Neue Herausforderungen: Nach der Energiewende sind Fachleute gefragt. Die Hochschulen im Norden konzipieren dafür neue Studiengänge.

An einer sicheren und sauberen Zukunft mitzuwirken ist nicht die schlechteste Studienmotivation. Zudem wächst der Bedarf an Experten, denn die Umsetzung der Energiewende, also der Übergang von den endlichen Ressourcen Öl und Gas sowie der zunehmend als problematisch eingestuften Atomenergie auf erneuerbare Energien, ist in vollem Gange. "Allerdings sollen unsere Studenten nicht mit vorgefertigten Ideologien ins Studium starten, sondern vorurteilsfrei das Energiesystem in seiner Komplexität verstehen und intelligente Lösungen finden", sagt Professor Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts Umwelttechnik und Energiewirtschaft an der TU Hamburg-Harburg (TUHH).

Dort können Studenten zum Beispiel ihren Bachelor in Energie- und Umwelttechnik absolvieren. "Der Studiengang ist zwischen Maschinenbau und Verfahrenstechnik angesiedelt und behandelt primär Fragen aus dem Bereich Energie und Umwelt", erklärt Kaltschmitt. Das könne etwa der Bau einer Windkraftanlage oder eines konventionellen Kraftwerks sein unter Berücksichtigung technischer, ökologischer, sicherheitstechnischer und wirtschaftlicher Anforderungen.

Johanna Kamin hat das umfassende Curriculum bereits durchlaufen. Die 22-Jährige schreibt gerade ihre Bachelorarbeit und startet im April in den neuen Master-Studiengang "Erneuerbare Energien" an der TUHH. Die nächsten zwei Jahre vertieft sie ihr Wissen in den Bereichen Wind-, Wasser- und Solarenergie sowie Geothermie und Energie aus Biomasse. "Ich würde mich dann gern auf Windkraftanlagen spezialisieren. Da gibt es noch viel Forschungspotenzial", sagt sie. Zwar besteht in der Gesellschaft Konsens über die Notwendigkeit der Energiewende, ein Windkraftrad in Sicht- und Hörweite hingegen stößt auf weit weniger Gegenliebe. "Je leisere und effizientere neue Modelle wir entwickeln können, desto größer die Akzeptanz", glaubt sie.

Ganz und gar solchen Fragen hat sich der Kooperationsstudiengang Wind Engineering verschrieben. Die Unis Kiel und Flensburg sowie die Fachhochschulen Kiel, Flensburg und Westküste haben ihn zusammen entwickelt. Er ist international und interdisziplinär ausgerichtet. "Wind Engineering ist ein Masterstudiengang für ingenieurwissenschaftliche Spezialisten, die bei uns zu Generalisten in der Windenergie werden, um sich wiederum mit ihrer Masterarbeit auf ein Thema zu fokussieren", sagt Professor Torsten Faber, Leiter des Wind Energy Technology Institute (WETI) in Flensburg.

Das könnten Themen aus der Elektro-Technik, aus Schiff- oder Maschinenbau oder Luft- und Raumfahrt sein, je nachdem, um welchen Teil der Windkraftanlage es gehe: "Für Turm und Gründung ist etwa Bauingenieurwissen gefragt, für Nabe und Maschine, klar: Maschinenbau", erklärt Faber. "Schiffbau-Ingenieure spezialisieren sich auf Offshore-Anlagen, und für die Auslegung der Rotorblätter ist etwa Erfahrung aus dem Flugzeugbau relevant."

Die 20 Plätze des Masterstudiengangs "Renewable Energy Systems" an der HAW Hamburg reichen längst nicht, um jeden Studienantrag zu bewilligen. In drei Semestern und hauptsächlich in englischer Sprache werden dort Fachkräfte für die Planung und Projektierung neuer Anlagen, die Entwicklung und Konstruktion innovativer Komponenten oder die Integration von regenerativen und hybriden Energiesystemen in bestehende Netze ausgebildet.

Informationen über die an verschiedenen Fakultäten angesiedelten HAW-Studiengänge bündelt das hochschuleigene Competence Center für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (CC4E) - und informiert auch über einen ganz neuen Studiengang: den Bachelor Regenerative Energiesysteme und Energiemanagement, der für das Wintersemester 2013/2014 geplant ist. "Wir hoffen mit diesem siebensemestrigen Studium, das sich durch übergreifende Fragestellungen technischer, kaufmännischer und politischer Natur auszeichnet, mehr Frauen für ein ingenieurwissenschaftliches Studium motivieren zu können", sagt Ralf Behrens, Geschäftsführer des CC4E.

Um möglichst praxisnah lernen und forschen zu können, ist zudem der Bau eines neuen Technologiezentrums "Energie-Campus Hamburg" der HAW Hamburg im kommenden Jahr geplant. "Auf 1000 Quadratmetern entsteht in Bergedorf ein Forschungs- und Ausbildungslabor für Windenergie und intelligente Stromnetze", sagt Behrens. Und sogar ein kleiner Windpark ist in Planung. Die Erlöse aus der Stromerzeugung fließen in die Finanzierung des Energie-Campus, der im Übrigen allen Hochschulen in Hamburg und der Metropolregion offen stehen wird.