskaja entdeckte ihren Arbeitgeber durchs Hamburger Familiensiegel

Zuerst war es nur ein Schuss ins Blaue: Auf der Suche nach einer neuen Stelle gab Natalja Jaworskaja vor gut einem Jahr den Begriff „familienfreundliche Unternehmen“ im Internet ein. Prompt landete sie auf der Seite des Hamburger Familiensiegels – die sie zu ihrem heutigen Arbeitgeber Friedrich Karl Schroeder (FKS) führte.

Seit knapp einem Jahr betreut die Steuerfachfrau jetzt in Vollzeit den Debitorenbereich der Buchhaltung für das Hamburger IT-Unternehmen. Ihre 16-jährige Tochter Anastasia und der zehnjährige Sohn Michael sind zwar schon sehr selbstständig. „Trotzdem entspannt es mich, zu wissen, dass ich ohne schlechtes Gewissen nach Hause kann, wenn eines der Kinder mal krank sein sollte“, sagt Jaworskaja. Das habe sie in ihrer alten Firma anders empfunden.

So wie die gebürtige Ukrainerin achten immer mehr Jobsuchende auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie. „Untersuchungen zeigen, dass Bewerber dieses Kriterium inzwischen genauso wichtig nehmen wie einen Gehaltszuwachs“, sagt Professorin Irene Gerlach vom Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP) in Münster. Das bestätigt auch Frank Müller, Personalleiter bei Airbus in Hamburg: „Früher kamen im Bewerbungsgespräch zuerst Fragen nach den Karrierechancen, inzwischen vermehrt zur betrieblichen Kinderbetreuung oder der Möglichkeit, Aufgaben auch im Home-Office zu erledigen.“ Untätigkeit bei dem Thema könne sich keine Firma mehr leisten. Gerade hat der Flugzeugbauer seine Betriebskita Beluga um 40Plätze erweitert, bietet weitere Belegplätze in anderen Kindergärten an sowie Teilzeit und flexible Arbeitszeitmodelle auch für Führungskräfte. Zudem versuche man der in Deutschland verbreiteten Präsenzkultur alternative Denkmuster entgegenzusetzen. So unterstütze es das Unternehmen, wenn auch Väter Elternzeit oder später eine längere Auszeit für ihre Kinder in Anspruch nehmen.

„Konzerne haben oft ganz andere Möglichkeiten als kleinere Firmen“, sagt Professorin Gerlach. Nachteile muss das aber auch für die Angestellten der Kleinen nicht bringen. Es zähle die Unternehmenskultur und Unterstützung in der jeweiligen Situation. Insbesondere der direkte Draht zum Chef, oft bei kleineren Unternehmen gang und gäbe, könne hilfreich sein. Als Natalja Jaworskajas Mann zum Beispiel vor einigen Monaten länger als erwartet im Krankenhaus bleiben musste und sich nicht um die Kinder kümmern konnte, bekam sie spontan frei. „Meine Arbeit übernahmen Kollegen, das ist hier bei Notfällen so üblich“, sagt sie. Jeder habe Verständnis für den anderen. Falls es eng wird, können auch Azubis Aufgaben übernehmen. Flexible Arbeitszeiten und Teilzeit selbst mit wöchentlich unterschiedlichen Tagen sind bei FKS ebenso möglich.

Solche Maßnahmen zahlen sich aus. Nach einer Studie des Forschungszentrums FFP fällt die Krankheitsquote der familienfreundlichsten Unternehmen um 22 Prozent niedriger aus als im Schnitt, die Mitarbeiter sind motivierter und qualifizierter, arbeiten sich schneller ein und kündigen seltener. „Insbesondere vor dem Hintergrund von demografischem Wandel und drohendem Fachkräftemangel ist es wichtig, attraktive Angebote zu schaffen, sonst fährt der Zug irgendwann malvorbei“, sagt Airbus-Personalleiter Müller.

Schon deshalb unterziehen sich immer mehr Firmen einem Audit, verbunden mit einem Siegel, welches das Familienbewusstsein sichtbar macht. FKS entschied sich 2009, sich ums Hamburger Familiensiegel für kleine und mittelständische Betriebe zu bewerben. Dass die Firmen dieses auch verdienen, müssen sie anhand unterschiedlicher Befragungen belegen, alle zwei Jahre erfolgt eine Überprüfung. „Damit können wir nach außen zeigen, dass uns das Thema am Herzen liegt“, sagt FKS-Sprecherin Kristina Mielke. So prangt das Logo beispielsweise auf der Homepage, bei Azubi-Messen auf einem Banner und auf einer Urkunde im Foyer. Airbus wiederum nahm 2012 am Wettbewerb der Prüforganisation Dekra teil und belegte den ersten Platz in der Kategorie „familienfreundliche Arbeitswelt“. „Es ist nicht nur wichtig sich entsprechend aufzustellen, sondern auch, es bekannt zu machen“, sagt Müller.

Inzwischen gibt es mehrere bundesweite Siegel, beispielsweise verliehen von der Bertelsmann oder der Hertie Stiftung – sowie zunehmend Wettbewerbe. „Die Landschaft hat sich hier extrem vervielfältigt“, sagt Professorin Gerlach. Gleichwohl gelte nicht automatisch, dass Firmen ohne Label keine familienfreundliche Personalpolitik betrieben. Einen Hinweis geben auch Aktivitäten wie die betriebseigene Kita oder flexible Arbeitszeitmodelle. „Und im Vorstellungsgespräch signalisieren solche Firmen von sich aus, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu unterstützten.“ Das erlebte auch Jaworskaja: „Für mich war nach dem Gespräch klar, dass ich hier anfangen möchte.“

www.hamburg.de/familiensiegel