Allianz, Bertelsmann, Henkel und McKinsey bieten ein gemeinsames Praktikumsprogramm an. Idee: unentschlossene Top-Kandidaten sollen gebunden werden.

Mut zur Lücke ist eine Eigenschaft, die für gewöhnlich wenig Wertschätzung erfährt - spricht sie doch dem Bewerber das geschlossene Fundament oder das klare Zielbewusstsein ab. Doch es gibt Unternehmen, die gerade die Erfahrungen, die Berufseinsteiger in solch einer "Lücke" machen, wertvoll finden.

So mausert sich das Gap-Year, wörtlich übersetzt also "Lückenjahr", das Bewerber zwischen Schule und Studium oder zwischen Bachelor und Master eingeschoben haben, auch in Deutschland für immer mehr Personaler von der argwöhnisch betrachteten Auszeit zum Pluspunkt im Lebenslauf.

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"Auch nach Abschluss meines Bachelors weiß ich noch nicht so richtig, in welche Richtung ich mich beruflich entwickeln will", sagt Maximilian Pesch. Dabei hat der 23-jährige Volkswirtschaftsabsolvent erstklassige Praktika in seinem Lebenslauf. Er hat im Ausland studiert, verschiedene Angebote fürs Master-Studium und noch dazu die Fähigkeit, sich wie ein Muttersprachler in Deutsch, Englisch und Italienisch verständigen zu können. Ein Traumkandidat für Firmen - aber einer, der noch nicht genau weiß, für welche Richtung er sich entscheiden will.

Die Absolventen machen drei Praktika und haben ein Vierteljahr frei

In genau diese Orientierungslücke stößt nun das frisch aufgelegte Gap-Year-Programm des Unternehmensquartetts Allianz, Bertelsmann, Henkel und McKinsey. Dabei können Bachelor-Absolventen bis zu drei Vierteljahres-Praktika bei den teilnehmenden Unternehmen machen. Anschließend haben sie noch ein Quartal zu ihrer freien Verfügung.

Bachelor-Absolvent Maximilian Pesch ist der erste Gap-Year-Teilnehmer. Seit Mitte Juli arbeitet er in der Strategie-Abteilung von Henkel. "Das Programm ist eine Reaktion auf das Bachelor-Studium, das meist so stark verschult ist, dass die Studenten keine Zeit für längere Praktika haben und schließlich - sie sind ja auch meist erst Anfang 20 - häufig gar nicht final wissen, welche Laufbahn sie einschlagen möchten", sagt Thomas Fritz, Recruiting Director bei McKinsey.

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So entstand nach vielen Gesprächen mit Studenten Ende letzten Jahres die Idee für das Gap-Year. "Die Studenten sollten die Chance bekommen, sich mit einem einzigen Schreiben für hochkarätige Praktika in Unternehmen aus ganz verschiedenen Bereichen zu bewerben."

Unternehmen haben die Chance, hoch qualifizierte Bewerber kennenzulernen

Der Nutzen für die Unternehmen aus den Branchen Beratung, Konsumgüter, Medien und Finanzen: "Wir wollen ja, dass die Studenten Praktika bei uns machen, nicht nur um Berufs- und Lebenserfahrung zu bekommen, sondern auch, damit wir sie kennenlernen können", sagt Thomas Fritz. Die Möglichkeit, zwischen Bachelor und Master eine Zeit lang der Hochschule den Rücken zu kehren, würden erfahrungsgemäß nur wenige Studenten nutzen. Mit dem Gap-Year könnte ihnen ein Angebot gemacht werden, das durch Praktikumsinhalte, die Strahlkraft der Unternehmensnamen und durch ein Vierteljahr Freiheit, diese Entscheidung erleichtern würde.

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Mitstreiter für die Idee fand der McKinsey-Recruiter schnell. "Mir gefiel das Konzept sofort", sagt Nico Rose, der bei dem Gütersloher Medienkonzern Bertelsmann für das Employer Branding verantwortlich ist. Auch Jens Plinke, Leiter Corporate Employer Branding bei Henkel, war rasch überzeugt: "Damit zeigen wir, dass wir neue Wege gehen, um aktiv auf die jungen Leute einzugehen, und durch den Zusammenschluss solcher Premium-Unternehmen erzielen wir ein Maximum an Attraktivität."

Dass die Organisatoren mit der Idee eines konzern- und branchenübergreifenden Programms voll ins Schwarze getroffen haben, zeigen die Reaktionen. "Wir haben mehr als 800 Bewerbungen in nur sechs Wochen bekommen, erheblich mehr als erwartet", sagt Thomas Fritz.

Nicht nur mit der Anzahl, auch mit der Qualität der Bewerber ist Nico Rose hochzufrieden: "Bei unseren Auswahltagen waren zahlreiche absolut herausragende Kandidaten dabei", sagt er. Dass sich die vier Unternehmen schließlich nur auf sieben Praktikanten einigen konnten, habe nicht zuletzt am Einstimmigkeitsprinzip gelegen. "Jedes Unternehmen musste sich für den jeweiligen Kandidaten aussprechen. Angesichts der vielen hochkarätigen Bewerber und so unterschiedlicher Firmen ist das nicht ganz einfach, weil die Anforderungsprofile verschieden sind", sagt Nico Rose. Alle Unternehmen bräuchten zwar Betriebswirte, "aber daneben hat jeder eine Vorliebe für spezielle Profile".

Zu Bertelsmann passe zum Beispiel ein Medienwissenschaftler besser als zu Henkel, erklärt Rose. "Die suchen stattdessen insbesondere Marketingprofis und die Allianz wiederum nach Mathematikern." Breiter orientiert sei McKinsey als Beratungsunternehmen, das mehr an den grundsätzlichen analytischen und kommunikativen Fähigkeiten interessiert sei als an ganz bestimmten Fachausbildungen, erklärt Chef-Recruiter Fritz. In der nächsten Runde des Gap-Years soll an dem diffizilen Auswahlverfahren geschraubt werden. Fritz: "Das Ziel ist eine größere Anzahl, vielleicht 20 bis 30 Gap-Year-Praktikanten pro Jahr."