Krankenhäuser gehen vermehrt auf die Bedürfnisse der Berufseinsteiger ein und locken mit Teilzeit, Begrenzung der Überstunden, Au-pair-Services

„Anders als im Praktischen Jahr, in dem Studierende eher zuschauen oder unter Aufsicht lernen, trage ich jetzt zusammen mit dem Chefarzt die Verantwortung für den Patienten und seine Genesung.“ So beschreibt Aljosha Deen seinen Berufseinstieg und ergänzt: „Als Assistenzarzt musste ich lernen, meinen Arbeitstag so zu strukturieren, dass er den Patienten, den Angehörigen, dem Stationsablauf, den bürokratischen Anforderungen und den eigenen Ansprüchen gerecht wird.“

Der 28-jährige Bremer hat seine Facharztausbildung auf der Sucht- und Borderline-Station der Schön Klinik Eilbek begonnen, in einem Haus der Allgemein- und Regelversorgung mit 700 Betten und 1500 Mitarbeitern. Eigentlich wollte Deen Kinderarzt oder Neurologe werden, entschied sich dann aber für die Psychiatrie, „weil ich dort ganzheitlich behandeln kann. Hier werden nicht nur internistische und neurologische Fragen tangiert, sondern eben auch die psychologische Ebene.“

Junge Assistenzärzte sind begehrt, denn es zeichnet sich ein Ärztemangel ab. Rund 5000 Stellen für Assistenzärzte mit oder in Weiterbildung können zurzeit nicht besetzt werden, wobei die wirkliche Zahl höher liegt. In vielen Krankenhäusern sind mehrere Stellen offen, aber nur eine wird ausgeschrieben, damit die Bewerber keine Rückschlüsse auf die „Dienstesituation“ ziehen. Denn nach wie vor ist die Arbeitsbelastung der Krankenhausärzte sehr hoch. Im Mittel arbeiten vollzeitbeschäftigte „Assis“ rund 55 Stunden pro Woche. Die meisten Ärzte würden gern mehr Freizeit haben. Dies gilt insbesondere für die jüngere Ärztegeneration.

Personalleiter Michael van Loo, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf: „Die neue Generation von Ärzten ist anspruchsvoller, gerade auch weibliche Bewerber achten mehr auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Nach wie vor erhalten die Universitätskliniken deutschlandweit die meisten Bewerbungen auf Assistenzarztstellen, sodass dort von einem flächendeckenden Mangel an Nachwuchs noch keine Rede sein kann.

Doch auch in Eppendorf richtet man sich an den Bedürfnissen der Ärzte aus. Es herrsche eine gute Führungskultur, sagt van Loo, und zahlreiche Maßnahmen unterstützen die Ärzte bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. So gibt es für junge Mütter „Am-Ball-bleiben-Programme“, das heißt, sie können an Fort- und Weiterbildung teilnehmen – inklusive einer Kinderbetreuung. Ein Teilzeiteinstieg ist auch für Assistenten möglich, Kindergartenplätze stehen bereit sowie Au-pair-Dienste und ein Leih-Oma-Service. Und auch die Länge der Arbeitszeit ist geregelt: „Im UKE gibt es keine Bereitschaftsdienste, sodass Ärzte maximal 48 Stunden pro Woche arbeiten“, betont Personalleiter Michael van Loo.

Anders als noch vor 15 Jahren haben junge Assistenzärzte die freie Wahl und führen meistens mehrere Bewerbungsgespräche in Kliniken, bevor sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden. Dabei ist ihnen nicht nur die strukturierte Weiterbildung und das Betriebsklima wichtig. „Einen großen Teil meiner Kraft und meines Engagements gebe ich gerne für den Beruf, aber mir ist ebenso wichtig, dass außerhalb der Medizin und Psychiatrie Raum für ein Privatleben gewährleistet ist“, sagt Aljosha Deen.

Der Assistenzarzt der Schön Klinik Eilbek, der in seiner Freizeit Fußball spielt und als Hobby-Kabarettist die Medizin aus humoristischer Sicht beleuchtet, suchte einen Arbeitgeber, „der mir nicht nur eine gute Weiterbildung und Raum für Kreativität sowie Mitgestaltung bietet, sondern bei dem ich auch die Möglichkeit habe, meine privaten Interessen weiter leben zu können“.

Angehende Ärzte sollten im Bewerbungsgespräch ruhig offen ihre Fragen zu Weiterbildungsprogrammen, Curriculum und Dienstorganisation stellen, ermutigt Gunda Dittmer, Personalleiterin des Klinikum Itzehoe. „Junge Ärzte schätzen ein konstruktives Betriebsklima und eine gute Führungskultur, und im Gespräch sollten sie auch diese Punkte in Erfahrung bringen.“

Das akademisches Lehrkrankenhaus mit 700 Betten und 1800 Mitarbeitern liegt für manche Bewerber schon „ganz weit draußen“ – obwohl es in 30 bis 40 Minuten gut zu erreichen ist. Denn die Metropole Hamburg zieht die meisten Assistenzärzte magisch an, Krankenhäuser in entlegeneren Regionen Norddeutschlands haben es schwerer, genügend Bewerber zu interessieren.

Wie das UKE bekommt auch das Haus in Itzehoe derzeit noch genügend und gute Bewerbungen, sagt die stellvertretende Krankenhausdirektorin. Das liege sicher auch an einer modernen Personalpolitik. So können – wenn es die private oder gesundheitliche Situation erfordert – temporär die Nachtdienste ausgesetzt werden. Durch Maßnahmen wie strukturierte Feedbackgespräche, flexible Arbeitszeiten oder die Kinderbetreuung in der hauseigenen Kita werde die Zufriedenheit der Mitarbeiter gefördert. Die Berufseinsteiger bekommen auch einen Mentor zugeteilt, der die strukturierte Weiterbildung betreut, und in speziellen Qualifizierungen werden Schlüsselkompetenzen für die Arbeitsorganisation, die Kommunikation mit Patienten und Angehörigen, Konfliktlösungsstrategien und Präsentationstechniken vermittelt.

Moderne Kliniken kommen heute den Erwartungen der Nachwuchsärzte entgegen, sie setzen unter anderem auf Familienfreundlichkeit, flexible Arbeitszeiten und einen Führungsstil, bei dem das Arbeiten Spaß macht. Die Chancen für Assistenzärzte, sich für die Facharztausbildung ein Krankenhaus aussuchen zu können, das ihren speziellen Bedürfnissen entgegenkommt, sind sehr gut. Vorausgesetzt, als Bewerber bringt man eine gewisse regionale Flexibilität mit.