Silke Grimm gehört der Leitung des Kreditversicherers Euler Hermes an. Ihr Erfolgsrezept: Von sich überzeugt sein und die eigene Marke ausbauen.

Nach ihrem Abitur und einer Ausbildung zur Steuerfachangestellten hat sie eine Auszeit genommen. "Ich bin in die USA gereist und habe dort in einem Jugendcamp Ballett und Segeln unterrichtet", sagt Silke Grimm. Es sollte ihre letzte Auszeit sein. Seither hat sich die Managerin aus Reinbek Stück für Stück hochgearbeitet. Bis zur Vorstandsebene hinauf. Die 44-Jährige ist bei dem Hamburger Kreditversicherer Euler Hermes für Finanzen zuständig.

Die agile, schlanke Frau hat einen Weg gemacht, den heute Studenten kaum noch nachmachen können. Silke Grimm hat bislang ausschließlich für Euler Hermes gearbeitet. Früher waren solche Karrieren üblich, doch nicht heute, wo sich selbst Akademiker am Beginn ihrer Laufbahn von Praktikum zu Praktikum hangeln müssen.

1991 kam die Vorstandsfrau zu dem Hamburger Unternehmen, bei dem sie erst einmal einen dualen Studiengang an der Wirtschaftsakademie Hamburg, der heutigen Hamburg School of Business Administration (HSBA) machen konnte. Kein einfacher Weg, denn bei solchen Modellen studieren und arbeiten die Teilnehmer gleichzeitig. Allerdings verdienen sie bereits von Anfang an Geld. "Wenn andere Semesterferien machten, ging ich zur Arbeit. Ich war extrem zielorientiert", sagt Grimm. "Ich wollte nicht ellenlange Jahre ausschließlich studieren. Und es war ein angenehmer Deal, ich habe in viele Bereiche Einblicke bekommen."

Drei Jahre später hatte sie bestanden - und suchte nach weiterer Qualifikation. Sie machte berufsbegleitend ein zweites wirtschaftswissenschaftliches Studium an der Nordakademie Elmshorn. Ihren Arbeitgeber konnte sie immerhin davon überzeugen, dass er sich im Erfolgsfall an den Kosten beteiligt. Sie hatte Erfolg, und Euler Hermes konnte über eine junge Führungskraft mit vielseitigem Know-how verfügen. Ihre Diplomarbeit in Elmshorn schrieb Silke Grimm über "Shareholder-Value-Ansatz als Steuerungsinstrument von Versicherungsunternehmen". Damit traf sie einen Nerv. "Unsere Konzernmutter Allianz hat diesen Ansatz rund ein Jahr später eingeführt. So falsch kann ich also nicht gelegen haben."

"Ich hatte immer Spaß bei meinen beruflichen Aufgaben", sagt Grimm. "Ich war neugierig und meldete mich auch ungefragt, wenn es um die Übernahme von Verantwortung ging. Und mir war es immer wichtig, eine gesunde Grundqualifikation zu haben." Als sie bei Euler Hermes anfing, hatte sie sich vorgenommen, eine Führungsposition zu übernehmen. "Und ich wollte 100 000 Mark im Jahr verdienen." Beide Ziele hat sie inzwischen übertroffen.

2001 bekam sie mit 33 Jahren die Verantwortung für eine fünf Mitarbeiter starke Gruppe aus dem Bereich Finanzen und Controlling. Wieder war es drei Jahre später, als sie ins europäische und asiatische Ausland geschickt wurde, um die dortigen Firmentöchter besser mit dem Mutterkonzern zu vernetzen. "Eine aufregende Zeit. Ich machte längere Reisen nach Japan, Hongkong oder Singapur."

Der Aufstieg verlief ungebremst, als nächstes hatte die Managerin 25 Mitarbeiter im Controlling unter sich. "Eine tolle Truppe", schwärmt sie. Nach weiteren Stationen ist sie nun seit rund einem Jahr im Vorstand. "Ich erfuhr die finale Entscheidung des Unternehmens, als ich mit meinem Mann auf Sardinien in Urlaub war. Natürlich haben wir eine gute Flasche Rotwein geköpft."

