Ingenieur und Abenteurer Andreas Bartmann machte sein Hobby zum Beruf - heute ist er Chef des Outdoorhändlers Globetrotter.

Hamburg. Was Hunger ist, hat Andreas Bartmann in der Einsamkeit Schwedens und Norwegens erfahren. Zusammen mit seinem Freund Thomas Lipke wanderte der gebürtige Hamburger im Alter von 17 Jahren durch die skandinavische Wildnis. 800 Kilometer in zwei Monaten legten die beiden zurück, manchmal trafen sie tagelang keinen anderen Menschen. "Wir hatten die Wildheit dieser Länder gnadenlos unterschätzt, sind ausgesprochen blauäugig an die Sache herangegangen", sagt Bartmann heute. Oft seien sie mit knurrendem Magen in ihre Zelte gekrochen. 20 Kilo habe er damals abgenommen.

Doch seine Abenteuerlust und die Begeisterung für die schroffen Berglandschaften waren geweckt. Immer wieder kehrte er in den kommenden Jahrzehnten in den hohen Norden zurück, trampte auch durch China, Tibet und das kleine buddhistische Königreich Bhutan. "Nirgendwo kann ich mich besser erholen als in der Natur", sagt er.

Dass Andreas Bartmann allerdings mal mit der Abenteuerlust anderer Menschen sein Geld verdienen würde, das war dem freundlichen Mann mit den wasserblauen Augen und dem gepflegten, rötlichen Schnauzbart lange nicht klar. "Für mich waren Reisen und Abenteuer zunächst mal ein reines Hobby", sagt der 53-Jährige.

Und doch ist Andreas Bartmann heute zusammen mit seinem früheren Schulfreund Lipke der Chef von Deutschlands größtem Outdoorhändler Globetrotter. Rund 250 Millionen Euro werden die Hamburger in diesem Jahr mit dem Verkauf von Schlafsäcken, Wanderstiefeln, Campingkochern und Kletterausrüstungen umsetzen. 1600 Mitarbeiter sind in den inzwischen zehn Filialen des Unternehmens beschäftigt.

Geplant hatte Bartmann eine ganz solide, technische Karriere. Beim Hamburger Energieversorger HEW - dem heutigen Vattenfall-Konzern - machte er nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zum Mess- und Regelmechaniker. Anschließend holte er sein Abitur nach und absolvierte an der Fachhochschule Bergedorf ein Studium der Produktionstechnik. Die Eltern waren mächtig stolz, dass ihr Sohn als erster in der Familie eine akademische Ausbildung abgeschlossen hatte.

Große Anlagen für die Industrie hätte Bartmann mit seinem Abschluss als Diplom-Ingenieur entwickeln können. Und vielleicht wäre es auch so gekommen, hätte nicht ein bärtiger Weltenbummler namens Klaus Denart im September des Jahres 1979 einen kleinen Laden an der Wandsbeker Chaussee eröffnet.

Das erste Globetrotter-Geschäft bestand aus kaum mehr als einer Ansammlung von Ikea-Regalen, in denen sich Rucksäcke und Expeditionsausrüstungen stapelten. Überlebenskünstler und Profi-Abenteurer Rüdiger Nehberg erschien zur Eröffnung und servierte den Kunden eine Survival-Mahlzeit: gebratene Mehlwürmer. Andreas Bartmann und die übrigen Mitglieder der Hamburger Weltenbummler-Gemeinde waren begeistert und avancierten schnell zu Stammkunden.

Unversehens hinter dem Tresen seines Lieblingsladens gelandet

"Ehe ich mich versah, fand ich mich schon hinter dem Verkaufstresen wieder", erzählt Bartmann, der mit dem Aushilfsjob bei Globetrotter sein Studium finanzierte. Mit viel Kreativität gelang es ihm sogar, seine Diplomarbeit über die Mini-Firma zu schreiben. Er stellte die Buchführung seines Arbeitgebers auf damals noch ausgesprochen klobige und wenig leistungsstarke Computer um und machte daraus eine Fallstudie über den Einsatz elektronischer Datenverarbeitung in einem kleinen Einzelhandelsunternehmen.

So viel Einfallsreichtum beeindruckte auch Globetrotter-Gründer Denart, der Bartmann nach dem Studium gern für die Firma gewinnen wollte. "Ich hatte damals lukrative und spannende Angebote von großen Konzernen wie Airbus. Es war eigentlich unsinnig, bei Globetrotter einzusteigen, das damals wirklich kaum mehr als eine Klitsche war", sagt Bartmann.

Doch das Bauchgefühl und die Abenteuerlust siegten, ein Schritt, den Bartmann im Nachhinein nie bereut hat. Globetrotter wuchs in den kommenden Jahren mit dem immer größer werdenden Outdoormarkt. Mit 28 Jahren stieg Bartmann in der Firma zum Mitgeschäftsführer und Teilhaber auf. Ein Jahr später rückte auch sein Freund Thomas Lipke in die Führungsebene auf, seit dem Rückzug der Gründer im Jahr 2000 tragen die Freunde gemeinsam die Verantwortung für das Tagesgeschäft.

Ein Grund für den Erfolg des Unternehmens dürfte in den unkonventionellen Ideen liegen, mit denen die Hamburger ihre Geschäfte in ganz Deutschland gestalten. In Köln bauten sie zum Beispiel einen kompletten, acht Meter tiefen Pool in der Filiale ein, in dem die Kunden ihre neuen Kajaks oder Faltboote gleich testen und sogar einen Tauchschein machen können. "Ich hatte zuvor gerade selbst Tauchen gelernt und hielt das für eine tolle Idee", sagt Andreas Bartmann verschmitzt. Über all die Genehmigungen, die er für das Projekt einholen musste, spricht er lieber nicht. "Es gibt ohnehin viel zu viele Bedenkenträger, die gute Ideen verhindern."

Wenn Bartmann von solchen Projekten erzählt, dann kommt wieder der Diplom-Ingenieur in ihm durch, der immer neue technische Lösungen austüfteln will. In der jüngsten Filiale in München hat der Globetrotter-Chef jetzt sogar eine Kammer einbauen lassen, in der sich die Kälte-, Wind- und Sauerstoffverhältnisse auf dem Mount Everest simulieren lassen - für Abenteurer, die vorher einmal testen wollen, ob sie der dünnen Luft auf dem höchsten Berg der Welt überhaupt gewachsen wären.

Bartmann selbst will im kommenden Jahr erst einmal wieder in den hohen Norden aufbrechen. Er wird an einer mehrwöchigen Expedition in der Einsamkeit von Spitzbergen teilnehmen und sich auf den Spuren historischer Expeditionen bewegen. Im Augenblick wird gerade die Lage der Proviant- und Verpflegungsstationen geplant.

Nur seine Frau hat der Globetrotter-Chef nie mit seiner Abenteuerlust anstecken können. Sie schätzt es nicht sonderlich, im Zelt zu schlafen, und hält wenig davon, ihre Grenzen in der freien Natur auszutesten. Zusammen im Norden waren die beiden im vergangenen Jahr allerdings trotzdem unterwegs. Mit einem Postschiff der Hurtigrouten sind sie durch die norwegischen Fjorde geschippert. Das habe ihm zur Abwechslung auch gut gefallen, sagt Andreas Bartmann.