Heute lernen, morgen managen – der Einzelhandel bietet jungen Menschen frühzeitig Aufstiegsmöglichkeiten zum Verkaufs- oder Filialleiter

Einen Tag vor Heiligabend hätte Jonathan Weber eigentlich frei gehabt. Zeit um Geschenke zu verpacken, einzukaufen. Doch der 19-jährige wollte davon nichts wissen. Dieser Tag ist Hauptverkaufstag im Lebensmittelhandel, und in seinem Ausbildungsbetrieb, dem Edeka-Center Struve in Eidelstedt, drängelten sich Kunden, Kisten, Präsentkörbe. „Das konnte ich mir doch nicht entgehen lassen. Ich habe mich freiwillig für den Dienst gemeldet“, sagt Jonathan Weber, der die Obst- und Gemüseabteilung verstärkte. „Ich koche gerne und interessiere mich dafür, wo die Lebensmittel herkommen.“

Seit einem halben Jahr lässt sich der junge Mann zum integrierten Handelsfachwirt bei Edeka Struve ausbilden. Dafür absolviert er in anderthalb Jahren die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Eine Kombination aus Praxisphasen in Eidelstedt und Lernfeldtheorie in der Food-Akademie Neuwied. „Das ist organisiert wie ein Internat“, sagt Jonathan Weber. Anschließend erfolgt die ebenfalls auf anderthalb Jahre verkürzte Weiterbildung zum Handelsfachwirt. „Ich spare Zeit, sammele Praxiserfahrungen und verdiene auch noch etwas dabei“, fasst der Auszubildende die Vorteile seines Weges zusammen. „Ein BWL-Studium hat mich einfach nicht gereizt.“

Dafür die Karrierechancen im Einzelhandel umso mehr. „Irgendwann werde ich mich selbstständig machen und mein eigenes Geschäft haben“, sagt der Neuhamburger, der eigens für die Ausbildung von Minden hergezogen ist, weil ihn zum einen die Stadt, zum anderen die Stimmung unter den Struve-Mitarbeitern gut gefallen habe. Unter dem Dach der Edeka-Gruppe haben sich verschiedene Eigentümer zusammengeschlossen. Einer davon ist das Familienunternehmen Struve.

„Lange Zeit hatte der Einzelhandel bei jungen Leuten ein ganz schlechtes Image“, sagt Christina Gille, Leiterin für Personalentwicklung bei Edeka Struve. Nach dem Motto: Wenn nichts mehr geht, Verkäufer geht immer. „Doch inzwischen bekommen wir sehr gute Bewerbungen und freuen uns über so viel Ehrgeiz“, sagt die Personalleiterin. Bei sehr guter Ausbildungsleistung bietet das Unternehmen ein Junioren-Aufstiegsprogramm und anschließend die Weiterbildung zur Führungskraft im Handel an.

Für Karina Feustel gab dies den Ausschlag, um von Edeka Ammersbek zu Struve zu wechseln. „Wir begleiten die Marktleiter auf Schritt und Tritt und bilden uns in den Bereichen Personalführung, Einkauf, Sortiment und Organisation weiter“, sagt die 22-Jährige. Im September wird Karina fertig – dann ist sie bereit für die nächste Karrierestufe als Marktleiterin.

Die Chancen, nach einer erfolgreichen Ausbildung Karriere im Lebensmittelhandel zu machen, sind auch bei den Mitbewerbern groß. „Heute lernen. Morgen managen“, lautet beispielsweise das Motto bei dem Discounter Penny-Markt, der zur Rewe Gruppe gehört. Auch hier gibt es das Zwei-Stufen-Modell aus kaufmännischer Lehre und Handelsfachwirt, das speziell Abiturienten anspricht und mit dualen Studienangeboten und Traineeprogrammen für Hochschulabsolventen konkurriert.

Weder die Ausbildungsangebote im Einzelhandel noch die Führungsaufgaben sind auf Abiturienten beschränkt. „Wir ermöglichen es jungen Menschen, früh Verantwortung zu übernehmen“, sagt Christina Stylianou. Die Sprecherin der Netto Marken-Discount AG kennt mehrere Varianten der Erfolgsstory: von der Aushilfe zum Filialleiter. Der Aushilfsjob oder das Praktikum sind ein typischer Einstieg im Einzelhandel – eine Orientierungshilfe für Berufseinsteiger und Arbeitgeber gleichermaßen. „Man steht viel zwischen Kassen und Regalen, packt aus und räumt ein. Es ist nichts für Leute, die lieber im Büro sitzen“, sagt Stylianou.

Aber es war genau das Richtige für Lars Bergmeier, der nach der Mittleren Reife als Praktikant und anschließend Aushilfe bei Netto in Bremen anfing. „Das hat mir super gut gefallen, man arbeitet im Team und kann täglich sehen, was man geschafft hat.“ Leere Regale neu füllen, Waren rechtzeitig bestellen und einlagern, Kunden beraten und Umsatz machen beispielsweise. „Wenn du dir immer wieder kleine Ziele setzt und dabei bleibst, kannst du groß herauskommen“, versprach zudem ein Ausbilder dem damals 17-Jährigen. Bergmeier begann eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und übernahm bereits nach drei Monaten vertretungsweise eine Filialleitung. „Ich habe einfach hinter das Netto-Konzept schauen wollen, habe Fragen gestellt und Einsatz gezeigt. So durfte ich früh Verantwortung übernehmen.“

Gerade volljährig und schon weit ältere Mitarbeiter führen, das habe ihm Respekt eingeflößt. „Aber der Verkaufsleiter hat mich unterstützt“, sagt Bergmeier. Inzwischen ist er selbst Verkaufsleiter, mit 25 Jahren. „Ich habe die Verantwortung für 120 Mitarbeiter und sieben Hamburger Filialen.“ Seine Arbeitstage organisiert er selbst, besucht täglich zwei Geschäfte und spricht mit den Mitarbeitern. Der Kontakt zu den Auszubildenden sei ihm wichtig: „Sie sollen wissen, wir bieten gute Aufstiegschancen, mit oder ohne Studium.“