Wirtschaftsingenieurin Cecilia Schütt-Salinas arbeitet seit drei Monaten als Offshore-Koordinatorin bei Siemens

Wenn Cecilia Schütt-Salinas über Gleichstromnetze, Schaltpläne und Hochspannungstransformatoren spricht, klingt das irgendwie nach Abenteuer: „Wir leisten hier Pionierarbeit auf einem für Siemens komplett neuen Feld“, sagt die 27 Jahre alte Wirtschaftsingenieurin, die seit März beim Elektronikkonzern als Offshore-Koordinatorin für die Logistik rund um die Installation und Inbetriebnahme der ersten Umspannplattform ihrer Art in der Nordsee arbeitet.

Vorgezeichnet war der Weg ins Ingenieurswesen für die zierliche Bolivianerin, die seit acht Jahren in Hamburg lebt, nicht. In der Familie, der Vater Filmregisseur, die Mutter Erzieherin lebte niemand einen technischen Beruf vor. Mathe, Physik und Chemie seien auch nie ihre absoluten Lieblingsfächer gewesen. „Aber sie fielen mir immer leicht“, sagt Schütt-Salinas, die zu Schulzeiten für ihr Gymnasium dann auch regelmäßig an der Chemie- und Physik-Olympiade teilnahm.

Nach dem Abi entschied sie sich für ein Wirtschaftsingenieur-Studium. „Die Verbindung von Wirtschaft und Technik fand ich einfach spannend“, sagt Schütt-Salinas. Schon allein, weil diese Kombination eine Vielzahl unterschiedlicher Berufsfelder eröffnet – von der Konstruktion von Maschinen und der technischen Qualitätssicherung über das Controlling bis zum Einkauf oder Marketing.

„Mathe und Naturwissenschaften sollte man für das Studium schon mögen“, sagt Cecilia Schütt-Salinas. Schließlich erfordern Fächer wie technische Mechanik und Verfahrenstechnik immer wieder komplizierte Berechnungen, und auch Chemie und Physik sind Teil der Vorlesungen. „Man darf die Ansprüche an sich selbst aber auch nicht zu hoch schrauben“, sagt sie im Hinblick auf den geringen Anteil an Studentinnen: Vielen Männern reiche ihre Vorliebe für Autos als Antrieb für ein Ingenieursstudium, während Frauen die eigenen Fähigkeiten oft wesentlich kritischer beurteilten und dann einen anderen Weg einschlagen, so ihre Einschätzung. „Frauen sollten sich einfach mehr trauen“, sagt sie.

Auch unter den rund 100 Studenten, die mit ihr im Sommer 2006 den hochschulübergreifenden Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen (HWI) von der HAW Hamburg, der Uni Hamburg und der TU Harburg begannen, „waren nur etwa 15 Frauen“, schätzt Schütt-Salinas. In einigen Vorlesungen saß sie als Einzige unter lauter Männern. Gestört habe sie das nicht. Und dumme Sprüche, die einige technische Uni-Mitarbeiter im Labor sich nicht verkneifen konnten, nahm sie mit Humor. „Wenn man ein männerdominiertes Studium wählt, weiß man um mögliche Vorurteile“, sagt Schütt-Salinas. Das dürfe man nicht persönlich nehmen. Ansonsten habe sie keine Probleme gehabt, von Professoren und in den Arbeitsgruppen fühlte sie sich stets voll akzeptiert.

Die Unternehmen, die inzwischen schon wegen des Fachkräftemangels verstärkt um Ingenieurinnen werben, leisten teilweise bereits während des Studiums Hilfestellung speziell für junge Frauen. So auch Schütt-Salinas Arbeitgeber Siemens mit dem Mentoring-Programm Yolante, als Kürzel für Young Ladies’ Network of Technology. Jungen Frauen aus technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen steht ein persönlicher Mentor zur Seite, und bei der Suche nach Praktika und beim Aufbau eines Netzwerks gibt es ebenfalls Unterstützung. „Solch ein Rückhalt kann sehr nützlich sein“, findet Cecelia Schütt-Salinas.

Sie selbst hat ihre Kontakte während des Studiums auf eigene Faust geknüpft. Zwei Jahre arbeitete sie neben den Vorlesungen als Werkstudentin bei Airbus im Einkauf für Produktionsmaschinen. „Das war weit mehr als ein Hineinschnuppern ins Berufsleben, dort habe ich viel gelernt, wovon ich noch heute profitiere“, sagt die 27-Jährige. Ihre Diplomarbeit schrieb sie später bei Siemens über die Planung, Bauüberwachung und Steuerung von Plattformen für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, kurz HGÜ – heute arbeitet sie in genau diesem Bereich. Bewerben musste sich Schütt-Salinas nach ihrem Studium nicht: Sie konnte zwischen einem Angebot von Airbus im Einkauf und Siemens wählen. „Ich wollte gerne im technischen Bereich einsteigen“, sagt Schütt-Salinas. Auch weil es einfacher sei, später von hier aus in einen kaufmännischen Job zu wechseln als umgekehrt. „Die Technik entwickelt sich rasant, da muss man erst einmal am Ball bleiben“, sagt sie.

Und genau das macht für sie auch den Reiz ihrer Arbeit aus. Die neue Technik der HGÜ-Plattformen bündelt die elektrische Energie aus mehreren Offshore-Windparks, wandelt sie in Gleichstrom um und leitet sie verlustarm über eine Strecke von mehr als 100 Kilometer Länge durch die Nordsee weiter an Land. Ein neuer Geschäftsbereich für solche Lösungen wurde bei Siemens erst vor Kurzem eingerichtet.

Die logistischen Aufgaben, die Schütt-Salinas koordiniert, sehen dabei immer wieder anders aus. Mal berechnet sie, ob ein zusätzlicher Generator für die Inbetriebnahme der Plattform benötigt wird, ein anderes Mal erarbeitet sie im Team die Verbindung zwischen Umspannplattform und dem Errichterschiff oder prüft vor Ort bei der Werft den Stand der Fertigung der Bauteile. „Schon wegen der zahlreichen Möglichkeiten kann ich den Ingenieurberuf auch Frauen nur empfehlen“, sagt Schütt-Salinas. Ihre jüngere Schwester hat sie bereits überzeugt – sie studiert jetzt Bauingenieurswesen.