Das Studium ist anspruchsvoll, viele geben auf. Die Uni Hamburg hat dank ihrer Einsteigerangebote eine moderate Abbrecherquote

Marie-Sophie Litz weiß, wie es ist, tagelang an einer Aufgabe zu sitzen und einfach keine Lösung zu finden. „Und dann ganz plötzlich hat man einen Geistesblitz, und es passt alles“, erzählt die 26-jährige Mathematik-Studentin. Anders als Litz geben viele Studenten allerdings vorzeitig auf. An der Uni Hamburg sind es etwa 50 Prozent. Im bundesweiten Vergleich ist das allerdings ein guter Wert: Laut einer Studie der Uni Duisburg-Essen brechen generell etwa 80 Prozent ihr Mathestudium ab.

Eine intensive Betreuung sei mit ein Grund fürs Durchhaltevermögen der Hamburger Mathe-Studierenden, sagt Fachbereichsleiter Professor Armin Iske. Mit der Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge habe man Zusatzangebote verstärkt, jetzt bieten zum Beispiel studentische Hilfskräfte und Tutoren den Studenten gezielte Unterstützung an.

Ein Test verrät Abiturienten, ob sie reif fürs Mathestudium sind

Um die Hamburger Quote noch weiter zu verbessern, bereiten Iske und seine Kollegen den Einsatz eines Online-Brückenkurses vor, der angehenden Studenten zeigen soll, ob sie fürs Fach geeignet sind. Eine Abschlussprüfung für den Kurs gebe es allerdings nicht: „Jeder mit allgemeiner Hochschulreife kann sich um einen Studienplatz bewerben.“ Was auch zunehmend viele tun: Im Fachbereich Mathematik – Mathe, Wirtschaftsmathematik und Lehramt – sind aktuell mehr als 400 Bachelor-Studenten im ersten Studienjahr eingeschrieben. „Damit sind wir inzwischen aber auch am Rande unserer Kapazitäten“, sagt Professor Iske.

Doch trotz aller Attraktivität, „Mathematik ist und bleibt ein schwieriges Studienfach“, sagt der Fachbereichsleiter. Um durchzuhalten, müsse man zwei Eigenschaften mitbringen: Talent und ein besonderes Interesse am Fach, größer als für viele andere Studiengänge. „Im Mathe-Studium muss man sich in erhöhtem Maße konzentrieren und viel üben“, fasst Iske zusammen. Natürlich solle das soziale Leben nicht zum Erliegen kommen. „Aber es wäre schon gut, nicht zu viel Ablenkung zu haben.“

Um ihren Berufseinstieg müssen Mathematiker sich nicht sorgen. Ihre Perspektiven sind exzellent. „Man kann von Vollbeschäftigung sprechen“, sagt Günter Törner, der die Mathe-Studie an der Uni Duisburg-Essen durchgeführt hat. Die wichtigsten Arbeitgeber sind Versicherungen, Banken und Unternehmensberatungen. „Mathematiker sind dank ihres Abstraktionsvermögens aber auch für jeden anderen Job befähigt, der eine hohe Analysefähigkeit verlangt“, sagt Professor Armin Iske. „Schon zur Absolventenfeier stehen viele in Lohn und Brot.“

Dass Mathe ein typisches Männerfach ist, gilt übrigens längst nicht mehr. „In der Wirtschaftsmathematik haben wir ein Verhältnis von 50:50“, sagt Iske. „Und auch global über alle mathematischen Fächer gesehen, erreicht der Frauenanteil fast 50 Prozent.“ Gerade Studentinnen hätten viel Disziplin und seien fürs Mathestudium gut gewappnet, hat er festgestellt. „Ich kann junge Frauen nur ermutigen, MINT-Fächer zu studieren.“ (MINT = Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik)

Vorkurse bringen die Studienanfänger auf den gleichen Wissensstand

Den Grundstein für ein erfolgreiches Studium legen Anfänger, indem sie Vorkurse besuchen. Fast alle Hochschulen bieten sie an, auch die Hamburger Uni. In den Vorkursen, die freiwillig sind, werden die Themen aus der Oberstufe wiederholt und die Anfänger fachlich auf einen Wissensstand gebracht. Gerade das hält Fachbereichsleiter Iske für enorm wichtig: „Die Vorkenntnisse von Abiturienten sind sehr unterschiedlich“, sagt er. „Selbst wer gute Mathenoten hat, liegt mit seinem Wissen im Vergleich zu Abiturienten anderer Schulen nicht unbedingt vorn.“ Studentin Litz empfiehlt den Besuch der Vorkurse auch noch aus einem anderen Grund: Man könne dort als Uni-Neuling Freundschaften schließen und Kontakte für die ersten Übungsgruppen finden.

Doch neben aller Vorbereitung brauchen Studenten besonders am Anfang eine hohe Frustrationstoleranz. Denn die Mathematik an der Uni unterscheidet sich stark von der in der Schule, erklärt Jürg Kramer, Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. „Nur weil jemand in der Schule gern gerechnet hat, heißt das noch nicht, dass er im Studium erfolgreich sein wird.“ Mathe-Vorlesungen sind um einiges komplexer. Anfangs Übungsaufgaben zu verpatzen und auch nach längerem Knobeln nicht auf die Lösung zu kommen, ist normal. Davon sollten sich Erstsemester nicht entmutigen lassen – und konsequent weiter versuchen, ihre Übungsblätter selbst lösen. „Mathe ist nichts, was man durch Anschauen und Zuhören lernt“, sagt Professor Iske. „Man kann es damit vergleichen, ein Musikinstrument zu erlernen: Da hilft auch nur immer wieder konzentriertes Üben.“

Wie viele Stunden im ersten Semester zum Studieren ideal sind, lässt sich schwer sagen. 25 zusätzliche Stunden pro Woche sollten Studenten mindestens über die Lehrveranstaltungen hinaus investieren.

Studentin Litz hat die Mathematik am Ende so sehr gereizt, dass sie nach ihrem Bachelor in Mathe und Chemie auf Lehramt auf einen Doppelmaster umgestiegen ist. Zum Lehramtsstudium ist noch reine Mathematik hinzugekommen. „Das andauernde Knobeln und die Logik dahinter – darauf hatte ich einfach richtig Lust.“ Wohin es nach dem Abschluss gehen soll, weiß sie noch nicht so richtig. „Ich fände es spannend, zu promovieren.“ Sie könne sich aber auch vorstellen, Risikoanalysen für Versicherungen zu machen. Nur das mit dem Lehramt, das steht im Moment bei ihr nicht so hoch im Kurs.