"Ich fühle mich wohl in meinem Amt. Jeder meiner Karrierestationen konnte ich viel abgewinnen. Immer wenn ich Bedarf und Lust auf eine berufliche Veränderung hatte, konnte Euler Hermes mir eine entsprechende Perspektive eröffnen", sagt Grimm. "Es gab keine verschenkte Zeit."

Als Finanzvorstand ist die Managerin Hüterin des Geldes und spielt damit gerade in der Euro-Krise in der ersten Reihe mit. Der weltweit führende Kreditversicherer versichert Lieferungen und Leistungen - wie beispielsweise Maschinen, die deutsche Unternehmen ins Ausland verkaufen. Bei einem Zahlungsausfall des Empfängers muss die Kreditversicherung einspringen. "Meine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass wir in einem wirtschaftlich unsicheren Umfeld die größtmögliche Sicherheit für unsere Versicherungsnehmer gewährleisten. Dafür müssen die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie unsere eigene Geschäftsentwicklung eng begleitet und unsere Kapitalanlagen konservativ und ertragreich angelegt werden."

Silke Grimm ist sich treu geblieben. Die Vorstandsaufgabe ist ihr nicht in den Kopf gestiegen. "Mich freut, dass ich jetzt Zugang zu mehreren übergeordneten Netzwerken bekommen habe und so viele Kollegen von anderen Unternehmen kennenlernen kann." Sie arbeitet wie zuvor zehn bis zwölf Stunden am Tag, ist jedoch etwas mehr auf Reisen. Zum Beispiel nach Österreich und Polen, wo sie Mitglied in den Aufsichtsräten der dortigen Töchter von Euler Hermes ist.

Und sie erinnert sich an ihre Wurzeln. "Kürzlich hielt ich in der HSBA einen Impulsvortrag vor den Studenten. Das hat mir Spaß gemacht. Vielleicht ergibt sich nochmals eine Gelegenheit." Silke Grimm ist auch im Kuratorium ihrer ersten Uni. Was sie den angehenden Akademikern mit auf den Weg gegeben hat? "Wer Karriere machen möchte, muss sich als Erstes fragen, wo er hinmöchte. In die Führung oder in eine Expertentätigkeit? Erst wenn dies geklärt ist, sollte man gegenüber Vorgesetzten und Mentoren seine konkreten Wünsche äußern." Und natürlich "hier!" sagen, wenn es um neue Verantwortungsbereiche geht. "Man muss überzeugt von sich sein und die eigene Marke stetig ausbauen und promoten."

Die Karriere von Silke Grimm verlief reibungslos. Aber sie musste auch ihren Preis dafür bezahlen. Vor drei Jahren bekam sie einen Sohn. Schon acht Wochen nach der Geburt war sie wieder im Job. "Mein Mann und ich haben eine Kinderfrau engagiert und haben einen Platz in der Kita", sagt sie. "In der Freizeit versuchen wir, möglichst viel Zeit als Familie zu verbringen."

Gelegen kommt ihr, dass Euler Hermes einiges unternimmt, um qualifizierte Mütter und Väter im Job zu unterstützen. So gibt es die Vermittlung von Betreuungsdienstleistungen durch den Familienservice, das "Euler Hermes Women's Network" und ein Eltern-Kind-Zimmer, in dem Beschäftigte arbeiten können, wenn sie ausnahmsweise ihr Kind mitbringen müssen. Für Initiativen wie diese und für das Bemühen um mehr Mixed Leadership, also neben Männern auch Frauen in Führungspositionen zu haben, wurde das Unternehmen vor Kurzem mit dem von der Handelskammer Hamburg und der Helga-Stödter-Stiftung vergebenen Helga-Stödter-Preis ausgezeichnet.